nur in dem Jugendalter der Kulturen, und die Stangenhölzer stellen sich licht und locker, wenn nicht ein verborgener Schatz an Bodenfeuchtigkeit später von den tiefer dringenden Wurzeln gehoben wird.
Die Sandheide bietet übrigens eine lange Stufenleiter von ziemlich wüchsiger Bewaldung bis zu den magersten Flächen abwärts, auf welchen Birken und Kiefern niedere Büsche bleiben, denen man an dem knickigen Wuchs und an der Rinde ansieht, daß sie viel älter sind, als ihre Höhe anzeigt. Die Birke zeigt ihre weiße Rindenfarbe schon an ganz schwachen, aber eben unerwartet alten Stämmchen, und die Rinde der kleinen Kiefern ist rauh und rissig und entbehrt der schönen rothgelben Farbe an den Aesten der Krone. Auch bleiben die Nadeln der Kiefer kleiner, die Triebe kürzer, namentlich der Herztrieb, während sich dagegen die Seitentriebe besser entwickeln, wodurch auf recht mageren Sandstellen eine kurze aber breitkegelförmige Strauchgestalt hervorgerufen wird. Während so Kiefer und Birke auf dem Heideboden nur kümmerlich gedeihen, fühlt sich der kleine buschige Wachholder behaglich und überwächst zuweilen sogar jene beiden. Was an andern Baumarten zuweilen noch auf der Sandheide vorkommt, z. B. Fichte, Erle, Eiche, trägt mehr oder weniger den Stempel des Verkommens.
Wo aber der Baumwuchs auf das niederste Maaß herabgedrückt ist, und die verkümmerten Strauchbäumchen wie Verirrte auf der Sandebene zerstreut sind, da stellt sich desto reichlicher ein ganzes Heer von Sand- pflanzen ein, welche sich hier in ihrer richtigen Heimath befinden und nicht leicht auf nahrhafterem Boden gefunden werden. Daher sind viele davon untrügliche Wahrzeichen des echten Heidecharakters eines Bodens, deren Vorherrschen im Stande ist, den Förster, der hier gern einen Bestand in die Höhe bringen möchte, muthlos zu machen. Schon die Namen, die deutschen sowohl wie die wissenschaftlichen, solcher Pflanzen und auch vieler Thiere deuten auf Heide und Sand und erkennen dadurch an, daß Heide und Sand dem Thier- und Pflanzenleben nicht immer nur feindlich sind, sondern sich eigene Formen desselben erschaffen haben, welchen Heide und Sand eben so nothwendige Lebensbedingungen sind, wie anderen Sumpf und Wasser, oder die dünne Erdkrume in den Felsenrissen der Alpen, anderen die unerschöpfliche Dammerdeschicht unter der tropischen Sonne. Das Goethesche "Eines schickt sich nicht für Alle" vermag gleichwohl den
nur in dem Jugendalter der Kulturen, und die Stangenhölzer ſtellen ſich licht und locker, wenn nicht ein verborgener Schatz an Bodenfeuchtigkeit ſpäter von den tiefer dringenden Wurzeln gehoben wird.
Die Sandheide bietet übrigens eine lange Stufenleiter von ziemlich wüchſiger Bewaldung bis zu den magerſten Flächen abwärts, auf welchen Birken und Kiefern niedere Büſche bleiben, denen man an dem knickigen Wuchs und an der Rinde anſieht, daß ſie viel älter ſind, als ihre Höhe anzeigt. Die Birke zeigt ihre weiße Rindenfarbe ſchon an ganz ſchwachen, aber eben unerwartet alten Stämmchen, und die Rinde der kleinen Kiefern iſt rauh und riſſig und entbehrt der ſchönen rothgelben Farbe an den Aeſten der Krone. Auch bleiben die Nadeln der Kiefer kleiner, die Triebe kürzer, namentlich der Herztrieb, während ſich dagegen die Seitentriebe beſſer entwickeln, wodurch auf recht mageren Sandſtellen eine kurze aber breitkegelförmige Strauchgeſtalt hervorgerufen wird. Während ſo Kiefer und Birke auf dem Heideboden nur kümmerlich gedeihen, fühlt ſich der kleine buſchige Wachholder behaglich und überwächſt zuweilen ſogar jene beiden. Was an andern Baumarten zuweilen noch auf der Sandheide vorkommt, z. B. Fichte, Erle, Eiche, trägt mehr oder weniger den Stempel des Verkommens.
Wo aber der Baumwuchs auf das niederſte Maaß herabgedrückt iſt, und die verkümmerten Strauchbäumchen wie Verirrte auf der Sandebene zerſtreut ſind, da ſtellt ſich deſto reichlicher ein ganzes Heer von Sand- pflanzen ein, welche ſich hier in ihrer richtigen Heimath befinden und nicht leicht auf nahrhafterem Boden gefunden werden. Daher ſind viele davon untrügliche Wahrzeichen des echten Heidecharakters eines Bodens, deren Vorherrſchen im Stande iſt, den Förſter, der hier gern einen Beſtand in die Höhe bringen möchte, muthlos zu machen. Schon die Namen, die deutſchen ſowohl wie die wiſſenſchaftlichen, ſolcher Pflanzen und auch vieler Thiere deuten auf Heide und Sand und erkennen dadurch an, daß Heide und Sand dem Thier- und Pflanzenleben nicht immer nur feindlich ſind, ſondern ſich eigene Formen deſſelben erſchaffen haben, welchen Heide und Sand eben ſo nothwendige Lebensbedingungen ſind, wie anderen Sumpf und Waſſer, oder die dünne Erdkrume in den Felſenriſſen der Alpen, anderen die unerſchöpfliche Dammerdeſchicht unter der tropiſchen Sonne. Das Goetheſche „Eines ſchickt ſich nicht für Alle“ vermag gleichwohl den
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nur in dem Jugendalter der Kulturen, und die Stangenhölzer ſtellen ſich
licht und locker, wenn nicht ein verborgener Schatz an Bodenfeuchtigkeit
ſpäter von den tiefer dringenden Wurzeln gehoben wird.
Die Sandheide bietet übrigens eine lange Stufenleiter von ziemlich
wüchſiger Bewaldung bis zu den magerſten Flächen abwärts, auf welchen
Birken und Kiefern niedere Büſche bleiben, denen man an dem knickigen
Wuchs und an der Rinde anſieht, daß ſie viel älter ſind, als ihre Höhe
anzeigt. Die Birke zeigt ihre weiße Rindenfarbe ſchon an ganz ſchwachen,
aber eben unerwartet alten Stämmchen, und die Rinde der kleinen Kiefern
iſt rauh und riſſig und entbehrt der ſchönen rothgelben Farbe an den
Aeſten der Krone. Auch bleiben die Nadeln der Kiefer kleiner, die Triebe
kürzer, namentlich der Herztrieb, während ſich dagegen die Seitentriebe
beſſer entwickeln, wodurch auf recht mageren Sandſtellen eine kurze aber
breitkegelförmige Strauchgeſtalt hervorgerufen wird. Während ſo Kiefer
und Birke auf dem Heideboden nur kümmerlich gedeihen, fühlt ſich der
kleine buſchige Wachholder behaglich und überwächſt zuweilen ſogar jene
beiden. Was an andern Baumarten zuweilen noch auf der Sandheide
vorkommt, z. B. Fichte, Erle, Eiche, trägt mehr oder weniger den Stempel
des Verkommens.
Wo aber der Baumwuchs auf das niederſte Maaß herabgedrückt iſt,
und die verkümmerten Strauchbäumchen wie Verirrte auf der Sandebene
zerſtreut ſind, da ſtellt ſich deſto reichlicher ein ganzes Heer von Sand-
pflanzen ein, welche ſich hier in ihrer richtigen Heimath befinden und
nicht leicht auf nahrhafterem Boden gefunden werden. Daher ſind viele
davon untrügliche Wahrzeichen des echten Heidecharakters eines Bodens,
deren Vorherrſchen im Stande iſt, den Förſter, der hier gern einen Beſtand
in die Höhe bringen möchte, muthlos zu machen. Schon die Namen, die
deutſchen ſowohl wie die wiſſenſchaftlichen, ſolcher Pflanzen und auch vieler
Thiere deuten auf Heide und Sand und erkennen dadurch an, daß Heide
und Sand dem Thier- und Pflanzenleben nicht immer nur feindlich ſind,
ſondern ſich eigene Formen deſſelben erſchaffen haben, welchen Heide und
Sand eben ſo nothwendige Lebensbedingungen ſind, wie anderen Sumpf
und Waſſer, oder die dünne Erdkrume in den Felſenriſſen der Alpen,
anderen die unerſchöpfliche Dammerdeſchicht unter der tropiſchen Sonne.
Das Goetheſche „Eines ſchickt ſich nicht für Alle“ vermag gleichwohl den
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/616>, abgerufen am 24.11.2024.
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