Endlich ist hier noch einer andern Art der Pflanzendecke auf dem Waldboden zu gedenken, welche gewissermaßen ein Ueberbleibsel der Ur- waldbildung ist.
Es kommt, wiewohl nicht häufig, vor, daß ohne Dazuthun des Försters sich der Wald selbst seine Nachkommen erzieht, indem die ab- gefallenen Saamen im Boden nicht nur keimen, was sehr häufig der Fall ist, sondern trotz der Ueberdachung der zeltartigen Laubkronen freudig fortwachsen und einen jungen Wald unter dem alten bilden.
Dann bleibt dem Förster nur übrig, die Alten, wenn sie haubar sind, mit möglichster Schonung der Jugend heraus zu nehmen.
Näher liegt uns aber jetzt die große Bedeutung, welche die aus Pflanzen gewebte, eben so wie die aus dürrem Laub und Nadeln auf- geschüttete Bodendecke für den Wald hat, und wenn wir uns diese Be- deutung recht klar gemacht, wenn wir ein Verständniß derselben gewonnen haben, so sehen wir in dieser Bodendecke nicht blos eine dem Auge wohl- thuende Vermittlung zwischen dem Walde und seinem starren Träger, sondern eine wichtige Bedingung des Waldlebens.
Der Walderzieher muß in der Hauptsache der Natur überlassen, für das Gedeihen seiner Baum-Saaten und Pflanzungen zu sorgen. Kaum daß er für diese Einiges zur Bodenvorbereitung thun kann und daß er alsdann mit Vorsicht den dazwischen aufwuchernden Unkräutern Einhalt thut; so wie einmal seine Pfleglinge in eine kräftige Kindheit getreten sind und sie sich in ihren ausgreifenden Zweigen zu Schutz und Trutz die Hände reichen, muß er sie in der Hauptsache sich selbst überlassen. Er kann allenfalls dem Boden das zu viele Naß durch Entwässerung ableiten und Insekten- und Wildschaden nach Kräften abhalten, dem Eindringen des Weideviehes wehren, durchforstend das zu dicht werdende Gedränge lichten -- das ist aber auch so ziemlich Alles, was er kann. Sein Auge ist aber unablässig auf die Bodenstreu gerichtet.
Sie muß ihm den Waldboden frisch erhalten, sie muß den austrock- nenden Sonnenstrahlen und Winden steuern, sie muß dafür sorgen, daß den Baumwurzeln im Boden sich immer erneuernder Vorrath verwes- licher Stoffe und der unbeschränkteste Spielraum geboten sei.
Wenn namentlich, wie wir es von der Fichte bereits wissen, die Wurzel am liebsten in den obersten Bodenschichten bleibt, so ist ihr die
Endlich iſt hier noch einer andern Art der Pflanzendecke auf dem Waldboden zu gedenken, welche gewiſſermaßen ein Ueberbleibſel der Ur- waldbildung iſt.
Es kommt, wiewohl nicht häufig, vor, daß ohne Dazuthun des Förſters ſich der Wald ſelbſt ſeine Nachkommen erzieht, indem die ab- gefallenen Saamen im Boden nicht nur keimen, was ſehr häufig der Fall iſt, ſondern trotz der Ueberdachung der zeltartigen Laubkronen freudig fortwachſen und einen jungen Wald unter dem alten bilden.
Dann bleibt dem Förſter nur übrig, die Alten, wenn ſie haubar ſind, mit möglichſter Schonung der Jugend heraus zu nehmen.
Näher liegt uns aber jetzt die große Bedeutung, welche die aus Pflanzen gewebte, eben ſo wie die aus dürrem Laub und Nadeln auf- geſchüttete Bodendecke für den Wald hat, und wenn wir uns dieſe Be- deutung recht klar gemacht, wenn wir ein Verſtändniß derſelben gewonnen haben, ſo ſehen wir in dieſer Bodendecke nicht blos eine dem Auge wohl- thuende Vermittlung zwiſchen dem Walde und ſeinem ſtarren Träger, ſondern eine wichtige Bedingung des Waldlebens.
Der Walderzieher muß in der Hauptſache der Natur überlaſſen, für das Gedeihen ſeiner Baum-Saaten und Pflanzungen zu ſorgen. Kaum daß er für dieſe Einiges zur Bodenvorbereitung thun kann und daß er alsdann mit Vorſicht den dazwiſchen aufwuchernden Unkräutern Einhalt thut; ſo wie einmal ſeine Pfleglinge in eine kräftige Kindheit getreten ſind und ſie ſich in ihren ausgreifenden Zweigen zu Schutz und Trutz die Hände reichen, muß er ſie in der Hauptſache ſich ſelbſt überlaſſen. Er kann allenfalls dem Boden das zu viele Naß durch Entwäſſerung ableiten und Inſekten- und Wildſchaden nach Kräften abhalten, dem Eindringen des Weideviehes wehren, durchforſtend das zu dicht werdende Gedränge lichten — das iſt aber auch ſo ziemlich Alles, was er kann. Sein Auge iſt aber unabläſſig auf die Bodenſtreu gerichtet.
Sie muß ihm den Waldboden friſch erhalten, ſie muß den austrock- nenden Sonnenſtrahlen und Winden ſteuern, ſie muß dafür ſorgen, daß den Baumwurzeln im Boden ſich immer erneuernder Vorrath verwes- licher Stoffe und der unbeſchränkteſte Spielraum geboten ſei.
Wenn namentlich, wie wir es von der Fichte bereits wiſſen, die Wurzel am liebſten in den oberſten Bodenſchichten bleibt, ſo iſt ihr die
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Endlich iſt hier noch einer andern Art der Pflanzendecke auf dem
Waldboden zu gedenken, welche gewiſſermaßen ein Ueberbleibſel der Ur-
waldbildung iſt.
Es kommt, wiewohl nicht häufig, vor, daß ohne Dazuthun des
Förſters ſich der Wald ſelbſt ſeine Nachkommen erzieht, indem die ab-
gefallenen Saamen im Boden nicht nur keimen, was ſehr häufig der Fall
iſt, ſondern trotz der Ueberdachung der zeltartigen Laubkronen freudig
fortwachſen und einen jungen Wald unter dem alten bilden.
Dann bleibt dem Förſter nur übrig, die Alten, wenn ſie haubar
ſind, mit möglichſter Schonung der Jugend heraus zu nehmen.
Näher liegt uns aber jetzt die große Bedeutung, welche die aus
Pflanzen gewebte, eben ſo wie die aus dürrem Laub und Nadeln auf-
geſchüttete Bodendecke für den Wald hat, und wenn wir uns dieſe Be-
deutung recht klar gemacht, wenn wir ein Verſtändniß derſelben gewonnen
haben, ſo ſehen wir in dieſer Bodendecke nicht blos eine dem Auge wohl-
thuende Vermittlung zwiſchen dem Walde und ſeinem ſtarren Träger,
ſondern eine wichtige Bedingung des Waldlebens.
Der Walderzieher muß in der Hauptſache der Natur überlaſſen, für
das Gedeihen ſeiner Baum-Saaten und Pflanzungen zu ſorgen. Kaum
daß er für dieſe Einiges zur Bodenvorbereitung thun kann und daß er
alsdann mit Vorſicht den dazwiſchen aufwuchernden Unkräutern Einhalt
thut; ſo wie einmal ſeine Pfleglinge in eine kräftige Kindheit getreten ſind
und ſie ſich in ihren ausgreifenden Zweigen zu Schutz und Trutz die Hände
reichen, muß er ſie in der Hauptſache ſich ſelbſt überlaſſen. Er kann
allenfalls dem Boden das zu viele Naß durch Entwäſſerung ableiten und
Inſekten- und Wildſchaden nach Kräften abhalten, dem Eindringen des
Weideviehes wehren, durchforſtend das zu dicht werdende Gedränge lichten —
das iſt aber auch ſo ziemlich Alles, was er kann. Sein Auge iſt aber
unabläſſig auf die Bodenſtreu gerichtet.
Sie muß ihm den Waldboden friſch erhalten, ſie muß den austrock-
nenden Sonnenſtrahlen und Winden ſteuern, ſie muß dafür ſorgen, daß
den Baumwurzeln im Boden ſich immer erneuernder Vorrath verwes-
licher Stoffe und der unbeſchränkteſte Spielraum geboten ſei.
Wenn namentlich, wie wir es von der Fichte bereits wiſſen, die
Wurzel am liebſten in den oberſten Bodenſchichten bleibt, ſo iſt ihr die
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/65>, abgerufen am 22.12.2024.
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