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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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rum kann man denn das nicht sagen, wie lieb
man den andern hat! Jch dachte immer, wenn
du nur erst schreiben kannst, dann willst du es
ihm wohl besser sagen, als mit dem Munde;
aber nun sehe ich, daß ich es so auch nicht kann.

Aber ich freue mich sehr, daß Du auf der Welt
bist, und daß ich auf der Welt bin, und daß ich
Deine Schwester bin, und Du mein Bruder;
und ich kann mir das gar nicht vorstellen, wenn
Du nicht auf der Welt wärst, und ich nicht. Jch
denke, es müßte dann gar nicht hübsch seyn auf
der Welt. Und worüber sollte sich die Mutter
denn wohl freuen? Tante fragte mich neulich,
ob ich auch wüßte, warum man den Geburtstag
feierte? O ich wußt' es wohl, warum man ihn
feiert! Jch habe Dir eine Geldbörse gestrickt,
nun mußt Du ja an Jda denken, so oft Du sie
herausziehst. Jch habe so viel rothe Streifen
darein gestrickt, als liebe Geburtstage im Jahre
fallen. Der erste Streifen ist Mutter ihr Ge-
burtstag, das ist der breiteste, dann kommt Va-
ter seiner, dann Deiner, dann Tante ihrer,

rum kann man denn das nicht ſagen, wie lieb
man den andern hat! Jch dachte immer, wenn
du nur erſt ſchreiben kannſt, dann willſt du es
ihm wohl beſſer ſagen, als mit dem Munde;
aber nun ſehe ich, daß ich es ſo auch nicht kann.

Aber ich freue mich ſehr, daß Du auf der Welt
biſt, und daß ich auf der Welt bin, und daß ich
Deine Schweſter bin, und Du mein Bruder;
und ich kann mir das gar nicht vorſtellen, wenn
Du nicht auf der Welt wärſt, und ich nicht. Jch
denke, es müßte dann gar nicht hübſch ſeyn auf
der Welt. Und worüber ſollte ſich die Mutter
denn wohl freuen? Tante fragte mich neulich,
ob ich auch wüßte, warum man den Geburtstag
feierte? O ich wußt’ es wohl, warum man ihn
feiert! Jch habe Dir eine Geldbörſe geſtrickt,
nun mußt Du ja an Jda denken, ſo oft Du ſie
herausziehſt. Jch habe ſo viel rothe Streifen
darein geſtrickt, als liebe Geburtstage im Jahre
fallen. Der erſte Streifen iſt Mutter ihr Ge-
burtstag, das iſt der breiteſte, dann kommt Va-
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[213/0227] rum kann man denn das nicht ſagen, wie lieb man den andern hat! Jch dachte immer, wenn du nur erſt ſchreiben kannſt, dann willſt du es ihm wohl beſſer ſagen, als mit dem Munde; aber nun ſehe ich, daß ich es ſo auch nicht kann. Aber ich freue mich ſehr, daß Du auf der Welt biſt, und daß ich auf der Welt bin, und daß ich Deine Schweſter bin, und Du mein Bruder; und ich kann mir das gar nicht vorſtellen, wenn Du nicht auf der Welt wärſt, und ich nicht. Jch denke, es müßte dann gar nicht hübſch ſeyn auf der Welt. Und worüber ſollte ſich die Mutter denn wohl freuen? Tante fragte mich neulich, ob ich auch wüßte, warum man den Geburtstag feierte? O ich wußt’ es wohl, warum man ihn feiert! Jch habe Dir eine Geldbörſe geſtrickt, nun mußt Du ja an Jda denken, ſo oft Du ſie herausziehſt. Jch habe ſo viel rothe Streifen darein geſtrickt, als liebe Geburtstage im Jahre fallen. Der erſte Streifen iſt Mutter ihr Ge- burtstag, das iſt der breiteſte, dann kommt Va- ter ſeiner, dann Deiner, dann Tante ihrer,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/227>, abgerufen am 22.11.2024.