ren die Weiber zu seyn pflegen: Die spröte Ma- bellah, die sich ihm so tapffer würde widersetzet haben, im Fall er einen Liebes-Sturm auf sie ge- waget, ja sie, die sich bereits auf einen kräfftigen Widerstand gefasst gemacht, weil sie vermeynte, die Gefahr des Lasters könnte durch wohl simu- lirte Tugend vermieden oder bemäntelt werden, und die darneben seine indifferente Kaltsinnig- keit beneidete, war nun dahin gebracht, daß sie ver- meynte, sie müste sich über die Schwäche ihrer Reitzungen beklagen, biß folgends die Furcht und Besorgung wegen ihres desfallsigen Unvermögens sie gäntzlich entwaffnete, und zwunge, fast zu wün- schen, daß er nicht so unempfindlich seyn möchte.
Nachdem aber der Graf sechs Monathe in ih- rem Hause gewesen, und nicht vermögend war, sein Anliegen länger zu verbergen, überfiel ihn, dem Ansehen nach, plötzlich eine tieffe Melancholie, dergestalt, daß alle seine Lebhafftigkeit und lustige Bezeugung auf einmal verschwande. Mabellah regardirte dieses so genau, daß sie nicht wenig be- kümmert war, ihn in einem solchen Zustande zu sehen: Wenn sie nun überlegte, wie er iederzeit die Liebe und verliebte Leute zu verlachen pflegte, kunnte sie anfangs die Ursache nicht errathen, biß sie end- lich ihm unrecht zu thun vermeinte, wenn sie seiner Stärcke zu viel zutraute, daher sie den Schluß fasste, ihn auf die Probe zu stellen. Sie war nunmehro
so
Madame Mabellah Turner,
ren die Weiber zu ſeyn pflegen: Die ſproͤte Ma- bellah, die ſich ihm ſo tapffer wuͤrde widerſetzet haben, im Fall er einen Liebes-Sturm auf ſie ge- waget, ja ſie, die ſich bereits auf einen kraͤfftigen Widerſtand gefaſſt gemacht, weil ſie vermeynte, die Gefahr des Laſters koͤnnte durch wohl ſimu- lirte Tugend vermieden oder bemaͤntelt werden, und die darneben ſeine indifferente Kaltſinnig- keit beneidete, war nun dahin gebracht, daß ſie ver- meynte, ſie muͤſte ſich uͤber die Schwaͤche ihrer Reitzungen beklagen, biß folgends die Furcht und Beſorgung wegen ihres desfallſigen Unvermoͤgens ſie gaͤntzlich entwaffnete, und zwunge, faſt zu wuͤn- ſchen, daß er nicht ſo unempfindlich ſeyn moͤchte.
Nachdem aber der Graf ſechs Monathe in ih- rem Hauſe geweſen, und nicht vermoͤgend war, ſein Anliegen laͤnger zu verbergen, uͤberfiel ihn, dem Anſehen nach, ploͤtzlich eine tieffe Melancholie, dergeſtalt, daß alle ſeine Lebhafftigkeit und luſtige Bezeugung auf einmal verſchwande. Mabellah regardirte dieſes ſo genau, daß ſie nicht wenig be- kuͤmmert war, ihn in einem ſolchen Zuſtande zu ſehen: Wenn ſie nun uͤberlegte, wie er iederzeit die Liebe und verliebte Leute zu verlachen pflegte, kunnte ſie anfangs die Urſache nicht errathen, biß ſie end- lich ihm unrecht zu thun vermeinte, wenn ſie ſeiner Staͤrcke zu viel zutraute, daher ſie den Schluß faſſte, ihn auf die Probe zu ſtellen. Sie war nunmehro
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Madame Mabellah Turner,
ren die Weiber zu ſeyn pflegen: Die ſproͤte Ma-
bellah, die ſich ihm ſo tapffer wuͤrde widerſetzet
haben, im Fall er einen Liebes-Sturm auf ſie ge-
waget, ja ſie, die ſich bereits auf einen kraͤfftigen
Widerſtand gefaſſt gemacht, weil ſie vermeynte,
die Gefahr des Laſters koͤnnte durch wohl ſimu-
lirte Tugend vermieden oder bemaͤntelt werden,
und die darneben ſeine indifferente Kaltſinnig-
keit beneidete, war nun dahin gebracht, daß ſie ver-
meynte, ſie muͤſte ſich uͤber die Schwaͤche ihrer
Reitzungen beklagen, biß folgends die Furcht und
Beſorgung wegen ihres desfallſigen Unvermoͤgens
ſie gaͤntzlich entwaffnete, und zwunge, faſt zu wuͤn-
ſchen, daß er nicht ſo unempfindlich ſeyn moͤchte.
Nachdem aber der Graf ſechs Monathe in ih-
rem Hauſe geweſen, und nicht vermoͤgend war, ſein
Anliegen laͤnger zu verbergen, uͤberfiel ihn, dem
Anſehen nach, ploͤtzlich eine tieffe Melancholie,
dergeſtalt, daß alle ſeine Lebhafftigkeit und luſtige
Bezeugung auf einmal verſchwande. Mabellah
regardirte dieſes ſo genau, daß ſie nicht wenig be-
kuͤmmert war, ihn in einem ſolchen Zuſtande zu
ſehen: Wenn ſie nun uͤberlegte, wie er iederzeit die
Liebe und verliebte Leute zu verlachen pflegte, kunnte
ſie anfangs die Urſache nicht errathen, biß ſie end-
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Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/182>, abgerufen am 16.07.2024.
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