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Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

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und König Henricus II.
sen zu werden. Er hatte sie nicht so bald erblicket,
als er in eine so tieffe Ohnmacht fiele, daß sie darfür
hielte, er werde ewig nicht wieder zu sich selbsten
kommen. Da sie nun über einen so unversehenen Zufall
entsetzlich erschrocken war, fienge sie an um Hülffe
zu schreyen, worauff er flehentlich bathe, sie möchte
ihm nur etliche wenige Augenblicke Audientz ver-
statten. Und als sie hierauf neben ihn Platz nahm,
sahe er sie eine geraume Zeit mit starren Augen an,
ehe er fähig war, Worte zu finden, die Hefftigkeit
seiner Leidenschafft füglich auszudrucken.

Die Zäuberin schriebe sein Schweigen seiner
Schwachheit zu, denn weil sie wuste, daß er ein
Mensch von grossem Verstand war, und sonsten sei-
ne Gedancken so gut, als iemand in der Welt, zu
Marckte bringen kunnte, so urtheilete sie, daß in Be-
trachtung dessen sonst nichts seine Zunge zu lähmen
und ihn in einen solchen verwirrten Zustand zu se-
tzen fähig seyn könnte. Alleine Hochachtung und
Furcht sind die unzertrennlichen Gefehrten der Liebe;
und diese zweye sind zulänglich den kühnsten Men-
schen auf dem gantzen Erdboden zur feigesten Mem-
me zu machen. Als er endlich von Schmertz und
Verdruß überwältiget ward, sprach er: Jst es
möglich,
Madame, daß, weil ich verdam-
met bin, auf ewig unglückseelig zu seyn,
ich dennoch fortfahren muß, sie, ohne die
geringste Hoffnung, zu verehren? Da ich

sie
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und Koͤnig Henricus II.
ſen zu werden. Er hatte ſie nicht ſo bald erblicket,
als er in eine ſo tieffe Ohnmacht fiele, daß ſie darfuͤr
hielte, er werde ewig nicht wieder zu ſich ſelbſten
kom̃en. Da ſie nun uͤber einen ſo unverſehenen Zufall
entſetzlich erſchrocken war, fienge ſie an um Huͤlffe
zu ſchreyen, worauff er flehentlich bathe, ſie moͤchte
ihm nur etliche wenige Augenblicke Audientz ver-
ſtatten. Und als ſie hierauf neben ihn Platz nahm,
ſahe er ſie eine geraume Zeit mit ſtarren Augen an,
ehe er faͤhig war, Worte zu finden, die Hefftigkeit
ſeiner Leidenſchafft fuͤglich auszudrucken.

Die Zaͤuberin ſchriebe ſein Schweigen ſeiner
Schwachheit zu, denn weil ſie wuſte, daß er ein
Menſch von groſſem Verſtand war, und ſonſten ſei-
ne Gedancken ſo gut, als iemand in der Welt, zu
Marckte bringen kunnte, ſo urtheilete ſie, daß in Be-
trachtung deſſen ſonſt nichts ſeine Zunge zu laͤhmen
und ihn in einen ſolchen verwirrten Zuſtand zu ſe-
tzen faͤhig ſeyn koͤnnte. Alleine Hochachtung und
Furcht ſind die unzertrennlichen Gefehrten der Liebe;
und dieſe zweye ſind zulaͤnglich den kuͤhnſten Men-
ſchen auf dem gantzen Erdboden zur feigeſten Mem-
me zu machen. Als er endlich von Schmertz und
Verdruß uͤberwaͤltiget ward, ſprach er: Jſt es
moͤglich,
Madame, daß, weil ich verdam-
met bin, auf ewig ungluͤckſeelig zu ſeyn,
ich dennoch fortfahren muß, ſie, ohne die
geringſte Hoffnung, zu verehren? Da ich

ſie
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[7/0027] und Koͤnig Henricus II. ſen zu werden. Er hatte ſie nicht ſo bald erblicket, als er in eine ſo tieffe Ohnmacht fiele, daß ſie darfuͤr hielte, er werde ewig nicht wieder zu ſich ſelbſten kom̃en. Da ſie nun uͤber einen ſo unverſehenen Zufall entſetzlich erſchrocken war, fienge ſie an um Huͤlffe zu ſchreyen, worauff er flehentlich bathe, ſie moͤchte ihm nur etliche wenige Augenblicke Audientz ver- ſtatten. Und als ſie hierauf neben ihn Platz nahm, ſahe er ſie eine geraume Zeit mit ſtarren Augen an, ehe er faͤhig war, Worte zu finden, die Hefftigkeit ſeiner Leidenſchafft fuͤglich auszudrucken. Die Zaͤuberin ſchriebe ſein Schweigen ſeiner Schwachheit zu, denn weil ſie wuſte, daß er ein Menſch von groſſem Verſtand war, und ſonſten ſei- ne Gedancken ſo gut, als iemand in der Welt, zu Marckte bringen kunnte, ſo urtheilete ſie, daß in Be- trachtung deſſen ſonſt nichts ſeine Zunge zu laͤhmen und ihn in einen ſolchen verwirrten Zuſtand zu ſe- tzen faͤhig ſeyn koͤnnte. Alleine Hochachtung und Furcht ſind die unzertrennlichen Gefehrten der Liebe; und dieſe zweye ſind zulaͤnglich den kuͤhnſten Men- ſchen auf dem gantzen Erdboden zur feigeſten Mem- me zu machen. Als er endlich von Schmertz und Verdruß uͤberwaͤltiget ward, ſprach er: Jſt es moͤglich, Madame, daß, weil ich verdam- met bin, auf ewig ungluͤckſeelig zu ſeyn, ich dennoch fortfahren muß, ſie, ohne die geringſte Hoffnung, zu verehren? Da ich ſie A 4

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Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/27>, abgerufen am 21.11.2024.