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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
von den Blutgefässen, welche wohl neben dem Herzen am
frühesten von allen Theilen ihr Reizleben beginnen. Danach
folgen vielleicht die bindegewebigen Bildungen, aber wohl in
den verschiedenen Organen zu verschiedener Zeit. Das Allge-
meine ist, dass diejenigen Organe, welche schon im Embryo
ihre specifische Function versehen, auch schon im Embryo Reiz-
leben führen werden, nach dem Maasse dieser Function. Ob
die Drüsen schon fungiren, wissen wir im allgemeinen nicht,
aber von der Niere und der Leber haben wir Grund es an-
zunehmen.

Wenn es nicht Thiere gäbe, welche hörend und sehend
geboren werden, so könnte man nach den Beobachtungen
Preyer's1), dass der Mensch erst mehrere Stunden nach der
Geburt auf Licht und noch beträchtlich später auf Schall reagirt,
glauben, dass die functionellen Reize für diese Sinnesorgane
erst nöthig wären, um dieselben in functionsfähigen Zustand
zu versetzen. Vielleicht auch müssen erst Nervenbahnen in
den Centralorganen durch den Reiz für denselben wegsam ge-
macht werden. Jedenfalls scheint es kein Unentwickeltsein in
Folge Zeitmangels zu sein in der Weise, dass durchaus vierzig
Wochen und einige Tage zur genügenden Ausbildung nöthig
wären, denn dann müsste bei früh geborenen Kindern der
Mangel sehr evident die entsprechende Zeit, zehn bis zwölf
Wochen dauernd, hervortreten. Da dies nicht der Fall ist, so
scheint es mir in der That annehmbar, dass den entsprechenden
Theilen eine Vollendung in den feinsten Molecularverhältnissen
fehlt, welche erst der functionelle Reiz hervorzubringen vermag.

Gehen wir nun nach dieser für ihren nothwendig hypo-
thetischen Character etwas ausführlichen Betrachtung der quali-
tativen Wirkung der Reize zur quantitativen, also vor-

1) Kosmos, Zeitschr. f. monist. Weltauffass. Bd. III. p. 32.

IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
von den Blutgefässen, welche wohl neben dem Herzen am
frühesten von allen Theilen ihr Reizleben beginnen. Danach
folgen vielleicht die bindegewebigen Bildungen, aber wohl in
den verschiedenen Organen zu verschiedener Zeit. Das Allge-
meine ist, dass diejenigen Organe, welche schon im Embryo
ihre specifische Function versehen, auch schon im Embryo Reiz-
leben führen werden, nach dem Maasse dieser Function. Ob
die Drüsen schon fungiren, wissen wir im allgemeinen nicht,
aber von der Niere und der Leber haben wir Grund es an-
zunehmen.

Wenn es nicht Thiere gäbe, welche hörend und sehend
geboren werden, so könnte man nach den Beobachtungen
Preyer’s1), dass der Mensch erst mehrere Stunden nach der
Geburt auf Licht und noch beträchtlich später auf Schall reagirt,
glauben, dass die functionellen Reize für diese Sinnesorgane
erst nöthig wären, um dieselben in functionsfähigen Zustand
zu versetzen. Vielleicht auch müssen erst Nervenbahnen in
den Centralorganen durch den Reiz für denselben wegsam ge-
macht werden. Jedenfalls scheint es kein Unentwickeltsein in
Folge Zeitmangels zu sein in der Weise, dass durchaus vierzig
Wochen und einige Tage zur genügenden Ausbildung nöthig
wären, denn dann müsste bei früh geborenen Kindern der
Mangel sehr evident die entsprechende Zeit, zehn bis zwölf
Wochen dauernd, hervortreten. Da dies nicht der Fall ist, so
scheint es mir in der That annehmbar, dass den entsprechenden
Theilen eine Vollendung in den feinsten Molecularverhältnissen
fehlt, welche erst der functionelle Reiz hervorzubringen vermag.

Gehen wir nun nach dieser für ihren nothwendig hypo-
thetischen Character etwas ausführlichen Betrachtung der quali-
tativen Wirkung der Reize zur quantitativen, also vor-

1) Kosmos, Zeitschr. f. monist. Weltauffass. Bd. III. p. 32.
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[182/0196] IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize. von den Blutgefässen, welche wohl neben dem Herzen am frühesten von allen Theilen ihr Reizleben beginnen. Danach folgen vielleicht die bindegewebigen Bildungen, aber wohl in den verschiedenen Organen zu verschiedener Zeit. Das Allge- meine ist, dass diejenigen Organe, welche schon im Embryo ihre specifische Function versehen, auch schon im Embryo Reiz- leben führen werden, nach dem Maasse dieser Function. Ob die Drüsen schon fungiren, wissen wir im allgemeinen nicht, aber von der Niere und der Leber haben wir Grund es an- zunehmen. Wenn es nicht Thiere gäbe, welche hörend und sehend geboren werden, so könnte man nach den Beobachtungen Preyer’s 1), dass der Mensch erst mehrere Stunden nach der Geburt auf Licht und noch beträchtlich später auf Schall reagirt, glauben, dass die functionellen Reize für diese Sinnesorgane erst nöthig wären, um dieselben in functionsfähigen Zustand zu versetzen. Vielleicht auch müssen erst Nervenbahnen in den Centralorganen durch den Reiz für denselben wegsam ge- macht werden. Jedenfalls scheint es kein Unentwickeltsein in Folge Zeitmangels zu sein in der Weise, dass durchaus vierzig Wochen und einige Tage zur genügenden Ausbildung nöthig wären, denn dann müsste bei früh geborenen Kindern der Mangel sehr evident die entsprechende Zeit, zehn bis zwölf Wochen dauernd, hervortreten. Da dies nicht der Fall ist, so scheint es mir in der That annehmbar, dass den entsprechenden Theilen eine Vollendung in den feinsten Molecularverhältnissen fehlt, welche erst der functionelle Reiz hervorzubringen vermag. Gehen wir nun nach dieser für ihren nothwendig hypo- thetischen Character etwas ausführlichen Betrachtung der quali- tativen Wirkung der Reize zur quantitativen, also vor- 1) Kosmos, Zeitschr. f. monist. Weltauffass. Bd. III. p. 32.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/196>, abgerufen am 24.11.2024.