Das aufmerksame Auge des Waldbauers erkennt schon im Spätherbst an den Knospen der meisten Baumarten, ob sie im nächsten Jahre reich- lich Samen tragen werden; unter den bestandbildenden Bäumen ist dies nur bei den Eichen ohne Zergliederung der Knospen nicht möglich. Ist man eines bevorstehenden Samenjahres sicher, so wird der Bestand bis auf gleichmäßig und in angemessener Entfernung von einander vertheilte Samenbäume geschlagen und sogleich geräumt, wodurch meist von selbst schon eine angemessene Wundmachung des Bodens zur Samenaufnahme statt- findet. Es versteht sich von selbst daß z. B. die reichlich tragenden ihren geflügelten Samen weit hin verstreuenden Fichten in einem Samenschlage weitläuftiger stehen dürfen als die Buchen, deren schwerere Samen bei nicht stark bewegter Luft meist senkrecht niederfallen.
Mit sorgfältiger Berücksichtigung des Licht- oder Schutzbedürfnisses der aufgegangenen Pflänzchen werden in den folgenden Jahren die Samen- bäume mit möglichster Schonung der Pflänzchen allmälig herausgeschlagen und je nach dem Erfolg der Besamung bei ungleichmäßigem Aufschlag zu lichte Stellen mit aus zu dichten herausgenommenen Pflänzchen aus- gebessert, oder wenn die Besamung ganz mißlang durch Saat oder Pflanzung aufs Neue kultivirt, was bei vorwaltend taubem Samen oder aus anderen Gründen auch vorkommen kann.
Indem wir uns auf diese wenigen Andeutungen über die Saat, natür- liche und künstliche, beschränken müssen, haben wir nun die Pflanzung ebenfalls nach ihren Hauptregeln kennen zu lernen, wobei wir nur an- deuten, daß es je nach den verschiedenen Verhältnissen der Kulturfläche und den mancherlei Eigenthümlichkeiten der zu kultivirenden Holzart dem Revierverwalter vielseitige Erwägungen auferlegt, ehe er sich über Saat oder Pflanzung entscheiden kann.
Die zu letzterer erforderlichen Pflänzlinge können auf verschiedene Weise beschafft werden. Oft können sie aus zu dick stehenden Besamungs- schlägen oder Saatkulturen oder selbst an den verschiedensten Stellen des Revieres, wo sie zufällig aufgegangen sind, entnommen werden; meist je- doch werden sie in Saatkämpen und Pflanzgärten künstlich aus Samen erzogen.
Die Saatkämpe sind auf oder in der Nähe der zu kultivirenden Fläche blos für die Kulturzeit angelegte umzäunte Saatplätze, wo die Pflänz-
38*
Das aufmerkſame Auge des Waldbauers erkennt ſchon im Spätherbſt an den Knospen der meiſten Baumarten, ob ſie im nächſten Jahre reich- lich Samen tragen werden; unter den beſtandbildenden Bäumen iſt dies nur bei den Eichen ohne Zergliederung der Knospen nicht möglich. Iſt man eines bevorſtehenden Samenjahres ſicher, ſo wird der Beſtand bis auf gleichmäßig und in angemeſſener Entfernung von einander vertheilte Samenbäume geſchlagen und ſogleich geräumt, wodurch meiſt von ſelbſt ſchon eine angemeſſene Wundmachung des Bodens zur Samenaufnahme ſtatt- findet. Es verſteht ſich von ſelbſt daß z. B. die reichlich tragenden ihren geflügelten Samen weit hin verſtreuenden Fichten in einem Samenſchlage weitläuftiger ſtehen dürfen als die Buchen, deren ſchwerere Samen bei nicht ſtark bewegter Luft meiſt ſenkrecht niederfallen.
Mit ſorgfältiger Berückſichtigung des Licht- oder Schutzbedürfniſſes der aufgegangenen Pflänzchen werden in den folgenden Jahren die Samen- bäume mit möglichſter Schonung der Pflänzchen allmälig herausgeſchlagen und je nach dem Erfolg der Beſamung bei ungleichmäßigem Aufſchlag zu lichte Stellen mit aus zu dichten herausgenommenen Pflänzchen aus- gebeſſert, oder wenn die Beſamung ganz mißlang durch Saat oder Pflanzung aufs Neue kultivirt, was bei vorwaltend taubem Samen oder aus anderen Gründen auch vorkommen kann.
Indem wir uns auf dieſe wenigen Andeutungen über die Saat, natür- liche und künſtliche, beſchränken müſſen, haben wir nun die Pflanzung ebenfalls nach ihren Hauptregeln kennen zu lernen, wobei wir nur an- deuten, daß es je nach den verſchiedenen Verhältniſſen der Kulturfläche und den mancherlei Eigenthümlichkeiten der zu kultivirenden Holzart dem Revierverwalter vielſeitige Erwägungen auferlegt, ehe er ſich über Saat oder Pflanzung entſcheiden kann.
Die zu letzterer erforderlichen Pflänzlinge können auf verſchiedene Weiſe beſchafft werden. Oft können ſie aus zu dick ſtehenden Beſamungs- ſchlägen oder Saatkulturen oder ſelbſt an den verſchiedenſten Stellen des Revieres, wo ſie zufällig aufgegangen ſind, entnommen werden; meiſt je- doch werden ſie in Saatkämpen und Pflanzgärten künſtlich aus Samen erzogen.
Die Saatkämpe ſind auf oder in der Nähe der zu kultivirenden Fläche blos für die Kulturzeit angelegte umzäunte Saatplätze, wo die Pflänz-
38*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0651"n="595"/><p>Das aufmerkſame Auge des Waldbauers erkennt ſchon im Spätherbſt<lb/>
an den Knospen der meiſten Baumarten, ob ſie im nächſten Jahre reich-<lb/>
lich Samen tragen werden; unter den beſtandbildenden Bäumen iſt dies<lb/>
nur bei den Eichen ohne Zergliederung der Knospen nicht möglich. Iſt<lb/>
man eines bevorſtehenden Samenjahres ſicher, ſo wird der Beſtand bis<lb/>
auf gleichmäßig und in angemeſſener Entfernung von einander vertheilte<lb/><hirendition="#g">Samenbäume</hi> geſchlagen und ſogleich geräumt, wodurch meiſt von ſelbſt<lb/>ſchon eine angemeſſene Wundmachung des Bodens zur Samenaufnahme ſtatt-<lb/>
findet. Es verſteht ſich von ſelbſt daß z. B. die reichlich tragenden ihren<lb/>
geflügelten Samen weit hin verſtreuenden Fichten in einem Samenſchlage<lb/>
weitläuftiger ſtehen dürfen als die Buchen, deren ſchwerere Samen bei nicht<lb/>ſtark bewegter Luft meiſt ſenkrecht niederfallen.</p><lb/><p>Mit ſorgfältiger Berückſichtigung des Licht- oder Schutzbedürfniſſes<lb/>
der aufgegangenen Pflänzchen werden in den folgenden Jahren die Samen-<lb/>
bäume mit möglichſter Schonung der Pflänzchen allmälig herausgeſchlagen<lb/>
und je nach dem Erfolg der <hirendition="#g">Beſamung</hi> bei ungleichmäßigem <hirendition="#g">Aufſchlag</hi><lb/>
zu lichte Stellen mit aus zu dichten herausgenommenen Pflänzchen aus-<lb/>
gebeſſert, oder wenn die Beſamung ganz mißlang durch Saat oder<lb/>
Pflanzung aufs Neue kultivirt, was bei vorwaltend taubem Samen oder<lb/>
aus anderen Gründen auch vorkommen kann.</p><lb/><p>Indem wir uns auf dieſe wenigen Andeutungen über die Saat, natür-<lb/>
liche und künſtliche, beſchränken müſſen, haben wir nun die <hirendition="#g">Pflanzung</hi><lb/>
ebenfalls nach ihren Hauptregeln kennen zu lernen, wobei wir nur an-<lb/>
deuten, daß es je nach den verſchiedenen Verhältniſſen der Kulturfläche<lb/>
und den mancherlei Eigenthümlichkeiten der zu kultivirenden Holzart dem<lb/>
Revierverwalter vielſeitige Erwägungen auferlegt, ehe er ſich über Saat<lb/>
oder Pflanzung entſcheiden kann.</p><lb/><p>Die zu letzterer erforderlichen Pflänzlinge können auf verſchiedene<lb/>
Weiſe beſchafft werden. Oft können ſie aus zu dick ſtehenden Beſamungs-<lb/>ſchlägen oder Saatkulturen oder ſelbſt an den verſchiedenſten Stellen des<lb/>
Revieres, wo ſie zufällig aufgegangen ſind, entnommen werden; meiſt je-<lb/>
doch werden ſie in <hirendition="#g">Saatkämpen</hi> und <hirendition="#g">Pflanzgärten</hi> künſtlich aus<lb/>
Samen erzogen.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Saatkämpe</hi>ſind auf oder in der Nähe der zu kultivirenden Fläche<lb/>
blos für die Kulturzeit angelegte umzäunte Saatplätze, wo die Pflänz-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">38*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[595/0651]
Das aufmerkſame Auge des Waldbauers erkennt ſchon im Spätherbſt
an den Knospen der meiſten Baumarten, ob ſie im nächſten Jahre reich-
lich Samen tragen werden; unter den beſtandbildenden Bäumen iſt dies
nur bei den Eichen ohne Zergliederung der Knospen nicht möglich. Iſt
man eines bevorſtehenden Samenjahres ſicher, ſo wird der Beſtand bis
auf gleichmäßig und in angemeſſener Entfernung von einander vertheilte
Samenbäume geſchlagen und ſogleich geräumt, wodurch meiſt von ſelbſt
ſchon eine angemeſſene Wundmachung des Bodens zur Samenaufnahme ſtatt-
findet. Es verſteht ſich von ſelbſt daß z. B. die reichlich tragenden ihren
geflügelten Samen weit hin verſtreuenden Fichten in einem Samenſchlage
weitläuftiger ſtehen dürfen als die Buchen, deren ſchwerere Samen bei nicht
ſtark bewegter Luft meiſt ſenkrecht niederfallen.
Mit ſorgfältiger Berückſichtigung des Licht- oder Schutzbedürfniſſes
der aufgegangenen Pflänzchen werden in den folgenden Jahren die Samen-
bäume mit möglichſter Schonung der Pflänzchen allmälig herausgeſchlagen
und je nach dem Erfolg der Beſamung bei ungleichmäßigem Aufſchlag
zu lichte Stellen mit aus zu dichten herausgenommenen Pflänzchen aus-
gebeſſert, oder wenn die Beſamung ganz mißlang durch Saat oder
Pflanzung aufs Neue kultivirt, was bei vorwaltend taubem Samen oder
aus anderen Gründen auch vorkommen kann.
Indem wir uns auf dieſe wenigen Andeutungen über die Saat, natür-
liche und künſtliche, beſchränken müſſen, haben wir nun die Pflanzung
ebenfalls nach ihren Hauptregeln kennen zu lernen, wobei wir nur an-
deuten, daß es je nach den verſchiedenen Verhältniſſen der Kulturfläche
und den mancherlei Eigenthümlichkeiten der zu kultivirenden Holzart dem
Revierverwalter vielſeitige Erwägungen auferlegt, ehe er ſich über Saat
oder Pflanzung entſcheiden kann.
Die zu letzterer erforderlichen Pflänzlinge können auf verſchiedene
Weiſe beſchafft werden. Oft können ſie aus zu dick ſtehenden Beſamungs-
ſchlägen oder Saatkulturen oder ſelbſt an den verſchiedenſten Stellen des
Revieres, wo ſie zufällig aufgegangen ſind, entnommen werden; meiſt je-
doch werden ſie in Saatkämpen und Pflanzgärten künſtlich aus
Samen erzogen.
Die Saatkämpe ſind auf oder in der Nähe der zu kultivirenden Fläche
blos für die Kulturzeit angelegte umzäunte Saatplätze, wo die Pflänz-
38*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/651>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.