Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

ten in der Anstrengung und erhitzten sich nicht.
Jch ward kühn, und ließ Jda mit auf die nahen
Berge klettern. Mathilde hatte selten Lust, sie
blieb dann so lange im Garten. Jda ist in den
zwei Monaten sehr gewachsen und sichtbarlich
stärker worden; auch hat sie zu ihrer gewöhnlichen
Grazie eine Gewandtheit und Behendigkeit ge-
wonnen, die uns den Tanzmeister noch für eine
gute Zeit entbehrlich macht. Oft fürchtete ich,
dies sehr zarte Wesen werde gegen die Stürme
des Lebens so wenig im physischen, als im andern
Sinne aushalten können, und blickte dann die
überirdische Gestalt mit liebendem Schmerz an.
Jetzt darf ich mich auch ihrer Kraft freuen.

Den Herbst und Winter bringen wir nun ruhig
und fleißig in der Stadt zu. Sobald es aber wie-
der Frühling wird, d. h. schon im März oder April,
ziehe ich mit den Kindern hinaus zu unserm lieben
Pfarrer, der noch diesen Nachsommer auf mein
Verlangen ein eigenes Gartenhaus nicht weit vom
Pfarrhofe bauen läßt; wo auch für Platov und
Woldemar Raum seyn soll, damit sie oft zu uns

(23)

ten in der Anſtrengung und erhitzten ſich nicht.
Jch ward kühn, und ließ Jda mit auf die nahen
Berge klettern. Mathilde hatte ſelten Luſt, ſie
blieb dann ſo lange im Garten. Jda iſt in den
zwei Monaten ſehr gewachſen und ſichtbarlich
ſtärker worden; auch hat ſie zu ihrer gewöhnlichen
Grazie eine Gewandtheit und Behendigkeit ge-
wonnen, die uns den Tanzmeiſter noch für eine
gute Zeit entbehrlich macht. Oft fürchtete ich,
dies ſehr zarte Weſen werde gegen die Stürme
des Lebens ſo wenig im phyſiſchen, als im andern
Sinne aushalten können, und blickte dann die
überirdiſche Geſtalt mit liebendem Schmerz an.
Jetzt darf ich mich auch ihrer Kraft freuen.

Den Herbſt und Winter bringen wir nun ruhig
und fleißig in der Stadt zu. Sobald es aber wie-
der Frühling wird, d. h. ſchon im März oder April,
ziehe ich mit den Kindern hinaus zu unſerm lieben
Pfarrer, der noch dieſen Nachſommer auf mein
Verlangen ein eigenes Gartenhaus nicht weit vom
Pfarrhofe bauen läßt; wo auch für Platov und
Woldemar Raum ſeyn ſoll, damit ſie oft zu uns

(23)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0191" n="177"/>
ten in der An&#x017F;trengung und erhitzten &#x017F;ich nicht.<lb/>
Jch ward kühn, und ließ Jda mit auf die nahen<lb/>
Berge klettern. Mathilde hatte &#x017F;elten Lu&#x017F;t, &#x017F;ie<lb/>
blieb dann &#x017F;o lange im Garten. Jda i&#x017F;t in den<lb/>
zwei Monaten &#x017F;ehr gewach&#x017F;en und &#x017F;ichtbarlich<lb/>
&#x017F;tärker worden; auch hat &#x017F;ie zu ihrer gewöhnlichen<lb/>
Grazie eine Gewandtheit und Behendigkeit ge-<lb/>
wonnen, die uns den Tanzmei&#x017F;ter noch für eine<lb/>
gute Zeit entbehrlich macht. Oft fürchtete ich,<lb/>
dies &#x017F;ehr zarte We&#x017F;en werde gegen die Stürme<lb/>
des Lebens &#x017F;o wenig im phy&#x017F;i&#x017F;chen, als im andern<lb/>
Sinne aushalten können, und blickte dann die<lb/>
überirdi&#x017F;che Ge&#x017F;talt mit liebendem Schmerz an.<lb/>
Jetzt darf ich mich auch ihrer Kraft freuen.</p><lb/>
          <p>Den Herb&#x017F;t und Winter bringen wir nun ruhig<lb/>
und fleißig in der Stadt zu. Sobald es aber wie-<lb/>
der Frühling wird, d. h. &#x017F;chon im März oder April,<lb/>
ziehe ich mit den Kindern hinaus zu un&#x017F;erm lieben<lb/>
Pfarrer, der noch die&#x017F;en Nach&#x017F;ommer auf mein<lb/>
Verlangen ein eigenes Gartenhaus nicht weit vom<lb/>
Pfarrhofe bauen läßt; wo auch für Platov und<lb/>
Woldemar Raum &#x017F;eyn &#x017F;oll, damit &#x017F;ie oft zu uns<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(23)</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0191] ten in der Anſtrengung und erhitzten ſich nicht. Jch ward kühn, und ließ Jda mit auf die nahen Berge klettern. Mathilde hatte ſelten Luſt, ſie blieb dann ſo lange im Garten. Jda iſt in den zwei Monaten ſehr gewachſen und ſichtbarlich ſtärker worden; auch hat ſie zu ihrer gewöhnlichen Grazie eine Gewandtheit und Behendigkeit ge- wonnen, die uns den Tanzmeiſter noch für eine gute Zeit entbehrlich macht. Oft fürchtete ich, dies ſehr zarte Weſen werde gegen die Stürme des Lebens ſo wenig im phyſiſchen, als im andern Sinne aushalten können, und blickte dann die überirdiſche Geſtalt mit liebendem Schmerz an. Jetzt darf ich mich auch ihrer Kraft freuen. Den Herbſt und Winter bringen wir nun ruhig und fleißig in der Stadt zu. Sobald es aber wie- der Frühling wird, d. h. ſchon im März oder April, ziehe ich mit den Kindern hinaus zu unſerm lieben Pfarrer, der noch dieſen Nachſommer auf mein Verlangen ein eigenes Gartenhaus nicht weit vom Pfarrhofe bauen läßt; wo auch für Platov und Woldemar Raum ſeyn ſoll, damit ſie oft zu uns (23)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/191
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/191>, abgerufen am 23.11.2024.