Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

kommen wir zu physischen und zu physiologischen Gesichtspunkten und können
danach Auenwald, Heide, Bruchwald, Gebirgswald und Alpen-
wald
unterscheiden, neben und über welchen selbstverständlich der souveräne
Unterschied von Nadel- und Laubwald besteht.

In der Tiefebene bilden Auenwald und Heide zwei Gegensätze, welche
gleichwohl ziemlich nahe nebeneinander bestehen können. Die Bodenbe-
schaffenheit ist es beinahe allein, welche diesen Gegensatz bedingt und damit
zeigt, wie groß ihr Einfluß sich auf den Charakter der Vegetation erweist.

Unter Auenwald verstehe ich hier die Bewaldung der ebenen, frucht-
baren Bewässerungsgebiete kleinerer und größerer Flüsse, welche sich nur
stellenweise und in geringem Maaße über die Anschwellungshöhe dieser
Gewässer erheben, übrigens aber unter dieser liegen. Die Auenwälder
gehören zu unsern schönsten Laubwäldern und sind immer gemischte, mit
Vorherrschen der Stieleiche, des Hornbaums, der Rüstern, der Esche
und sparsamer auch der Ahorne und Linden. Buchen gehen ihnen meist
ganz ab, da diese einen überschwemmten Boden nicht vertragen. Den genüg-
samen Nadelhölzern ist es hier zu üppig, oder sie ziehen sich wenigstens
auf die höheren Stellen zurück. Die große Fruchtbarkeit des Schwemm-
landes, welches die Auenwälder trägt, macht aus ihnen gewöhnlich ein
Mittelding zwischen Hochwald und Mittelwald, indem zwischen den selbst
nicht sehr räumlich stehenden Bäumen ein oft sehr üppiger Unterwuchs von
Buschholz aufsprießt, welcher bei gleichem Baumstande auf höheren Lagen
nicht aufkommen würde. Wo in solchen Auenwaldungen die Eiche vor-
herrscht, die sich immer selbst im ausgesprochensten Hochwalde licht stellt,
da ist eine Mittelwaldwirthschaft geradezu geboten. Man kann solche
Wälder fast mit demselben Rechte als Mittelwald wie als Hochwald an-
sprechen; denn die Bäume stehen so dicht und haben einen so starken
Höhenwuchs, als es ihnen überhaupt im Hochwalde zukommt, und doch
steht zwischen ihnen noch Buschholz, welches eine regelmäßige und aus-
giebige Schlagführung zuläßt*).

*) Ein wahres Muster eines solchen Auenwaldes erstreckt sich in einem ziemlich
breiten Bande von Leipzig aus mehrere Meilen lang westlich bis gegen Merseburg in
dem Flußgebiete der Elster. Die oben genannten Baumarten finden sich hier in muster-
gültigen Exemplaren in Menge.

kommen wir zu phyſiſchen und zu phyſiologiſchen Geſichtspunkten und können
danach Auenwald, Heide, Bruchwald, Gebirgswald und Alpen-
wald
unterſcheiden, neben und über welchen ſelbſtverſtändlich der ſouveräne
Unterſchied von Nadel- und Laubwald beſteht.

In der Tiefebene bilden Auenwald und Heide zwei Gegenſätze, welche
gleichwohl ziemlich nahe nebeneinander beſtehen können. Die Bodenbe-
ſchaffenheit iſt es beinahe allein, welche dieſen Gegenſatz bedingt und damit
zeigt, wie groß ihr Einfluß ſich auf den Charakter der Vegetation erweiſt.

Unter Auenwald verſtehe ich hier die Bewaldung der ebenen, frucht-
baren Bewäſſerungsgebiete kleinerer und größerer Flüſſe, welche ſich nur
ſtellenweiſe und in geringem Maaße über die Anſchwellungshöhe dieſer
Gewäſſer erheben, übrigens aber unter dieſer liegen. Die Auenwälder
gehören zu unſern ſchönſten Laubwäldern und ſind immer gemiſchte, mit
Vorherrſchen der Stieleiche, des Hornbaums, der Rüſtern, der Eſche
und ſparſamer auch der Ahorne und Linden. Buchen gehen ihnen meiſt
ganz ab, da dieſe einen überſchwemmten Boden nicht vertragen. Den genüg-
ſamen Nadelhölzern iſt es hier zu üppig, oder ſie ziehen ſich wenigſtens
auf die höheren Stellen zurück. Die große Fruchtbarkeit des Schwemm-
landes, welches die Auenwälder trägt, macht aus ihnen gewöhnlich ein
Mittelding zwiſchen Hochwald und Mittelwald, indem zwiſchen den ſelbſt
nicht ſehr räumlich ſtehenden Bäumen ein oft ſehr üppiger Unterwuchs von
Buſchholz aufſprießt, welcher bei gleichem Baumſtande auf höheren Lagen
nicht aufkommen würde. Wo in ſolchen Auenwaldungen die Eiche vor-
herrſcht, die ſich immer ſelbſt im ausgeſprochenſten Hochwalde licht ſtellt,
da iſt eine Mittelwaldwirthſchaft geradezu geboten. Man kann ſolche
Wälder faſt mit demſelben Rechte als Mittelwald wie als Hochwald an-
ſprechen; denn die Bäume ſtehen ſo dicht und haben einen ſo ſtarken
Höhenwuchs, als es ihnen überhaupt im Hochwalde zukommt, und doch
ſteht zwiſchen ihnen noch Buſchholz, welches eine regelmäßige und aus-
giebige Schlagführung zuläßt*).

*) Ein wahres Muſter eines ſolchen Auenwaldes erſtreckt ſich in einem ziemlich
breiten Bande von Leipzig aus mehrere Meilen lang weſtlich bis gegen Merſeburg in
dem Flußgebiete der Elſter. Die oben genannten Baumarten finden ſich hier in muſter-
gültigen Exemplaren in Menge.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0611" n="555"/>
kommen wir zu phy&#x017F;i&#x017F;chen und zu phy&#x017F;iologi&#x017F;chen Ge&#x017F;ichtspunkten und können<lb/>
danach <hi rendition="#g">Auenwald, Heide, Bruchwald, Gebirgswald</hi> und <hi rendition="#g">Alpen-<lb/>
wald</hi> unter&#x017F;cheiden, neben und über welchen &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich der &#x017F;ouveräne<lb/>
Unter&#x017F;chied von Nadel- und Laubwald be&#x017F;teht.</p><lb/>
          <p>In der Tiefebene bilden Auenwald und Heide zwei Gegen&#x017F;ätze, welche<lb/>
gleichwohl ziemlich nahe nebeneinander be&#x017F;tehen können. Die Bodenbe-<lb/>
&#x017F;chaffenheit i&#x017F;t es beinahe allein, welche die&#x017F;en Gegen&#x017F;atz bedingt und damit<lb/>
zeigt, wie groß ihr Einfluß &#x017F;ich auf den Charakter der Vegetation erwei&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Unter <hi rendition="#g">Auenwald</hi> ver&#x017F;tehe ich hier die Bewaldung der ebenen, frucht-<lb/>
baren Bewä&#x017F;&#x017F;erungsgebiete kleinerer und größerer Flü&#x017F;&#x017F;e, welche &#x017F;ich nur<lb/>
&#x017F;tellenwei&#x017F;e und in geringem Maaße über die An&#x017F;chwellungshöhe die&#x017F;er<lb/>
Gewä&#x017F;&#x017F;er erheben, übrigens aber unter die&#x017F;er liegen. Die Auenwälder<lb/>
gehören zu un&#x017F;ern &#x017F;chön&#x017F;ten Laubwäldern und &#x017F;ind immer gemi&#x017F;chte, mit<lb/>
Vorherr&#x017F;chen der Stieleiche, des Hornbaums, der Rü&#x017F;tern, der E&#x017F;che<lb/>
und &#x017F;par&#x017F;amer auch der Ahorne und Linden. Buchen gehen ihnen mei&#x017F;t<lb/>
ganz ab, da die&#x017F;e einen über&#x017F;chwemmten Boden nicht vertragen. Den genüg-<lb/>
&#x017F;amen Nadelhölzern i&#x017F;t es hier zu üppig, oder &#x017F;ie ziehen &#x017F;ich wenig&#x017F;tens<lb/>
auf die höheren Stellen zurück. Die große Fruchtbarkeit des Schwemm-<lb/>
landes, welches die Auenwälder trägt, macht aus ihnen gewöhnlich ein<lb/>
Mittelding zwi&#x017F;chen Hochwald und Mittelwald, indem zwi&#x017F;chen den &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht &#x017F;ehr räumlich &#x017F;tehenden Bäumen ein oft &#x017F;ehr üppiger Unterwuchs von<lb/>
Bu&#x017F;chholz auf&#x017F;prießt, welcher bei gleichem Baum&#x017F;tande auf höheren Lagen<lb/>
nicht aufkommen würde. Wo in &#x017F;olchen Auenwaldungen die Eiche vor-<lb/>
herr&#x017F;cht, die &#x017F;ich immer &#x017F;elb&#x017F;t im ausge&#x017F;prochen&#x017F;ten Hochwalde licht &#x017F;tellt,<lb/>
da i&#x017F;t eine Mittelwaldwirth&#x017F;chaft geradezu geboten. Man kann &#x017F;olche<lb/>
Wälder fa&#x017F;t mit dem&#x017F;elben Rechte als Mittelwald wie als Hochwald an-<lb/>
&#x017F;prechen; denn die Bäume &#x017F;tehen &#x017F;o dicht und haben einen &#x017F;o &#x017F;tarken<lb/>
Höhenwuchs, als es ihnen überhaupt im Hochwalde zukommt, und doch<lb/>
&#x017F;teht zwi&#x017F;chen ihnen noch Bu&#x017F;chholz, welches eine regelmäßige und aus-<lb/>
giebige Schlagführung zuläßt<note place="foot" n="*)">Ein wahres Mu&#x017F;ter eines &#x017F;olchen Auenwaldes er&#x017F;treckt &#x017F;ich in einem ziemlich<lb/>
breiten Bande von Leipzig aus mehrere Meilen lang we&#x017F;tlich bis gegen Mer&#x017F;eburg in<lb/>
dem Flußgebiete der El&#x017F;ter. Die oben genannten Baumarten finden &#x017F;ich hier in mu&#x017F;ter-<lb/>
gültigen Exemplaren in Menge.</note>.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[555/0611] kommen wir zu phyſiſchen und zu phyſiologiſchen Geſichtspunkten und können danach Auenwald, Heide, Bruchwald, Gebirgswald und Alpen- wald unterſcheiden, neben und über welchen ſelbſtverſtändlich der ſouveräne Unterſchied von Nadel- und Laubwald beſteht. In der Tiefebene bilden Auenwald und Heide zwei Gegenſätze, welche gleichwohl ziemlich nahe nebeneinander beſtehen können. Die Bodenbe- ſchaffenheit iſt es beinahe allein, welche dieſen Gegenſatz bedingt und damit zeigt, wie groß ihr Einfluß ſich auf den Charakter der Vegetation erweiſt. Unter Auenwald verſtehe ich hier die Bewaldung der ebenen, frucht- baren Bewäſſerungsgebiete kleinerer und größerer Flüſſe, welche ſich nur ſtellenweiſe und in geringem Maaße über die Anſchwellungshöhe dieſer Gewäſſer erheben, übrigens aber unter dieſer liegen. Die Auenwälder gehören zu unſern ſchönſten Laubwäldern und ſind immer gemiſchte, mit Vorherrſchen der Stieleiche, des Hornbaums, der Rüſtern, der Eſche und ſparſamer auch der Ahorne und Linden. Buchen gehen ihnen meiſt ganz ab, da dieſe einen überſchwemmten Boden nicht vertragen. Den genüg- ſamen Nadelhölzern iſt es hier zu üppig, oder ſie ziehen ſich wenigſtens auf die höheren Stellen zurück. Die große Fruchtbarkeit des Schwemm- landes, welches die Auenwälder trägt, macht aus ihnen gewöhnlich ein Mittelding zwiſchen Hochwald und Mittelwald, indem zwiſchen den ſelbſt nicht ſehr räumlich ſtehenden Bäumen ein oft ſehr üppiger Unterwuchs von Buſchholz aufſprießt, welcher bei gleichem Baumſtande auf höheren Lagen nicht aufkommen würde. Wo in ſolchen Auenwaldungen die Eiche vor- herrſcht, die ſich immer ſelbſt im ausgeſprochenſten Hochwalde licht ſtellt, da iſt eine Mittelwaldwirthſchaft geradezu geboten. Man kann ſolche Wälder faſt mit demſelben Rechte als Mittelwald wie als Hochwald an- ſprechen; denn die Bäume ſtehen ſo dicht und haben einen ſo ſtarken Höhenwuchs, als es ihnen überhaupt im Hochwalde zukommt, und doch ſteht zwiſchen ihnen noch Buſchholz, welches eine regelmäßige und aus- giebige Schlagführung zuläßt *). *) Ein wahres Muſter eines ſolchen Auenwaldes erſtreckt ſich in einem ziemlich breiten Bande von Leipzig aus mehrere Meilen lang weſtlich bis gegen Merſeburg in dem Flußgebiete der Elſter. Die oben genannten Baumarten finden ſich hier in muſter- gültigen Exemplaren in Menge.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/611
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/611>, abgerufen am 25.11.2024.