und that den Leuten zuwider, was ich nur konnte, um mich an dem Widerstande zu rächen.
Jch. Nun du siehst also, daß sie dich zufrie- den und froh sehen wollten, und ihre Absicht ver- fehlten. Sie waren also bloß im Jrrthum.
Mathilde. Bin ich denn ganz ohne Schuld, daß ich so bin?
Jch. Das warst du, so lange du nicht wuß- test, wie anders man seyn soll. Die Schuld fängt immer mit der Erkenntniß erst an. Wer von dem Augenblick an, da er das Bessere er- kannt und empfunden hat, es nicht mit seiner ganzen Kraft ergreift, ist tadelnswerth, ist straf- bar. Frage die Stimme in dir, die du nun schon kennst, ob es nicht so sey?
Mathilde. (leise und beschämt) So ist es.
Jch. So ist es, und so war es vom Anbeginn. Dieselbe Stimme, die das aus deinem Jnnern spricht, spricht aus allen Gewissen eben so. Sie ist des Menschen Engel. Wer ihn ehrt, wird immer besser und besser.
und that den Leuten zuwider, was ich nur konnte, um mich an dem Widerſtande zu rächen.
Jch. Nun du ſiehſt alſo, daß ſie dich zufrie- den und froh ſehen wollten, und ihre Abſicht ver- fehlten. Sie waren alſo bloß im Jrrthum.
Mathilde. Bin ich denn ganz ohne Schuld, daß ich ſo bin?
Jch. Das warſt du, ſo lange du nicht wuß- teſt, wie anders man ſeyn ſoll. Die Schuld fängt immer mit der Erkenntniß erſt an. Wer von dem Augenblick an, da er das Beſſere er- kannt und empfunden hat, es nicht mit ſeiner ganzen Kraft ergreift, iſt tadelnswerth, iſt ſtraf- bar. Frage die Stimme in dir, die du nun ſchon kennſt, ob es nicht ſo ſey?
Mathilde. (leiſe und beſchämt) So iſt es.
Jch. So iſt es, und ſo war es vom Anbeginn. Dieſelbe Stimme, die das aus deinem Jnnern ſpricht, ſpricht aus allen Gewiſſen eben ſo. Sie iſt des Menſchen Engel. Wer ihn ehrt, wird immer beſſer und beſſer.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0241"n="227"/>
und that den Leuten zuwider, was ich nur konnte,<lb/>
um mich an dem Widerſtande zu rächen.</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. Nun du ſiehſt alſo, daß ſie dich zufrie-<lb/>
den und froh ſehen wollten, und ihre Abſicht ver-<lb/>
fehlten. Sie waren alſo bloß im Jrrthum.</p><lb/><p><hirendition="#g">Mathilde</hi>. Bin ich denn ganz ohne Schuld,<lb/>
daß ich ſo bin?</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. Das warſt du, ſo lange du nicht wuß-<lb/>
teſt, wie anders man ſeyn ſoll. Die Schuld<lb/>
fängt immer mit der Erkenntniß erſt an. Wer<lb/>
von dem Augenblick an, da er das Beſſere er-<lb/>
kannt und empfunden hat, es nicht mit ſeiner<lb/>
ganzen Kraft ergreift, iſt tadelnswerth, iſt ſtraf-<lb/>
bar. Frage die Stimme in dir, die du nun ſchon<lb/>
kennſt, ob es nicht ſo ſey?</p><lb/><p><hirendition="#g">Mathilde. (leiſe und beſchämt)</hi> So iſt es.</p><lb/><p><hirendition="#g">Jch</hi>. So iſt es, und ſo war es vom Anbeginn.<lb/>
Dieſelbe Stimme, die das aus deinem Jnnern<lb/>ſpricht, ſpricht aus allen Gewiſſen eben ſo. Sie<lb/>
iſt des Menſchen Engel. Wer ihn ehrt, wird<lb/>
immer beſſer und beſſer.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[227/0241]
und that den Leuten zuwider, was ich nur konnte,
um mich an dem Widerſtande zu rächen.
Jch. Nun du ſiehſt alſo, daß ſie dich zufrie-
den und froh ſehen wollten, und ihre Abſicht ver-
fehlten. Sie waren alſo bloß im Jrrthum.
Mathilde. Bin ich denn ganz ohne Schuld,
daß ich ſo bin?
Jch. Das warſt du, ſo lange du nicht wuß-
teſt, wie anders man ſeyn ſoll. Die Schuld
fängt immer mit der Erkenntniß erſt an. Wer
von dem Augenblick an, da er das Beſſere er-
kannt und empfunden hat, es nicht mit ſeiner
ganzen Kraft ergreift, iſt tadelnswerth, iſt ſtraf-
bar. Frage die Stimme in dir, die du nun ſchon
kennſt, ob es nicht ſo ſey?
Mathilde. (leiſe und beſchämt) So iſt es.
Jch. So iſt es, und ſo war es vom Anbeginn.
Dieſelbe Stimme, die das aus deinem Jnnern
ſpricht, ſpricht aus allen Gewiſſen eben ſo. Sie
iſt des Menſchen Engel. Wer ihn ehrt, wird
immer beſſer und beſſer.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/241>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.