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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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kommneren aufsteigende Reihenfolge zusammenzustellen -- denn mehr sind
unsere "natürlichen Systeme des Pflanzenreichs" nicht -- nicht blos in
der inneren Aufeinanderfolge der Familien, sondern auch in der Wahl der
Schluß- also vollkommensten Familie von einander abweichen, so stimmen
sie doch darin überein, derjenigen Familie, welche nach der Linde ihren
Namen trägt, eine sehr hohe Rangordnung anzuweisen; ja nach L. Reichen-
bachs
System, von welchem wir uns die Reihenfolge unserer Baum-
schilderung vorschreiben ließen, ist die Familie der Lindengewächse, Tiliaceen,
unter denjenigen die am höchsten stehende, die vollkommenste, welche in
Deutschland durch Waldbäume vertreten sind. Es geschieht daher aus
diesem Grunde, daß wir der Linde zuletzt unsere Betrachtung widmen,
und nicht deshalb, weil sie von allen unseren Waldbäumen am meisten
mit dem Gemüthsleben unseres Volkes verwachsen und daher am meisten
dazu geeignet ist, unseren Baumbetrachtungen die Krone aufzusetzen. Auch
dem räumlichen Umfange und der langen Lebensdauer nach wäre die
Linde würdig, diesen Abschluß zu bilden, obgleich wir schon früher uns
daran erinnern mußten "daß nicht die Kraft und stolze Größe hier als
Maaßstab gilt, sondern die Vollkommenheit in der Ausprägung der Blüthen-
theile" (S. 357). Und hinsichtlich dieser Ausprägung gehört die Familie
der Lindengewächse zu denjenigen, bei welchen sie am vollendetsten ist.
Ein Blick auf eine Lindenblüthe genügt, um uns zu zeigen, daß es dabei
nicht auf Glanz der Farbe und Größe und Schönheit der Form ankommen
kann. Es kommt vielmehr darauf an, daß an einer Pflanze, welcher wir
einen Platz in der höchsten Rangordnung anweisen sollen, die 4 einzelnen
Blüthenkreise -- Kelch, Krone, Staubgefäße und Stempel -- in ihren
einzelnen Theilen unabhängig von einander und in klarem Gegensatz zu
einander ausgebildet und zur Bildung der Blüthe so vereinigt sind, daß
bei dem Verblühen die äußeren drei Kreise unabhängig von einander ver-
welkt abfallen und zuletzt der befreiete Stempel allein und unverhüllt stehen
bleibt und sich zur Frucht ausbildet. Mit Berücksichtigung dieser Auf-
fassung müssen wir manche Blüthen und somit deren Besitzer tiefer stellen,
welche sonst unserer ästhetischen Auffassung sehr hoch zu stehen scheinen.
An der Rose sind nur die Blumenblätter frei, Kelch, Staubgefäße und
Stempel sind so aneinander gebunden, so von einander abhängig, daß sie
zu dem unklaren Gebilde der Hagebutte verschmelzen.

kommneren aufſteigende Reihenfolge zuſammenzuſtellen — denn mehr ſind
unſere „natürlichen Syſteme des Pflanzenreichs“ nicht — nicht blos in
der inneren Aufeinanderfolge der Familien, ſondern auch in der Wahl der
Schluß- alſo vollkommenſten Familie von einander abweichen, ſo ſtimmen
ſie doch darin überein, derjenigen Familie, welche nach der Linde ihren
Namen trägt, eine ſehr hohe Rangordnung anzuweiſen; ja nach L. Reichen-
bachs
Syſtem, von welchem wir uns die Reihenfolge unſerer Baum-
ſchilderung vorſchreiben ließen, iſt die Familie der Lindengewächſe, Tiliaceen,
unter denjenigen die am höchſten ſtehende, die vollkommenſte, welche in
Deutſchland durch Waldbäume vertreten ſind. Es geſchieht daher aus
dieſem Grunde, daß wir der Linde zuletzt unſere Betrachtung widmen,
und nicht deshalb, weil ſie von allen unſeren Waldbäumen am meiſten
mit dem Gemüthsleben unſeres Volkes verwachſen und daher am meiſten
dazu geeignet iſt, unſeren Baumbetrachtungen die Krone aufzuſetzen. Auch
dem räumlichen Umfange und der langen Lebensdauer nach wäre die
Linde würdig, dieſen Abſchluß zu bilden, obgleich wir ſchon früher uns
daran erinnern mußten „daß nicht die Kraft und ſtolze Größe hier als
Maaßſtab gilt, ſondern die Vollkommenheit in der Ausprägung der Blüthen-
theile“ (S. 357). Und hinſichtlich dieſer Ausprägung gehört die Familie
der Lindengewächſe zu denjenigen, bei welchen ſie am vollendetſten iſt.
Ein Blick auf eine Lindenblüthe genügt, um uns zu zeigen, daß es dabei
nicht auf Glanz der Farbe und Größe und Schönheit der Form ankommen
kann. Es kommt vielmehr darauf an, daß an einer Pflanze, welcher wir
einen Platz in der höchſten Rangordnung anweiſen ſollen, die 4 einzelnen
Blüthenkreiſe — Kelch, Krone, Staubgefäße und Stempel — in ihren
einzelnen Theilen unabhängig von einander und in klarem Gegenſatz zu
einander ausgebildet und zur Bildung der Blüthe ſo vereinigt ſind, daß
bei dem Verblühen die äußeren drei Kreiſe unabhängig von einander ver-
welkt abfallen und zuletzt der befreiete Stempel allein und unverhüllt ſtehen
bleibt und ſich zur Frucht ausbildet. Mit Berückſichtigung dieſer Auf-
faſſung müſſen wir manche Blüthen und ſomit deren Beſitzer tiefer ſtellen,
welche ſonſt unſerer äſthetiſchen Auffaſſung ſehr hoch zu ſtehen ſcheinen.
An der Roſe ſind nur die Blumenblätter frei, Kelch, Staubgefäße und
Stempel ſind ſo aneinander gebunden, ſo von einander abhängig, daß ſie
zu dem unklaren Gebilde der Hagebutte verſchmelzen.

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[535/0589] kommneren aufſteigende Reihenfolge zuſammenzuſtellen — denn mehr ſind unſere „natürlichen Syſteme des Pflanzenreichs“ nicht — nicht blos in der inneren Aufeinanderfolge der Familien, ſondern auch in der Wahl der Schluß- alſo vollkommenſten Familie von einander abweichen, ſo ſtimmen ſie doch darin überein, derjenigen Familie, welche nach der Linde ihren Namen trägt, eine ſehr hohe Rangordnung anzuweiſen; ja nach L. Reichen- bachs Syſtem, von welchem wir uns die Reihenfolge unſerer Baum- ſchilderung vorſchreiben ließen, iſt die Familie der Lindengewächſe, Tiliaceen, unter denjenigen die am höchſten ſtehende, die vollkommenſte, welche in Deutſchland durch Waldbäume vertreten ſind. Es geſchieht daher aus dieſem Grunde, daß wir der Linde zuletzt unſere Betrachtung widmen, und nicht deshalb, weil ſie von allen unſeren Waldbäumen am meiſten mit dem Gemüthsleben unſeres Volkes verwachſen und daher am meiſten dazu geeignet iſt, unſeren Baumbetrachtungen die Krone aufzuſetzen. Auch dem räumlichen Umfange und der langen Lebensdauer nach wäre die Linde würdig, dieſen Abſchluß zu bilden, obgleich wir ſchon früher uns daran erinnern mußten „daß nicht die Kraft und ſtolze Größe hier als Maaßſtab gilt, ſondern die Vollkommenheit in der Ausprägung der Blüthen- theile“ (S. 357). Und hinſichtlich dieſer Ausprägung gehört die Familie der Lindengewächſe zu denjenigen, bei welchen ſie am vollendetſten iſt. Ein Blick auf eine Lindenblüthe genügt, um uns zu zeigen, daß es dabei nicht auf Glanz der Farbe und Größe und Schönheit der Form ankommen kann. Es kommt vielmehr darauf an, daß an einer Pflanze, welcher wir einen Platz in der höchſten Rangordnung anweiſen ſollen, die 4 einzelnen Blüthenkreiſe — Kelch, Krone, Staubgefäße und Stempel — in ihren einzelnen Theilen unabhängig von einander und in klarem Gegenſatz zu einander ausgebildet und zur Bildung der Blüthe ſo vereinigt ſind, daß bei dem Verblühen die äußeren drei Kreiſe unabhängig von einander ver- welkt abfallen und zuletzt der befreiete Stempel allein und unverhüllt ſtehen bleibt und ſich zur Frucht ausbildet. Mit Berückſichtigung dieſer Auf- faſſung müſſen wir manche Blüthen und ſomit deren Beſitzer tiefer ſtellen, welche ſonſt unſerer äſthetiſchen Auffaſſung ſehr hoch zu ſtehen ſcheinen. An der Roſe ſind nur die Blumenblätter frei, Kelch, Staubgefäße und Stempel ſind ſo aneinander gebunden, ſo von einander abhängig, daß ſie zu dem unklaren Gebilde der Hagebutte verſchmelzen.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/589>, abgerufen am 23.12.2024.