Madame Barry war angeregter massen eine unvergleichliche Comoediantin, welche ihre Per- son, sowohl vermittelst der Natur, als Kunst, wun- derwohl zu agiren wuste; Und diese vortreffliche Eigenschafften, gleichwie sie mit einem majestäti- schen Ansehen, wenn sie das Theatrum betrat, verschwistert waren, also reitzeten sie noch, über be- teits angeführte Standes-Personen, viele andere, ihre unterthänigste Diener zu seyn: Und unter die- sen befande sich auch der Graf von Sommersett, welcher ihren fertigen Verstand und gute Gestalt nicht so bald gewahr wurde, als er sie sür das voll- kommenste Muster ihres gantzen Geschlechtes hiel- te; Gleichwohl kunnte der Lord keinesweges in ihre Seele hinein sehen, verlangete es auch nicht, die Laster, welche unter einem so schönen Fürniß verborgen lagen, zu beobachten. Denn bey allen ihren Qualitäten war sie doch unbeständig, eigen- sinnisch und rachgierig, ja, was noch mehr ist, eines wollüstigen und geilen Temperaments. Alleine dieser bethörte Liebhaber observirte keine von be- sagten Häßlichkeiten: Denn der Glantz ihrer Au- gen und das herrliche Ansehen ihrer schönen Ge- stalt, wenn sie in ihrem Theatralischen Schmuck erschiene, hatte ihn gantz verblendet. Der Graf machte seinen Hof dieser Opern-Königin wegen sehr empfindlich, und befande sie sehr retire und behutfam zu seyn: Sie begegnete ihm zwar sehr
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II. Theil. E e
und Mad. Barry.
Madame Barry war angeregter maſſen eine unvergleichliche Comœdiantin, welche ihre Per- ſon, ſowohl vermittelſt der Natur, als Kunſt, wun- derwohl zu agiren wuſte; Und dieſe vortreffliche Eigenſchafften, gleichwie ſie mit einem majeſtaͤti- ſchen Anſehen, wenn ſie das Theatrum betrat, verſchwiſtert waren, alſo reitzeten ſie noch, uͤber be- teits angefuͤhrte Standes-Perſonen, viele andere, ihre unterthaͤnigſte Diener zu ſeyn: Und unter die- ſen befande ſich auch der Graf von Sommerſett, welcher ihren fertigen Verſtand und gute Geſtalt nicht ſo bald gewahr wurde, als er ſie ſuͤr das voll- kommenſte Muſter ihres gantzen Geſchlechtes hiel- te; Gleichwohl kunnte der Lord keinesweges in ihre Seele hinein ſehen, verlangete es auch nicht, die Laſter, welche unter einem ſo ſchoͤnen Fuͤrniß verborgen lagen, zu beobachten. Denn bey allen ihren Qualitaͤten war ſie doch unbeſtaͤndig, eigen- ſinniſch und rachgierig, ja, was noch mehr iſt, eines wolluͤſtigen und geilen Temperaments. Alleine dieſer bethoͤrte Liebhaber obſervirte keine von be- ſagten Haͤßlichkeiten: Denn der Glantz ihrer Au- gen und das herrliche Anſehen ihrer ſchoͤnen Ge- ſtalt, wenn ſie in ihrem Theatraliſchen Schmuck erſchiene, hatte ihn gantz verblendet. Der Graf machte ſeinen Hof dieſer Opern-Koͤnigin wegen ſehr empfindlich, und befande ſie ſehr retiré und behutfam zu ſeyn: Sie begegnete ihm zwar ſehr
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und Mad. Barry.
Madame Barry war angeregter maſſen eine
unvergleichliche Comœdiantin, welche ihre Per-
ſon, ſowohl vermittelſt der Natur, als Kunſt, wun-
derwohl zu agiren wuſte; Und dieſe vortreffliche
Eigenſchafften, gleichwie ſie mit einem majeſtaͤti-
ſchen Anſehen, wenn ſie das Theatrum betrat,
verſchwiſtert waren, alſo reitzeten ſie noch, uͤber be-
teits angefuͤhrte Standes-Perſonen, viele andere,
ihre unterthaͤnigſte Diener zu ſeyn: Und unter die-
ſen befande ſich auch der Graf von Sommerſett,
welcher ihren fertigen Verſtand und gute Geſtalt
nicht ſo bald gewahr wurde, als er ſie ſuͤr das voll-
kommenſte Muſter ihres gantzen Geſchlechtes hiel-
te; Gleichwohl kunnte der Lord keinesweges in
ihre Seele hinein ſehen, verlangete es auch nicht,
die Laſter, welche unter einem ſo ſchoͤnen Fuͤrniß
verborgen lagen, zu beobachten. Denn bey allen
ihren Qualitaͤten war ſie doch unbeſtaͤndig, eigen-
ſinniſch und rachgierig, ja, was noch mehr iſt, eines
wolluͤſtigen und geilen Temperaments. Alleine
dieſer bethoͤrte Liebhaber obſervirte keine von be-
ſagten Haͤßlichkeiten: Denn der Glantz ihrer Au-
gen und das herrliche Anſehen ihrer ſchoͤnen Ge-
ſtalt, wenn ſie in ihrem Theatraliſchen Schmuck
erſchiene, hatte ihn gantz verblendet. Der Graf
machte ſeinen Hof dieſer Opern-Koͤnigin wegen
ſehr empfindlich, und befande ſie ſehr retiré und
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Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/453>, abgerufen am 25.11.2024.
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