Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.Der Graf von Rochester, u. Mad. Barry. mern, als zu sagen, daß sie die Tochter eines Land-Sassen in Kent gewesen. Weil sie aber von ei- ner lebhafften Miene und Conduite war, als sie noch eine Jungfer hiesse, suchte Lewin Brown, ein junger Edelmann, auf solche nachdrückliche Weise Addresse bey ihr, daß sie bereit war, seinen Liebes-Antrag in ihrem Hertzen anzunehmen, wo- ferne nicht ihre Eltern dieses verliebte Bündniß durch ihre Hinwegsendung nach London beyzei- ten unterbrochen hätten. Diese ihre schnelle Ab- reise verleitete den Liebhaber, zu glauben, sie wäre falsch gegen ihn, massen sie ihm nicht das geringste davon zu wissen gethan, welches ihr aber nicht wohl möglich gewesen, weil sie selbsten kaum eine Stun- de vorher etwas von ihrer Reise gewust hatte: Da- her brach der arme Verlassene in folgende Seuffzer und Klagen aus: O! ich Unglückseliger! So bin ich also von meiner sichtbaren Göt- tin verlassen! der schönsten, und, wie ich mir einbildete, allerbeständigsten Per- son, so die Natur iemals hervor gebracht! Wer hätte sollen meynen, daß ein Mund, den ich iederzeit Oracula zu reden glaub- te, und von dessen Rubinen-Lippen nichts als Wahrheit hervorquolle, einen Bruch seiner Verheissungen begehen sollte? A- ber was mag doch immermehr die Ursa- che dieser plötzlichen Veränderung oder Miß- II. Theil. D d
Der Graf von Rocheſter, u. Mad. Barry. mern, als zu ſagen, daß ſie die Tochter eines Land-Saſſen in Kent geweſen. Weil ſie aber von ei- ner lebhafften Miene und Conduite war, als ſie noch eine Jungfer hieſſe, ſuchte Lewin Brown, ein junger Edelmann, auf ſolche nachdruͤckliche Weiſe Addreſſe bey ihr, daß ſie bereit war, ſeinen Liebes-Antrag in ihrem Hertzen anzunehmen, wo- ferne nicht ihre Eltern dieſes verliebte Buͤndniß durch ihre Hinwegſendung nach London beyzei- ten unterbrochen haͤtten. Dieſe ihre ſchnelle Ab- reiſe verleitete den Liebhaber, zu glauben, ſie waͤre falſch gegen ihn, maſſen ſie ihm nicht das geringſte davon zu wiſſen gethan, welches ihr aber nicht wohl moͤglich geweſen, weil ſie ſelbſten kaum eine Stun- de vorher etwas von ihrer Reiſe gewuſt hatte: Da- her brach der arme Verlaſſene in folgende Seuffzer und Klagen aus: O! ich Ungluͤckſeliger! So bin ich alſo von meiner ſichtbaren Goͤt- tin verlaſſen! der ſchoͤnſten, und, wie ich mir einbildete, allerbeſtaͤndigſten Per- ſon, ſo die Natur iemals hervor gebracht! Wer haͤtte ſollen meynen, daß ein Mund, den ich iederzeit Oracula zu reden glaub- te, und von deſſen Rubinen-Lippen nichts als Wahrheit hervorquolle, einen Bruch ſeiner Verheiſſungen begehen ſollte? A- ber was mag doch immermehr die Urſa- che dieſer ploͤtzlichen Veraͤnderung oder Miß- II. Theil. D d
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0437" n="417"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Graf von <hi rendition="#aq">Rocheſter,</hi> u. <hi rendition="#aq">Mad. Barry.</hi></hi></fw><lb/> mern, als zu ſagen, daß ſie die Tochter eines Land-<lb/> Saſſen in <hi rendition="#aq">Kent</hi> geweſen. Weil ſie aber von ei-<lb/> ner lebhafften Miene und <hi rendition="#aq">Conduite</hi> war, als ſie<lb/> noch eine Jungfer hieſſe, ſuchte <hi rendition="#aq">Lewin Brown,</hi><lb/> ein junger Edelmann, auf ſolche nachdruͤckliche<lb/> Weiſe <hi rendition="#aq">Addreſſe</hi> bey ihr, daß ſie bereit war, ſeinen<lb/> Liebes-Antrag in ihrem Hertzen anzunehmen, wo-<lb/> ferne nicht ihre Eltern dieſes verliebte Buͤndniß<lb/> durch ihre Hinwegſendung nach <hi rendition="#aq">London</hi> beyzei-<lb/> ten unterbrochen haͤtten. Dieſe ihre ſchnelle Ab-<lb/> reiſe verleitete den Liebhaber, zu glauben, ſie waͤre<lb/> falſch gegen ihn, maſſen ſie ihm nicht das geringſte<lb/> davon zu wiſſen gethan, welches ihr aber nicht wohl<lb/> moͤglich geweſen, weil ſie ſelbſten kaum eine Stun-<lb/> de vorher etwas von ihrer Reiſe gewuſt hatte: Da-<lb/> her brach der arme Verlaſſene in folgende Seuffzer<lb/> und Klagen aus: <hi rendition="#fr">O! ich Ungluͤckſeliger! So<lb/> bin ich alſo von meiner ſichtbaren Goͤt-<lb/> tin verlaſſen! der ſchoͤnſten, und, wie ich<lb/> mir einbildete, allerbeſtaͤndigſten Per-<lb/> ſon, ſo die Natur iemals hervor gebracht!<lb/> Wer haͤtte ſollen meynen, daß ein Mund,<lb/> den ich iederzeit</hi> <hi rendition="#aq">Oracula</hi> <hi rendition="#fr">zu reden glaub-<lb/> te, und von deſſen Rubinen-Lippen nichts<lb/> als Wahrheit hervorquolle, einen Bruch<lb/> ſeiner Verheiſſungen begehen ſollte? A-<lb/> ber was mag doch immermehr die Urſa-<lb/> che dieſer ploͤtzlichen Veraͤnderung oder</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> D d</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Miß-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [417/0437]
Der Graf von Rocheſter, u. Mad. Barry.
mern, als zu ſagen, daß ſie die Tochter eines Land-
Saſſen in Kent geweſen. Weil ſie aber von ei-
ner lebhafften Miene und Conduite war, als ſie
noch eine Jungfer hieſſe, ſuchte Lewin Brown,
ein junger Edelmann, auf ſolche nachdruͤckliche
Weiſe Addreſſe bey ihr, daß ſie bereit war, ſeinen
Liebes-Antrag in ihrem Hertzen anzunehmen, wo-
ferne nicht ihre Eltern dieſes verliebte Buͤndniß
durch ihre Hinwegſendung nach London beyzei-
ten unterbrochen haͤtten. Dieſe ihre ſchnelle Ab-
reiſe verleitete den Liebhaber, zu glauben, ſie waͤre
falſch gegen ihn, maſſen ſie ihm nicht das geringſte
davon zu wiſſen gethan, welches ihr aber nicht wohl
moͤglich geweſen, weil ſie ſelbſten kaum eine Stun-
de vorher etwas von ihrer Reiſe gewuſt hatte: Da-
her brach der arme Verlaſſene in folgende Seuffzer
und Klagen aus: O! ich Ungluͤckſeliger! So
bin ich alſo von meiner ſichtbaren Goͤt-
tin verlaſſen! der ſchoͤnſten, und, wie ich
mir einbildete, allerbeſtaͤndigſten Per-
ſon, ſo die Natur iemals hervor gebracht!
Wer haͤtte ſollen meynen, daß ein Mund,
den ich iederzeit Oracula zu reden glaub-
te, und von deſſen Rubinen-Lippen nichts
als Wahrheit hervorquolle, einen Bruch
ſeiner Verheiſſungen begehen ſollte? A-
ber was mag doch immermehr die Urſa-
che dieſer ploͤtzlichen Veraͤnderung oder
Miß-
II. Theil. D d
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/437 |
Zitationshilfe: | Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/437>, abgerufen am 16.02.2025. |