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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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zierlich gerundete, schuppenförmige, vielfach zerschlitzte laubartige Rosetten
bildend. Dann klettern sie aber auch fast immer an den Stämmen selbst
in die Höhe, theils auf der Rinde sich ansiedelnd, theils den absterbenden
untern Aestchen, vorzüglich der Fichte, einen bleichen leichenhaften Laub-
schmuck verleihend. Andere Arten gehen dann noch höher hinauf und
hangen als greisgraue Bärte von den Aesten der alten melancholischen
Fichtenwipfel herab, von wo sie der Sturm und das unstäte Eichhorn
herabwerfen sammt den dürren Aesten, an deren Tode sie selbst vielleicht
einigen Antheil haben.

Wenn die Flechten als Bestandtheile der Pflanzendecke für den Wald-
boden, selbst wenn sie in reicher Fülle vorhanden sind, doch nur eine
untergeordnete Bedeutung haben, wohl nur wenig zur Bodenverbesserung
beitragen und auf unseren Waldgängen meist nur dann unsere Aufmerksamkeit
gewinnen, wenn wir dieselbe für die Natur immer in Bereitschaft haben,
so ist dies Alles ganz anders mit den um einige Stufen des Pflanzen-
systems höher stehenden Moosen. Sie sind von einer großen Bedeutung
für den Wald, vielleicht ohne Ausnahme von einer vortheilhaften, und
schon ihr freudiges Grün und die Zierlichkeit ihrer blätterreichen, zu
schwellenden Polstern verflochtenen Stengel macht sie zu den Lieblingen
Aller. Wie die Flechten sind auch sie meist Kinder des rauhen nebelreichen
Waldgebirges und nur wenige steigen nieder in die sonnige Ebene. In
höherem Grade als die Flechten gesellige Pflanzen überziehen sie mit ihrer
sammetnen Hülle oft in großen Beständen den Boden. Und zwar sind es
oft blos zwei oder drei Arten, welche sich in die Aufgabe theilen, die
Füße der Bäume zu bergen. Auf sehr feuchtem Boden sind es die bleichen
Sumpfmoose, Sphagnum, und die Widerthone, Polytrichum, mit
ihren meist astlosen saftgrünen Stämmchen, welche fast wie Fichtenpflänzchen
aussehen. An nur frischen Stellen finden sich die Astmoose, Hypnum,
ein, von denen das glänzende Astmoos, H. splendens, oft ganz allein
große Bodenflächen vollständig mit seinem bräunlichgrünen Rasen überzieht.
Jede Abstufung im Feuchtigkeitsgehalte des Waldbodens ruft andere Moose
herbei, bis endlich auf trocknen sonnigen Waldblößen das purpurfarbige
Haarzahnmoos,
Ceratodon purpureus, ganze Strecken im Purpur-
schimmer seiner haarfeinen Fruchtstielchen leuchten läßt.

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zierlich gerundete, ſchuppenförmige, vielfach zerſchlitzte laubartige Roſetten
bildend. Dann klettern ſie aber auch faſt immer an den Stämmen ſelbſt
in die Höhe, theils auf der Rinde ſich anſiedelnd, theils den abſterbenden
untern Aeſtchen, vorzüglich der Fichte, einen bleichen leichenhaften Laub-
ſchmuck verleihend. Andere Arten gehen dann noch höher hinauf und
hangen als greisgraue Bärte von den Aeſten der alten melancholiſchen
Fichtenwipfel herab, von wo ſie der Sturm und das unſtäte Eichhorn
herabwerfen ſammt den dürren Aeſten, an deren Tode ſie ſelbſt vielleicht
einigen Antheil haben.

Wenn die Flechten als Beſtandtheile der Pflanzendecke für den Wald-
boden, ſelbſt wenn ſie in reicher Fülle vorhanden ſind, doch nur eine
untergeordnete Bedeutung haben, wohl nur wenig zur Bodenverbeſſerung
beitragen und auf unſeren Waldgängen meiſt nur dann unſere Aufmerkſamkeit
gewinnen, wenn wir dieſelbe für die Natur immer in Bereitſchaft haben,
ſo iſt dies Alles ganz anders mit den um einige Stufen des Pflanzen-
ſyſtems höher ſtehenden Mooſen. Sie ſind von einer großen Bedeutung
für den Wald, vielleicht ohne Ausnahme von einer vortheilhaften, und
ſchon ihr freudiges Grün und die Zierlichkeit ihrer blätterreichen, zu
ſchwellenden Polſtern verflochtenen Stengel macht ſie zu den Lieblingen
Aller. Wie die Flechten ſind auch ſie meiſt Kinder des rauhen nebelreichen
Waldgebirges und nur wenige ſteigen nieder in die ſonnige Ebene. In
höherem Grade als die Flechten geſellige Pflanzen überziehen ſie mit ihrer
ſammetnen Hülle oft in großen Beſtänden den Boden. Und zwar ſind es
oft blos zwei oder drei Arten, welche ſich in die Aufgabe theilen, die
Füße der Bäume zu bergen. Auf ſehr feuchtem Boden ſind es die bleichen
Sumpfmooſe, Sphagnum, und die Widerthone, Polytrichum, mit
ihren meiſt aſtloſen ſaftgrünen Stämmchen, welche faſt wie Fichtenpflänzchen
ausſehen. An nur friſchen Stellen finden ſich die Aſtmooſe, Hypnum,
ein, von denen das glänzende Aſtmoos, H. splendens, oft ganz allein
große Bodenflächen vollſtändig mit ſeinem bräunlichgrünen Raſen überzieht.
Jede Abſtufung im Feuchtigkeitsgehalte des Waldbodens ruft andere Mooſe
herbei, bis endlich auf trocknen ſonnigen Waldblößen das purpurfarbige
Haarzahnmoos,
Ceratodon purpureus, ganze Strecken im Purpur-
ſchimmer ſeiner haarfeinen Fruchtſtielchen leuchten läßt.

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[35/0059] zierlich gerundete, ſchuppenförmige, vielfach zerſchlitzte laubartige Roſetten bildend. Dann klettern ſie aber auch faſt immer an den Stämmen ſelbſt in die Höhe, theils auf der Rinde ſich anſiedelnd, theils den abſterbenden untern Aeſtchen, vorzüglich der Fichte, einen bleichen leichenhaften Laub- ſchmuck verleihend. Andere Arten gehen dann noch höher hinauf und hangen als greisgraue Bärte von den Aeſten der alten melancholiſchen Fichtenwipfel herab, von wo ſie der Sturm und das unſtäte Eichhorn herabwerfen ſammt den dürren Aeſten, an deren Tode ſie ſelbſt vielleicht einigen Antheil haben. Wenn die Flechten als Beſtandtheile der Pflanzendecke für den Wald- boden, ſelbſt wenn ſie in reicher Fülle vorhanden ſind, doch nur eine untergeordnete Bedeutung haben, wohl nur wenig zur Bodenverbeſſerung beitragen und auf unſeren Waldgängen meiſt nur dann unſere Aufmerkſamkeit gewinnen, wenn wir dieſelbe für die Natur immer in Bereitſchaft haben, ſo iſt dies Alles ganz anders mit den um einige Stufen des Pflanzen- ſyſtems höher ſtehenden Mooſen. Sie ſind von einer großen Bedeutung für den Wald, vielleicht ohne Ausnahme von einer vortheilhaften, und ſchon ihr freudiges Grün und die Zierlichkeit ihrer blätterreichen, zu ſchwellenden Polſtern verflochtenen Stengel macht ſie zu den Lieblingen Aller. Wie die Flechten ſind auch ſie meiſt Kinder des rauhen nebelreichen Waldgebirges und nur wenige ſteigen nieder in die ſonnige Ebene. In höherem Grade als die Flechten geſellige Pflanzen überziehen ſie mit ihrer ſammetnen Hülle oft in großen Beſtänden den Boden. Und zwar ſind es oft blos zwei oder drei Arten, welche ſich in die Aufgabe theilen, die Füße der Bäume zu bergen. Auf ſehr feuchtem Boden ſind es die bleichen Sumpfmooſe, Sphagnum, und die Widerthone, Polytrichum, mit ihren meiſt aſtloſen ſaftgrünen Stämmchen, welche faſt wie Fichtenpflänzchen ausſehen. An nur friſchen Stellen finden ſich die Aſtmooſe, Hypnum, ein, von denen das glänzende Aſtmoos, H. splendens, oft ganz allein große Bodenflächen vollſtändig mit ſeinem bräunlichgrünen Raſen überzieht. Jede Abſtufung im Feuchtigkeitsgehalte des Waldbodens ruft andere Mooſe herbei, bis endlich auf trocknen ſonnigen Waldblößen das purpurfarbige Haarzahnmoos, Ceratodon purpureus, ganze Strecken im Purpur- ſchimmer ſeiner haarfeinen Fruchtſtielchen leuchten läßt. 3*

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/59>, abgerufen am 22.12.2024.