Besonders im dichten Baumwalde stehende Rüstern zeigen an ihren bis ganz tief am Stamme herabstehenden beschatteten Ausschlägen vollständig abweichende Blätter von kaum einen Sechstel Größe der Stammblätter.
Die Rüster kann ein hohes Alter erreichen, obgleich ihre Stamm- stärke wohl oft auf ein höheres Alter deutet, als es wirklich ist, da die Jahrringe selbst im hohen Alter noch ziemlich breit sind. Es giebt Bäume von mehr als 100 Fuß Höhe, die dann wohl 200 -- 250 Jahr alt sein können. Einige leider meist wipfeldürre sehr große Rüstern stehen unweit Leipzig bei dem Kuhthurm, von denen die stärkste reichlich 14par. Fuß Umfang, also über 2 Ellen Durchmesser hat. Die stärkste bekannte Rüster ist wohl die von Hampstead in der Grafschaft Middlesex, welche über der Wurzel 28 F. Umfang hat. Von derjenigen, welche 1796 bei dem Bene- dictinerkloster St. Pons im Languedoc noch stand sagte eine Urkunde, daß 1583 unter ihr dem Grafen von Savoyen Amadeus dem Grünen das Gebiet von Nizza geschenkt wurde. Die Urkunde fängt an: sub Ulmo Sancti Pontii etc. Dies deutet auf ein Alter von wenigstens 500 Jahren, da sie doch 1583 schon ein bemerkenswerther Baum gewesen sein muß.
Von Krankheiten und Feinden leiden die Rüstern wenig. Unser strengster Winter und starke Spätfröste haben höchstens alten freigestellten Bäumen etwas an. Große Hitze und Trockenheit sind ihnen, da ihre tiefgehenden Wurzeln ihre Nahrung aus der Tiefe holen, kaum merklich nachtheilig. Ganz alte Bäume werden zuletzt wipfeldürr. Am lästigsten, aber doch auch ihrem Leben und Gedeihen nicht eigentlich dauernd nach- theilig, werden namentlich sonnig stehenden Rüstern mehrere Blattsauger: Schizoneura lanuginosa Hartig und Tetraneura Ulmi Hartig und andere, welche auf der Oberseite der Blätter die bekannten bis wallnußgroßen Blasen hervorbringen.
Die forstliche Bedeutung der Rüster ist bei der Vorzüglichkeit des Holzes und bei ihrem kräftigen Wuchs und Ausschlagsvermögen sehr groß, namentlich für den gemischten Laubholz-Hochwald. Aber nicht blos für diesen, sondern auch für den Mittel- und Niederwald nimmt die forstliche Behandlung auf sie Rücksicht wiewohl nicht überall nach Verdienst, so daß z. B. Pfeil in seiner hinterlassenen Schrift sagt, daß erst seit neuester Zeit zur Erzielung von Laffettenholz auf die Erziehung der Rüstern, namentlich der Korkrüster mehr Bedacht genommen werden soll.
Beſonders im dichten Baumwalde ſtehende Rüſtern zeigen an ihren bis ganz tief am Stamme herabſtehenden beſchatteten Ausſchlägen vollſtändig abweichende Blätter von kaum einen Sechſtel Größe der Stammblätter.
Die Rüſter kann ein hohes Alter erreichen, obgleich ihre Stamm- ſtärke wohl oft auf ein höheres Alter deutet, als es wirklich iſt, da die Jahrringe ſelbſt im hohen Alter noch ziemlich breit ſind. Es giebt Bäume von mehr als 100 Fuß Höhe, die dann wohl 200 — 250 Jahr alt ſein können. Einige leider meiſt wipfeldürre ſehr große Rüſtern ſtehen unweit Leipzig bei dem Kuhthurm, von denen die ſtärkſte reichlich 14par. Fuß Umfang, alſo über 2 Ellen Durchmeſſer hat. Die ſtärkſte bekannte Rüſter iſt wohl die von Hampſtead in der Grafſchaft Middleſex, welche über der Wurzel 28 F. Umfang hat. Von derjenigen, welche 1796 bei dem Bene- dictinerkloſter St. Pons im Languedoc noch ſtand ſagte eine Urkunde, daß 1583 unter ihr dem Grafen von Savoyen Amadeus dem Grünen das Gebiet von Nizza geſchenkt wurde. Die Urkunde fängt an: sub Ulmo Sancti Pontii etc. Dies deutet auf ein Alter von wenigſtens 500 Jahren, da ſie doch 1583 ſchon ein bemerkenswerther Baum geweſen ſein muß.
Von Krankheiten und Feinden leiden die Rüſtern wenig. Unſer ſtrengſter Winter und ſtarke Spätfröſte haben höchſtens alten freigeſtellten Bäumen etwas an. Große Hitze und Trockenheit ſind ihnen, da ihre tiefgehenden Wurzeln ihre Nahrung aus der Tiefe holen, kaum merklich nachtheilig. Ganz alte Bäume werden zuletzt wipfeldürr. Am läſtigſten, aber doch auch ihrem Leben und Gedeihen nicht eigentlich dauernd nach- theilig, werden namentlich ſonnig ſtehenden Rüſtern mehrere Blattſauger: Schizoneura lanuginosa Hartig und Tetraneura Ulmi Hartig und andere, welche auf der Oberſeite der Blätter die bekannten bis wallnußgroßen Blaſen hervorbringen.
Die forſtliche Bedeutung der Rüſter iſt bei der Vorzüglichkeit des Holzes und bei ihrem kräftigen Wuchs und Ausſchlagsvermögen ſehr groß, namentlich für den gemiſchten Laubholz-Hochwald. Aber nicht blos für dieſen, ſondern auch für den Mittel- und Niederwald nimmt die forſtliche Behandlung auf ſie Rückſicht wiewohl nicht überall nach Verdienſt, ſo daß z. B. Pfeil in ſeiner hinterlaſſenen Schrift ſagt, daß erſt ſeit neueſter Zeit zur Erzielung von Laffettenholz auf die Erziehung der Rüſtern, namentlich der Korkrüſter mehr Bedacht genommen werden ſoll.
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Beſonders im dichten Baumwalde ſtehende Rüſtern zeigen an ihren
bis ganz tief am Stamme herabſtehenden beſchatteten Ausſchlägen vollſtändig
abweichende Blätter von kaum einen Sechſtel Größe der Stammblätter.
Die Rüſter kann ein hohes Alter erreichen, obgleich ihre Stamm-
ſtärke wohl oft auf ein höheres Alter deutet, als es wirklich iſt, da die
Jahrringe ſelbſt im hohen Alter noch ziemlich breit ſind. Es giebt Bäume
von mehr als 100 Fuß Höhe, die dann wohl 200 — 250 Jahr alt ſein
können. Einige leider meiſt wipfeldürre ſehr große Rüſtern ſtehen unweit
Leipzig bei dem Kuhthurm, von denen die ſtärkſte reichlich 14par. Fuß
Umfang, alſo über 2 Ellen Durchmeſſer hat. Die ſtärkſte bekannte Rüſter
iſt wohl die von Hampſtead in der Grafſchaft Middleſex, welche über der
Wurzel 28 F. Umfang hat. Von derjenigen, welche 1796 bei dem Bene-
dictinerkloſter St. Pons im Languedoc noch ſtand ſagte eine Urkunde, daß
1583 unter ihr dem Grafen von Savoyen Amadeus dem Grünen das
Gebiet von Nizza geſchenkt wurde. Die Urkunde fängt an: sub Ulmo
Sancti Pontii etc. Dies deutet auf ein Alter von wenigſtens 500 Jahren,
da ſie doch 1583 ſchon ein bemerkenswerther Baum geweſen ſein muß.
Von Krankheiten und Feinden leiden die Rüſtern wenig. Unſer
ſtrengſter Winter und ſtarke Spätfröſte haben höchſtens alten freigeſtellten
Bäumen etwas an. Große Hitze und Trockenheit ſind ihnen, da ihre
tiefgehenden Wurzeln ihre Nahrung aus der Tiefe holen, kaum merklich
nachtheilig. Ganz alte Bäume werden zuletzt wipfeldürr. Am läſtigſten,
aber doch auch ihrem Leben und Gedeihen nicht eigentlich dauernd nach-
theilig, werden namentlich ſonnig ſtehenden Rüſtern mehrere Blattſauger:
Schizoneura lanuginosa Hartig und Tetraneura Ulmi Hartig und andere,
welche auf der Oberſeite der Blätter die bekannten bis wallnußgroßen
Blaſen hervorbringen.
Die forſtliche Bedeutung der Rüſter iſt bei der Vorzüglichkeit
des Holzes und bei ihrem kräftigen Wuchs und Ausſchlagsvermögen ſehr
groß, namentlich für den gemiſchten Laubholz-Hochwald. Aber nicht blos
für dieſen, ſondern auch für den Mittel- und Niederwald nimmt die
forſtliche Behandlung auf ſie Rückſicht wiewohl nicht überall nach
Verdienſt, ſo daß z. B. Pfeil in ſeiner hinterlaſſenen Schrift ſagt, daß
erſt ſeit neueſter Zeit zur Erzielung von Laffettenholz auf die Erziehung
der Rüſtern, namentlich der Korkrüſter mehr Bedacht genommen werden ſoll.
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/517>, abgerufen am 23.12.2024.
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