sie die Erbschaft ihrer Vorfahren sehr bald potentia als eine Anweisung erhalten, ehe ihr Vater nur selber im Stande ge- wesen ist, die seine in Specialbesitz, in Einzelbildungen um- zusetzen.
Trotzdem aber bleibt dieses früh von dem Vater, respective von der Mutter gesonderte Wesen doch in Abhängigkeit und in Verkehr mit ihnen, denn es muss sich nähren, vergrössern, vermehren, und dazu erhält es die Nahrung vom Vater durch chemischen Stoffverkehr, und durch diesen kann es nun auch in seiner Natur beeinflusst werden. Demnach muss es am wahr- scheinlichsten sein, dass die chemischen Differenzirungen, die chemischen Alterationen der Eltern sich am leichtesten auf die Nachkommen übertragen, leichter voraussichtlich, als blos formale Veränderungen, wie etwa stärkere Ausbildung dieser oder jener Muskelgruppe. Weil wir die geistigen Eigenschaften, die Tem- peramente, chemischen Alterationen, nicht morphologischen zu- schreiben müssen, so ist die hochgradige Erblichkeit derselben verständlich und in gleicher Weise die hochgradige Vererblich- keit der Instincte und der Geisteskrankheiten. So ist es auch denkbar, dass chemische Alterationen der anderen Theile, etwa thatkräftigere chemische Constitutionen der Muskeln oder der Drüsen, welche durch geeignete Nahrung erworben worden sind, sich leichter auf das Kind übertragen.
Ob aber etwa Theile mit stärkerem Stoffwechsel, wie die Muskeln, Ganglienzellen, Drüsen, deren Nahrungsbestandtheile also vielleicht auch in grösserer Menge im Blute befindlich sind oder leichter diffundiren, chemische Alterationen leichter über- tragen, als die Theile mit geringerem Stoffwechsel, wie die Stützsubstanzen, ist nicht bekannt. Eine analytische Unter- suchung hätte jedenfalls aber darauf zu achten, neben der haupt- sächlichen Beobachtung des Unterschiedes der Vererblichkeit erworbener formaler und erworbener qualitativer Charaktere.
I. Die functionelle Anpassung.
sie die Erbschaft ihrer Vorfahren sehr bald potentia als eine Anweisung erhalten, ehe ihr Vater nur selber im Stande ge- wesen ist, die seine in Specialbesitz, in Einzelbildungen um- zusetzen.
Trotzdem aber bleibt dieses früh von dem Vater, respective von der Mutter gesonderte Wesen doch in Abhängigkeit und in Verkehr mit ihnen, denn es muss sich nähren, vergrössern, vermehren, und dazu erhält es die Nahrung vom Vater durch chemischen Stoffverkehr, und durch diesen kann es nun auch in seiner Natur beeinflusst werden. Demnach muss es am wahr- scheinlichsten sein, dass die chemischen Differenzirungen, die chemischen Alterationen der Eltern sich am leichtesten auf die Nachkommen übertragen, leichter voraussichtlich, als blos formale Veränderungen, wie etwa stärkere Ausbildung dieser oder jener Muskelgruppe. Weil wir die geistigen Eigenschaften, die Tem- peramente, chemischen Alterationen, nicht morphologischen zu- schreiben müssen, so ist die hochgradige Erblichkeit derselben verständlich und in gleicher Weise die hochgradige Vererblich- keit der Instincte und der Geisteskrankheiten. So ist es auch denkbar, dass chemische Alterationen der anderen Theile, etwa thatkräftigere chemische Constitutionen der Muskeln oder der Drüsen, welche durch geeignete Nahrung erworben worden sind, sich leichter auf das Kind übertragen.
Ob aber etwa Theile mit stärkerem Stoffwechsel, wie die Muskeln, Ganglienzellen, Drüsen, deren Nahrungsbestandtheile also vielleicht auch in grösserer Menge im Blute befindlich sind oder leichter diffundiren, chemische Alterationen leichter über- tragen, als die Theile mit geringerem Stoffwechsel, wie die Stützsubstanzen, ist nicht bekannt. Eine analytische Unter- suchung hätte jedenfalls aber darauf zu achten, neben der haupt- sächlichen Beobachtung des Unterschiedes der Vererblichkeit erworbener formaler und erworbener qualitativer Charaktere.
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I. Die functionelle Anpassung.
sie die Erbschaft ihrer Vorfahren sehr bald potentia als eine
Anweisung erhalten, ehe ihr Vater nur selber im Stande ge-
wesen ist, die seine in Specialbesitz, in Einzelbildungen um-
zusetzen.
Trotzdem aber bleibt dieses früh von dem Vater, respective
von der Mutter gesonderte Wesen doch in Abhängigkeit und in
Verkehr mit ihnen, denn es muss sich nähren, vergrössern,
vermehren, und dazu erhält es die Nahrung vom Vater durch
chemischen Stoffverkehr, und durch diesen kann es nun auch in
seiner Natur beeinflusst werden. Demnach muss es am wahr-
scheinlichsten sein, dass die chemischen Differenzirungen, die
chemischen Alterationen der Eltern sich am leichtesten auf die
Nachkommen übertragen, leichter voraussichtlich, als blos formale
Veränderungen, wie etwa stärkere Ausbildung dieser oder jener
Muskelgruppe. Weil wir die geistigen Eigenschaften, die Tem-
peramente, chemischen Alterationen, nicht morphologischen zu-
schreiben müssen, so ist die hochgradige Erblichkeit derselben
verständlich und in gleicher Weise die hochgradige Vererblich-
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denkbar, dass chemische Alterationen der anderen Theile, etwa
thatkräftigere chemische Constitutionen der Muskeln oder der
Drüsen, welche durch geeignete Nahrung erworben worden sind,
sich leichter auf das Kind übertragen.
Ob aber etwa Theile mit stärkerem Stoffwechsel, wie die
Muskeln, Ganglienzellen, Drüsen, deren Nahrungsbestandtheile
also vielleicht auch in grösserer Menge im Blute befindlich sind
oder leichter diffundiren, chemische Alterationen leichter über-
tragen, als die Theile mit geringerem Stoffwechsel, wie die
Stützsubstanzen, ist nicht bekannt. Eine analytische Unter-
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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/74>, abgerufen am 22.07.2024.
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