B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
Die geringere Vererbbarkeit später im Leben erworbener Eigenschaften als früherer, schon im Embryonalleben erworbener, angeborener könnte danach beruhen theils auf einer immer mehr zunehmenden Selbständigkeit des Lebens der Geschlechtszellen, welche sich trotz der nöthigen grossen Nahrungszufuhr in electiven Eigenschaften bewähren kann, andererseits aber darauf, dass im Embryo oder im jugendlichen Körper ändernde Einflüsse leichter nicht blos lokal-formal bleiben, sondern man möchte sagen, leichter chemisch werden. Alle Gestaltung ist doch durch chemische Verhältnisse bedingt, so z. B. die Gestaltung des Oberarmes und seiner Muskeln, obgleich sie jedenfalls nicht anders zusammengesetzt sind, als die des Oberschenkels. So könnte vielleicht auch eine formale Veränderung, durch äussere Einwirkung auf den Embryo oder auf das geborene Individuum hervorgebracht, leichter eine chemische Veränderung bedingen und als solche sich leichter auf den Samen übertragen. Die Leichtigkeit der Uebertragung chemischer Aenderungen auf die Geschlechtsproducte ist am bekanntesten durch die Uebertrag- barkeit der Infectionskrankheiten, z. B. Blattern, Syphilis, auf den Foetus oder auf den Samen; und bekanntlich kann nach v. Rosen, J. Hutchinson, E. Fränkel u. A. die Syphilis vom Vater allein auf das Kind übertragen werden, ohne dass die Mutter erkrankt.
Durch die Zurückführung erworbener Formänderungen auf chemische Aenderungen und durch deren leichtere Uebertrag- barkeit auf den Samen und auf das Ei in dem chemischen Stoffwechsel, welcher zwischen ihnen und dem Vater resp. der Mutter stattfindet, wird das Problem der Vererbung als solches aufgehoben und die Erscheinung auf ein allgemei- neres Problem, das der Gestaltung aus chemischen Processen, welches die Grundlage der ganzen Biologie ist, zurückgeführt. Neben diesem Probleme bleibt dann noch das
B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
Die geringere Vererbbarkeit später im Leben erworbener Eigenschaften als früherer, schon im Embryonalleben erworbener, angeborener könnte danach beruhen theils auf einer immer mehr zunehmenden Selbständigkeit des Lebens der Geschlechtszellen, welche sich trotz der nöthigen grossen Nahrungszufuhr in electiven Eigenschaften bewähren kann, andererseits aber darauf, dass im Embryo oder im jugendlichen Körper ändernde Einflüsse leichter nicht blos lokal-formal bleiben, sondern man möchte sagen, leichter chemisch werden. Alle Gestaltung ist doch durch chemische Verhältnisse bedingt, so z. B. die Gestaltung des Oberarmes und seiner Muskeln, obgleich sie jedenfalls nicht anders zusammengesetzt sind, als die des Oberschenkels. So könnte vielleicht auch eine formale Veränderung, durch äussere Einwirkung auf den Embryo oder auf das geborene Individuum hervorgebracht, leichter eine chemische Veränderung bedingen und als solche sich leichter auf den Samen übertragen. Die Leichtigkeit der Uebertragung chemischer Aenderungen auf die Geschlechtsproducte ist am bekanntesten durch die Uebertrag- barkeit der Infectionskrankheiten, z. B. Blattern, Syphilis, auf den Foetus oder auf den Samen; und bekanntlich kann nach v. Rosen, J. Hutchinson, E. Fränkel u. A. die Syphilis vom Vater allein auf das Kind übertragen werden, ohne dass die Mutter erkrankt.
Durch die Zurückführung erworbener Formänderungen auf chemische Aenderungen und durch deren leichtere Uebertrag- barkeit auf den Samen und auf das Ei in dem chemischen Stoffwechsel, welcher zwischen ihnen und dem Vater resp. der Mutter stattfindet, wird das Problem der Vererbung als solches aufgehoben und die Erscheinung auf ein allgemei- neres Problem, das der Gestaltung aus chemischen Processen, welches die Grundlage der ganzen Biologie ist, zurückgeführt. Neben diesem Probleme bleibt dann noch das
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B. Erblichkeit der Wirkungen der functionellen Anpassung.
Die geringere Vererbbarkeit später im Leben erworbener
Eigenschaften als früherer, schon im Embryonalleben erworbener,
angeborener könnte danach beruhen theils auf einer immer mehr
zunehmenden Selbständigkeit des Lebens der Geschlechtszellen,
welche sich trotz der nöthigen grossen Nahrungszufuhr in
electiven Eigenschaften bewähren kann, andererseits aber darauf,
dass im Embryo oder im jugendlichen Körper ändernde Einflüsse
leichter nicht blos lokal-formal bleiben, sondern man möchte
sagen, leichter chemisch werden. Alle Gestaltung ist doch durch
chemische Verhältnisse bedingt, so z. B. die Gestaltung des
Oberarmes und seiner Muskeln, obgleich sie jedenfalls nicht
anders zusammengesetzt sind, als die des Oberschenkels. So
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Einwirkung auf den Embryo oder auf das geborene Individuum
hervorgebracht, leichter eine chemische Veränderung bedingen
und als solche sich leichter auf den Samen übertragen. Die
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Geschlechtsproducte ist am bekanntesten durch die Uebertrag-
barkeit der Infectionskrankheiten, z. B. Blattern, Syphilis, auf
den Foetus oder auf den Samen; und bekanntlich kann nach
v. Rosen, J. Hutchinson, E. Fränkel u. A. die Syphilis
vom Vater allein auf das Kind übertragen werden, ohne dass
die Mutter erkrankt.
Durch die Zurückführung erworbener Formänderungen auf
chemische Aenderungen und durch deren leichtere Uebertrag-
barkeit auf den Samen und auf das Ei in dem chemischen
Stoffwechsel, welcher zwischen ihnen und dem Vater resp. der
Mutter stattfindet, wird das Problem der Vererbung als
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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/75>, abgerufen am 22.07.2024.
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