Wohl Manchem mag die Aufschrift dieses Capitels und des Buches befremdlich erscheinen, da sie andeutet, dass in dem thierischen Organismus, in welchem alles so vorzüglich geord- net ist, in dem die verschiedensten Theile so trefflich ineinander greifen und zu einem hochvollendeten Ganzen zusammenwirken, dass darinnen ein Kampf unter den Theilen stattfinde, also an einem Orte, wo alles nach festen Gesetzen sich vollzieht, ein Widerstreit des Einzelnen existire. Und wie könnte ein Gan- zes bestehen, dessen Theile unter einander uneins sind?
Und doch ist es so. Es geht im Organismus, wie sich zeigen wird, nicht alles friedlich neben einander und mit ein- ander hin, weder im Stadium der Gesundheit und noch weniger in dem der Krankheit. Für letzteren Fall ist zwar die Vor- stellung einer inneren Uneinigkeit der Theile geläufig, aber die deletären Wirkungen derselben haben wir auch täglich vor Augen.
Wie aber soll das Gute, das Dauernde aus dem Streite, aus dem Kampfe hervorgehen? So fragt vielleicht noch einmal ein durch die Arbeit der letzten Decennien nicht von der all- gemeinen Wahrheit Ueberzeugter, dass alles Gute nur aus dem Kampfe entspringt.
II. Der Kampf der Theile im Organismus.
A. Begründung.
Wohl Manchem mag die Aufschrift dieses Capitels und des Buches befremdlich erscheinen, da sie andeutet, dass in dem thierischen Organismus, in welchem alles so vorzüglich geord- net ist, in dem die verschiedensten Theile so trefflich ineinander greifen und zu einem hochvollendeten Ganzen zusammenwirken, dass darinnen ein Kampf unter den Theilen stattfinde, also an einem Orte, wo alles nach festen Gesetzen sich vollzieht, ein Widerstreit des Einzelnen existire. Und wie könnte ein Gan- zes bestehen, dessen Theile unter einander uneins sind?
Und doch ist es so. Es geht im Organismus, wie sich zeigen wird, nicht alles friedlich neben einander und mit ein- ander hin, weder im Stadium der Gesundheit und noch weniger in dem der Krankheit. Für letzteren Fall ist zwar die Vor- stellung einer inneren Uneinigkeit der Theile geläufig, aber die deletären Wirkungen derselben haben wir auch täglich vor Augen.
Wie aber soll das Gute, das Dauernde aus dem Streite, aus dem Kampfe hervorgehen? So fragt vielleicht noch einmal ein durch die Arbeit der letzten Decennien nicht von der all- gemeinen Wahrheit Ueberzeugter, dass alles Gute nur aus dem Kampfe entspringt.
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[[64]/0078]
II.
Der Kampf der Theile im Organismus.
A. Begründung.
Wohl Manchem mag die Aufschrift dieses Capitels und des
Buches befremdlich erscheinen, da sie andeutet, dass in dem
thierischen Organismus, in welchem alles so vorzüglich geord-
net ist, in dem die verschiedensten Theile so trefflich ineinander
greifen und zu einem hochvollendeten Ganzen zusammenwirken,
dass darinnen ein Kampf unter den Theilen stattfinde, also an
einem Orte, wo alles nach festen Gesetzen sich vollzieht, ein
Widerstreit des Einzelnen existire. Und wie könnte ein Gan-
zes bestehen, dessen Theile unter einander uneins sind?
Und doch ist es so. Es geht im Organismus, wie sich
zeigen wird, nicht alles friedlich neben einander und mit ein-
ander hin, weder im Stadium der Gesundheit und noch weniger
in dem der Krankheit. Für letzteren Fall ist zwar die Vor-
stellung einer inneren Uneinigkeit der Theile geläufig, aber
die deletären Wirkungen derselben haben wir auch täglich vor
Augen.
Wie aber soll das Gute, das Dauernde aus dem Streite,
aus dem Kampfe hervorgehen? So fragt vielleicht noch einmal
ein durch die Arbeit der letzten Decennien nicht von der all-
gemeinen Wahrheit Ueberzeugter, dass alles Gute nur aus dem
Kampfe entspringt.
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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. [64]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/78>, abgerufen am 22.02.2025.
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