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Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

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Vorrede
grausamsten Mord-Thaten zu begehen.
Doch, so leichtfertig die Welt auch ist, so
muß ich gleichwohl so viel zum Behuf des
weiblichen Geschlechtes sagen, daß die
Keuschheit sich so wenig, als die Wollust,
einschräncken lässet, und wir so viel herr-
liche Exempel der einen, als erschreckliche
Beyspiele der andern antreffen. Der Ju-
dith
Nahme wird wegen ihrer keuschen
Aufführung mit auf der Grabschrifft des
untergehenden Welt-Gebäudes stehen,
wenn Lais das Andencken ihrer Leichtfer-
tigkeit bloß durch ihre Schande fort-
pflantzet. Und die unersättliche Messalina
war nicht so wohl ein Schand-Flecken,
als die züchtige Lucretia die Ehre ihres
Geschlechts, welche, wie bekannt, ihre Zu-
flucht von denen heissen Umfahungen des
brünstigen Tarquinii in die kalten Arme
des Todes nahm: Weil ihre reine Seele
an demjenigen Leibe, der die Befleckung
des schändlichen Ehren-Räubers erdul-
ten müssen, nunmehro einen Abscheu em-
pfande; als eröffnete sie die Thür zu ih-
rem selbst-eigenen Grabe mit unerschro-
ckenem Muthe, indem sie die unbefleckte
Brust mit einem tödtlichen Stahl durch-
bohrete.

Socra-

Vorrede
grauſamſten Mord-Thaten zu begehen.
Doch, ſo leichtfertig die Welt auch iſt, ſo
muß ich gleichwohl ſo viel zum Behuf des
weiblichen Geſchlechtes ſagen, daß die
Keuſchheit ſich ſo wenig, als die Wolluſt,
einſchraͤncken laͤſſet, und wir ſo viel herr-
liche Exempel der einen, als erſchreckliche
Beyſpiele der andern antreffen. Der Ju-
dith
Nahme wird wegen ihrer keuſchen
Auffuͤhrung mit auf der Grabſchrifft des
untergehenden Welt-Gebaͤudes ſtehen,
wenn Lais das Andencken ihrer Leichtfer-
tigkeit bloß durch ihre Schande fort-
pflantzet. Und die unerſaͤttliche Meſſalina
war nicht ſo wohl ein Schand-Flecken,
als die zuͤchtige Lucretia die Ehre ihres
Geſchlechts, welche, wie bekannt, ihre Zu-
flucht von denen heiſſen Umfahungen des
bruͤnſtigen Tarquinii in die kalten Arme
des Todes nahm: Weil ihre reine Seele
an demjenigen Leibe, der die Befleckung
des ſchaͤndlichen Ehren-Raͤubers erdul-
ten muͤſſen, nunmehro einen Abſcheu em-
pfande; als eroͤffnete ſie die Thuͤr zu ih-
rem ſelbſt-eigenen Grabe mit unerſchro-
ckenem Muthe, indem ſie die unbefleckte
Bruſt mit einem toͤdtlichen Stahl durch-
bohrete.

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[282/0302] Vorrede grauſamſten Mord-Thaten zu begehen. Doch, ſo leichtfertig die Welt auch iſt, ſo muß ich gleichwohl ſo viel zum Behuf des weiblichen Geſchlechtes ſagen, daß die Keuſchheit ſich ſo wenig, als die Wolluſt, einſchraͤncken laͤſſet, und wir ſo viel herr- liche Exempel der einen, als erſchreckliche Beyſpiele der andern antreffen. Der Ju- dith Nahme wird wegen ihrer keuſchen Auffuͤhrung mit auf der Grabſchrifft des untergehenden Welt-Gebaͤudes ſtehen, wenn Lais das Andencken ihrer Leichtfer- tigkeit bloß durch ihre Schande fort- pflantzet. Und die unerſaͤttliche Meſſalina war nicht ſo wohl ein Schand-Flecken, als die zuͤchtige Lucretia die Ehre ihres Geſchlechts, welche, wie bekannt, ihre Zu- flucht von denen heiſſen Umfahungen des bruͤnſtigen Tarquinii in die kalten Arme des Todes nahm: Weil ihre reine Seele an demjenigen Leibe, der die Befleckung des ſchaͤndlichen Ehren-Raͤubers erdul- ten muͤſſen, nunmehro einen Abſcheu em- pfande; als eroͤffnete ſie die Thuͤr zu ih- rem ſelbſt-eigenen Grabe mit unerſchro- ckenem Muthe, indem ſie die unbefleckte Bruſt mit einem toͤdtlichen Stahl durch- bohrete. Socra-

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Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/302>, abgerufen am 22.11.2024.