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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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mit der Bitte, ihm den kleinen Gast zu überlas-
sen, er wollte mir ihn auch täglich auf ein paar
Stunden wieder abtreten. Der Vertrag ward
eingegangen und Woldemar's Augen funkelten
Freude. P. hat Wort gehalten und ihn mir
täglich hergebracht. Auch ist der Kleine gern bei
mir, denn ich lasse ihn gewähren. Will er lesen,
so lieset er die ganze Zeit, ohne zu sprechen.
Will er plaudern, so habe ich immer ein offenes
Ohr für ihn. Aber wovon spricht er? Jmmer
von P. und nichts als P. Unerschöpflich ist der
Kleine in seinem Preisen. Und dem P. geht es
mit dem Kleinen gerade eben so. Wenn wir mit
einander sind, und der Kleine im Garten oder im
andern Zimmer sich beschäftigt, so ist er der ein-
zige Jnhalt unsrer Gespräche. Diesen Morgen
hatte er Woldemar in seinem Hause bei seinen
Landkarten beschäftigt, und kam allein zu mir.
"Selma, sagt' er, ich fühle mich zu diesem
Knaben ungewöhnlich stark hingezogen. Seine
Erziehung wäre das einzige Geschäft, das ich mir
wünschen könnte. Jst es wahrscheinlich, daß die
Eltern, die doch einmal im Wirbel der Welt so



mit der Bitte, ihm den kleinen Gaſt zu überlaſ-
ſen, er wollte mir ihn auch täglich auf ein paar
Stunden wieder abtreten. Der Vertrag ward
eingegangen und Woldemar’s Augen funkelten
Freude. P. hat Wort gehalten und ihn mir
täglich hergebracht. Auch iſt der Kleine gern bei
mir, denn ich laſſe ihn gewähren. Will er leſen,
ſo lieſet er die ganze Zeit, ohne zu ſprechen.
Will er plaudern, ſo habe ich immer ein offenes
Ohr für ihn. Aber wovon ſpricht er? Jmmer
von P. und nichts als P. Unerſchöpflich iſt der
Kleine in ſeinem Preiſen. Und dem P. geht es
mit dem Kleinen gerade eben ſo. Wenn wir mit
einander ſind, und der Kleine im Garten oder im
andern Zimmer ſich beſchäftigt, ſo iſt er der ein-
zige Jnhalt unſrer Geſpräche. Dieſen Morgen
hatte er Woldemar in ſeinem Hauſe bei ſeinen
Landkarten beſchäftigt, und kam allein zu mir.
„Selma, ſagt’ er, ich fühle mich zu dieſem
Knaben ungewöhnlich ſtark hingezogen. Seine
Erziehung wäre das einzige Geſchäft, das ich mir
wünſchen könnte. Jſt es wahrſcheinlich, daß die
Eltern, die doch einmal im Wirbel der Welt ſo

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[119/0133] mit der Bitte, ihm den kleinen Gaſt zu überlaſ- ſen, er wollte mir ihn auch täglich auf ein paar Stunden wieder abtreten. Der Vertrag ward eingegangen und Woldemar’s Augen funkelten Freude. P. hat Wort gehalten und ihn mir täglich hergebracht. Auch iſt der Kleine gern bei mir, denn ich laſſe ihn gewähren. Will er leſen, ſo lieſet er die ganze Zeit, ohne zu ſprechen. Will er plaudern, ſo habe ich immer ein offenes Ohr für ihn. Aber wovon ſpricht er? Jmmer von P. und nichts als P. Unerſchöpflich iſt der Kleine in ſeinem Preiſen. Und dem P. geht es mit dem Kleinen gerade eben ſo. Wenn wir mit einander ſind, und der Kleine im Garten oder im andern Zimmer ſich beſchäftigt, ſo iſt er der ein- zige Jnhalt unſrer Geſpräche. Dieſen Morgen hatte er Woldemar in ſeinem Hauſe bei ſeinen Landkarten beſchäftigt, und kam allein zu mir. „Selma, ſagt’ er, ich fühle mich zu dieſem Knaben ungewöhnlich ſtark hingezogen. Seine Erziehung wäre das einzige Geſchäft, das ich mir wünſchen könnte. Jſt es wahrſcheinlich, daß die Eltern, die doch einmal im Wirbel der Welt ſo

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/133>, abgerufen am 22.11.2024.