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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Jch. Das ist eben das Schwere. Und weil
Paul sich das nicht zutraute, weil er wußte, wie
leicht einer sein rechtes Maaß verfehlt, und weil
er vermuthlich sich oft betrunken hatte, so that
er an unserm Wagen das Gelübde, gar keinen
mehr zu trinken, und meynte es sich dadurch un-
möglich zu machen.

Jda. Das kann ich nicht recht begreifen.
Wenn du uns Kindern bei Tische Wein gibst, so
trinken wir ihn gern; aber wenn du Woldemar
bei Tische frägst, ob er noch ein Glas wolle? sagt
er: liebe Tante, ich habe genug. Wenn Wol-
demar nun das wissen kann, der noch so jung ist,
so mußt' es ja der alte Paul noch viel besser wissen.

Jch. Jhr, guten Kinder, seyd daran gewöhnt,
auf euer Maaß zu merken; so hat man aber Paul
nicht erzogen. Und dennoch, liebe Jda, willst
du dich wohl erinnern, wie es dir an Woldemar's
Geburtstag mit den Weintrauben ging? Jch woll-
te euch mit Fleiß den Tag euch selbst überlassen,
ich warnte dich nicht, als dir die Trauben gar
zu gut schmeckten. Was folgte daraus?

Jch. Das iſt eben das Schwere. Und weil
Paul ſich das nicht zutraute, weil er wußte, wie
leicht einer ſein rechtes Maaß verfehlt, und weil
er vermuthlich ſich oft betrunken hatte, ſo that
er an unſerm Wagen das Gelübde, gar keinen
mehr zu trinken, und meynte es ſich dadurch un-
möglich zu machen.

Jda. Das kann ich nicht recht begreifen.
Wenn du uns Kindern bei Tiſche Wein gibſt, ſo
trinken wir ihn gern; aber wenn du Woldemar
bei Tiſche frägſt, ob er noch ein Glas wolle? ſagt
er: liebe Tante, ich habe genug. Wenn Wol-
demar nun das wiſſen kann, der noch ſo jung iſt,
ſo mußt’ es ja der alte Paul noch viel beſſer wiſſen.

Jch. Jhr, guten Kinder, ſeyd daran gewöhnt,
auf euer Maaß zu merken; ſo hat man aber Paul
nicht erzogen. Und dennoch, liebe Jda, willſt
du dich wohl erinnern, wie es dir an Woldemar’s
Geburtstag mit den Weintrauben ging? Jch woll-
te euch mit Fleiß den Tag euch ſelbſt überlaſſen,
ich warnte dich nicht, als dir die Trauben gar
zu gut ſchmeckten. Was folgte daraus?

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[229/0243] Jch. Das iſt eben das Schwere. Und weil Paul ſich das nicht zutraute, weil er wußte, wie leicht einer ſein rechtes Maaß verfehlt, und weil er vermuthlich ſich oft betrunken hatte, ſo that er an unſerm Wagen das Gelübde, gar keinen mehr zu trinken, und meynte es ſich dadurch un- möglich zu machen. Jda. Das kann ich nicht recht begreifen. Wenn du uns Kindern bei Tiſche Wein gibſt, ſo trinken wir ihn gern; aber wenn du Woldemar bei Tiſche frägſt, ob er noch ein Glas wolle? ſagt er: liebe Tante, ich habe genug. Wenn Wol- demar nun das wiſſen kann, der noch ſo jung iſt, ſo mußt’ es ja der alte Paul noch viel beſſer wiſſen. Jch. Jhr, guten Kinder, ſeyd daran gewöhnt, auf euer Maaß zu merken; ſo hat man aber Paul nicht erzogen. Und dennoch, liebe Jda, willſt du dich wohl erinnern, wie es dir an Woldemar’s Geburtstag mit den Weintrauben ging? Jch woll- te euch mit Fleiß den Tag euch ſelbſt überlaſſen, ich warnte dich nicht, als dir die Trauben gar zu gut ſchmeckten. Was folgte daraus?

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/243>, abgerufen am 22.11.2024.