Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.res Alters um sich habe, an welches sie sich an- schließen könne, in welchem ihr kindlicher Geist sich spiegle, und ihr Gemüth sich in Liebe zu ihres Gleichen, und in Bewunderung oder Nachsicht, und kurz in jeder geselligen Tugend übe, welche man nicht anders, als im täglichen Umgange mit seines Gleichen lernt. Siehe Dich bald, und streng prüfend, nach einem Kinde um, das Du Deiner Jda gern zur Gesellschaft geben möchtest. Gut wäre es, wenn es ein Kind von gleichem Stande und in gleichen Glücksumständen geboren, seyn könnte. Wäre es nach gleichen Grundsätzen bis dahin erzogen, und doch von sehr verschiedener Jn- dividualität mit Deiner Jda, so wüßte ich in die- ser Sache nichts weiter zu wünschen. Doch wenn sich dies auch nicht alles beisammen findet: in ei- nem Kinde, das man Dir übergeben kann und will, wirst Du, wenn auch sein Stand und Ver- mögen weit unter dem Deinigen sind, und die Klei- nen nur übrigens zu einander passen, die Schwierig- keiten zu überwinden wissen. Nur auf dem Punkte bestehe ich, daß es ein Kind guter Art sey, daß die Natur es an Geist und Gemüth reichlich ausgestat- res Alters um ſich habe, an welches ſie ſich an- ſchließen könne, in welchem ihr kindlicher Geiſt ſich ſpiegle, und ihr Gemüth ſich in Liebe zu ihres Gleichen, und in Bewunderung oder Nachſicht, und kurz in jeder geſelligen Tugend übe, welche man nicht anders, als im täglichen Umgange mit ſeines Gleichen lernt. Siehe Dich bald, und ſtreng prüfend, nach einem Kinde um, das Du Deiner Jda gern zur Geſellſchaft geben möchteſt. Gut wäre es, wenn es ein Kind von gleichem Stande und in gleichen Glücksumſtänden geboren, ſeyn könnte. Wäre es nach gleichen Grundſätzen bis dahin erzogen, und doch von ſehr verſchiedener Jn- dividualität mit Deiner Jda, ſo wüßte ich in die- ſer Sache nichts weiter zu wünſchen. Doch wenn ſich dies auch nicht alles beiſammen findet: in ei- nem Kinde, das man Dir übergeben kann und will, wirſt Du, wenn auch ſein Stand und Ver- mögen weit unter dem Deinigen ſind, und die Klei- nen nur übrigens zu einander paſſen, die Schwierig- keiten zu überwinden wiſſen. Nur auf dem Punkte beſtehe ich, daß es ein Kind guter Art ſey, daß die Natur es an Geiſt und Gemüth reichlich ausgeſtat- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0118" n="104"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> res Alters um ſich habe, an welches ſie ſich an-<lb/> ſchließen könne, in welchem ihr kindlicher Geiſt<lb/> ſich ſpiegle, und ihr Gemüth ſich in Liebe zu ihres<lb/> Gleichen, und in Bewunderung oder Nachſicht,<lb/> und kurz in jeder geſelligen Tugend übe, welche<lb/> man nicht anders, als im täglichen Umgange mit<lb/> ſeines Gleichen lernt. Siehe Dich bald, und ſtreng<lb/> prüfend, nach einem Kinde um, das Du Deiner<lb/> Jda gern zur Geſellſchaft geben möchteſt. Gut<lb/> wäre es, wenn es ein Kind von gleichem Stande<lb/> und in gleichen Glücksumſtänden geboren, ſeyn<lb/> könnte. Wäre es nach gleichen Grundſätzen bis<lb/> dahin erzogen, und doch von ſehr verſchiedener Jn-<lb/> dividualität mit Deiner Jda, ſo wüßte ich in die-<lb/> ſer Sache nichts weiter zu wünſchen. Doch wenn<lb/> ſich dies auch nicht alles beiſammen findet: in ei-<lb/> nem Kinde, das man Dir übergeben kann und<lb/> will, wirſt Du, wenn auch ſein Stand und Ver-<lb/> mögen weit unter dem Deinigen ſind, und die Klei-<lb/> nen nur übrigens zu einander paſſen, die Schwierig-<lb/> keiten zu überwinden wiſſen. Nur auf dem Punkte<lb/> beſtehe ich, daß es ein Kind guter Art ſey, daß die<lb/> Natur es an Geiſt und Gemüth reichlich ausgeſtat-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0118]
res Alters um ſich habe, an welches ſie ſich an-
ſchließen könne, in welchem ihr kindlicher Geiſt
ſich ſpiegle, und ihr Gemüth ſich in Liebe zu ihres
Gleichen, und in Bewunderung oder Nachſicht,
und kurz in jeder geſelligen Tugend übe, welche
man nicht anders, als im täglichen Umgange mit
ſeines Gleichen lernt. Siehe Dich bald, und ſtreng
prüfend, nach einem Kinde um, das Du Deiner
Jda gern zur Geſellſchaft geben möchteſt. Gut
wäre es, wenn es ein Kind von gleichem Stande
und in gleichen Glücksumſtänden geboren, ſeyn
könnte. Wäre es nach gleichen Grundſätzen bis
dahin erzogen, und doch von ſehr verſchiedener Jn-
dividualität mit Deiner Jda, ſo wüßte ich in die-
ſer Sache nichts weiter zu wünſchen. Doch wenn
ſich dies auch nicht alles beiſammen findet: in ei-
nem Kinde, das man Dir übergeben kann und
will, wirſt Du, wenn auch ſein Stand und Ver-
mögen weit unter dem Deinigen ſind, und die Klei-
nen nur übrigens zu einander paſſen, die Schwierig-
keiten zu überwinden wiſſen. Nur auf dem Punkte
beſtehe ich, daß es ein Kind guter Art ſey, daß die
Natur es an Geiſt und Gemüth reichlich ausgeſtat-
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