Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.tet habe. Mag es immerhin arm seyn, es kann Jda's Gespielin werden; doch mit der unerläßli- chen Bedingung, daß es mit Jda völlig gleich be- handelt werde, und alles genieße und habe, was Jda zu Theil wird, und daß ja kein untergeord- netes, dienendes Wesen neben Jda gestellt werde. Dies ist unglaublich nachtheilig. Fast unvermeid- lich wird dadurch in dem einen Kinde sklavische Kriecherei oder Scheelsucht, Neid und Tücke, und in dem andern Egoismus und Anmaßung gepflanzt. Doch muß ich noch eine Bedingung machen. Er- ziehest Du ein armes Kind mit Jda, so muß sein künftiges äußeres Schicksal durch Dich so fest ge- sichert werden, als sein Charakter und ganzes We- sen durch die Erziehung. Auf besondere Unglücks- fälle muß jedes menschliche Wesen vorbereitet und gefaßt seyn; nur so weit es von Dir abhängt, muß des Kindes Schicksal gesichert werden. Suche mit Deinem Manne hierüber völlig einig zu wer- den, ehe Du die Sache unternimmst. Sorge auch vor allen Dingen, das Kind genau (14)
tet habe. Mag es immerhin arm ſeyn, es kann Jda’s Geſpielin werden; doch mit der unerläßli- chen Bedingung, daß es mit Jda völlig gleich be- handelt werde, und alles genieße und habe, was Jda zu Theil wird, und daß ja kein untergeord- netes, dienendes Weſen neben Jda geſtellt werde. Dies iſt unglaublich nachtheilig. Faſt unvermeid- lich wird dadurch in dem einen Kinde ſklaviſche Kriecherei oder Scheelſucht, Neid und Tücke, und in dem andern Egoismus und Anmaßung gepflanzt. Doch muß ich noch eine Bedingung machen. Er- zieheſt Du ein armes Kind mit Jda, ſo muß ſein künftiges äußeres Schickſal durch Dich ſo feſt ge- ſichert werden, als ſein Charakter und ganzes We- ſen durch die Erziehung. Auf beſondere Unglücks- fälle muß jedes menſchliche Weſen vorbereitet und gefaßt ſeyn; nur ſo weit es von Dir abhängt, muß des Kindes Schickſal geſichert werden. Suche mit Deinem Manne hierüber völlig einig zu wer- den, ehe Du die Sache unternimmſt. Sorge auch vor allen Dingen, das Kind genau (14)
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Jda’s Geſpielin werden; doch mit der unerläßli-
chen Bedingung, daß es mit Jda völlig gleich be-
handelt werde, und alles genieße und habe, was
Jda zu Theil wird, und daß ja kein untergeord-
netes, dienendes Weſen neben Jda geſtellt werde.
Dies iſt unglaublich nachtheilig. Faſt unvermeid-
lich wird dadurch in dem einen Kinde ſklaviſche
Kriecherei oder Scheelſucht, Neid und Tücke, und
in dem andern Egoismus und Anmaßung gepflanzt.
Doch muß ich noch eine Bedingung machen. Er-
zieheſt Du ein armes Kind mit Jda, ſo muß ſein
künftiges äußeres Schickſal durch Dich ſo feſt ge-
ſichert werden, als ſein Charakter und ganzes We-
ſen durch die Erziehung. Auf beſondere Unglücks-
fälle muß jedes menſchliche Weſen vorbereitet und
gefaßt ſeyn; nur ſo weit es von Dir abhängt,
muß des Kindes Schickſal geſichert werden. Suche
mit Deinem Manne hierüber völlig einig zu wer-
den, ehe Du die Sache unternimmſt.
Sorge auch vor allen Dingen, das Kind genau
kennen zu lernen, d. h., von ſeinen glücklichen An-
(14)
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Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/119>, abgerufen am 16.02.2025. |