Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

kümmern, so erscheinen die langen ruthenförmigen Zweige fast nur an den
Enden beblättert. Die entwicklungsfähigen großen Laub-Knospen stehen
meist nur an der oberen Hälfte der Triebe; sie sind mit einem goldgelben
wohlriechenden Gummiharz überzogen, sind spitzkegelförmig und von den
Schuppen derselben sind die äußersten sehr kurz. Die Blattstielnarbe ist
mehr oder weniger deutlich dreilappig mit 3 Gefäßbündelspuren. Von den
drei Ecken derselben -- besonders deutlich an Stocklohden -- laufen
3 Kanten am Triebe herab (S. 63. F. IV. 3.). Die Triebe haben
ein sehr deutlich fünfeckiges Mark und eine schmutzigockergelbe Rinde.

Der Stamm ist anfänglich ziemlich glatt und grau berindet, bekommt
jedoch an alten Bäumen eine sehr starke tief- und grobrissige Borkenrinde,
welche der alten Eiche sehr nahe kommt, aber etwas heller aussieht. Der
nicht selten bis 3 Fuß und darüber starke Stamm schickt, und oft erst in
bedeutender Höhe, meist nur wenige mächtige, nur wenig gebogene, oft
sogar sehr gerade Aeste aus, welche weit ausgreifen und eine große Fläche
beschirmen. Diese Hauptäste zertheilen sich meist nur an ihrer oberen
Hälfte in zahlreichere, ebenfalls wenig gekrümmte Zweige, welche sich ebenso
in nur leicht gebogenes Gezweig von langen schlanken Trieben auflösen.
Die Schwarzpappel ist überhaupt derjenige deutsche Laubholzbaum, welcher
die lockerste, weitschweifigste und durchsichtigste Krone hat; letztere Eigen-
schaft wenigstens insofern, als man unten am Stamm stehend die innere
Gliederung der Krone klar überschaut. Hierin übertrifft sie sogar die
Eiche, von der auf S. 386 diese Eigenschaft hervorgehoben wurde. Da-
durch, daß die Laubknospen sich vorzugsweise an den Spitzen der Triebe
zusammendrängen gewinnt die feine Verästelung etwas Abgestuftes, Quirl-
oder Straußförmiges, wodurch es den Krähen außerordentlich leicht gemacht
wird, ihr großes aus Reisig ziemlich locker zusammengefügtes Nest da-
zwischen anzubringen. In einem Theile der schönen Promenaden Leipzigs
stehen kolossale Schwarz- und Silberpappeln in Mehrzahl beisammen,
aber ausschließend auf jenen nisten hunderte von Saatkrähen und belästigen
mit ihrem ohrenzerreißenden Gekrächz die Bewohner der dicht dabei
liegenden Häuser.

Trotz dieser lockeren Verzweigung ist die Krone der Schwarzpappel
nicht arm, sondern wenigstens in ihrer oberen Hälfte dicht und schattig,
wozu die an den Spitzen der Triebe dicht zusammengedrängten großen

29*

kümmern, ſo erſcheinen die langen ruthenförmigen Zweige faſt nur an den
Enden beblättert. Die entwicklungsfähigen großen Laub-Knospen ſtehen
meiſt nur an der oberen Hälfte der Triebe; ſie ſind mit einem goldgelben
wohlriechenden Gummiharz überzogen, ſind ſpitzkegelförmig und von den
Schuppen derſelben ſind die äußerſten ſehr kurz. Die Blattſtielnarbe iſt
mehr oder weniger deutlich dreilappig mit 3 Gefäßbündelſpuren. Von den
drei Ecken derſelben — beſonders deutlich an Stocklohden — laufen
3 Kanten am Triebe herab (S. 63. F. IV. 3.). Die Triebe haben
ein ſehr deutlich fünfeckiges Mark und eine ſchmutzigockergelbe Rinde.

Der Stamm iſt anfänglich ziemlich glatt und grau berindet, bekommt
jedoch an alten Bäumen eine ſehr ſtarke tief- und grobriſſige Borkenrinde,
welche der alten Eiche ſehr nahe kommt, aber etwas heller ausſieht. Der
nicht ſelten bis 3 Fuß und darüber ſtarke Stamm ſchickt, und oft erſt in
bedeutender Höhe, meiſt nur wenige mächtige, nur wenig gebogene, oft
ſogar ſehr gerade Aeſte aus, welche weit ausgreifen und eine große Fläche
beſchirmen. Dieſe Hauptäſte zertheilen ſich meiſt nur an ihrer oberen
Hälfte in zahlreichere, ebenfalls wenig gekrümmte Zweige, welche ſich ebenſo
in nur leicht gebogenes Gezweig von langen ſchlanken Trieben auflöſen.
Die Schwarzpappel iſt überhaupt derjenige deutſche Laubholzbaum, welcher
die lockerſte, weitſchweifigſte und durchſichtigſte Krone hat; letztere Eigen-
ſchaft wenigſtens inſofern, als man unten am Stamm ſtehend die innere
Gliederung der Krone klar überſchaut. Hierin übertrifft ſie ſogar die
Eiche, von der auf S. 386 dieſe Eigenſchaft hervorgehoben wurde. Da-
durch, daß die Laubknospen ſich vorzugsweiſe an den Spitzen der Triebe
zuſammendrängen gewinnt die feine Veräſtelung etwas Abgeſtuftes, Quirl-
oder Straußförmiges, wodurch es den Krähen außerordentlich leicht gemacht
wird, ihr großes aus Reiſig ziemlich locker zuſammengefügtes Neſt da-
zwiſchen anzubringen. In einem Theile der ſchönen Promenaden Leipzigs
ſtehen koloſſale Schwarz- und Silberpappeln in Mehrzahl beiſammen,
aber ausſchließend auf jenen niſten hunderte von Saatkrähen und beläſtigen
mit ihrem ohrenzerreißenden Gekrächz die Bewohner der dicht dabei
liegenden Häuſer.

Trotz dieſer lockeren Verzweigung iſt die Krone der Schwarzpappel
nicht arm, ſondern wenigſtens in ihrer oberen Hälfte dicht und ſchattig,
wozu die an den Spitzen der Triebe dicht zuſammengedrängten großen

29*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0497" n="451"/>
kümmern, &#x017F;o er&#x017F;cheinen die langen ruthenförmigen Zweige fa&#x017F;t nur an den<lb/>
Enden beblättert. Die entwicklungsfähigen großen <hi rendition="#g">Laub-Knospen</hi> &#x017F;tehen<lb/>
mei&#x017F;t nur an der oberen Hälfte der Triebe; &#x017F;ie &#x017F;ind mit einem goldgelben<lb/>
wohlriechenden Gummiharz überzogen, &#x017F;ind &#x017F;pitzkegelförmig und von den<lb/>
Schuppen der&#x017F;elben &#x017F;ind die äußer&#x017F;ten &#x017F;ehr kurz. Die Blatt&#x017F;tielnarbe i&#x017F;t<lb/>
mehr oder weniger deutlich dreilappig mit 3 Gefäßbündel&#x017F;puren. Von den<lb/>
drei Ecken der&#x017F;elben &#x2014; be&#x017F;onders deutlich an Stocklohden &#x2014; laufen<lb/>
3 Kanten am Triebe herab (S. 63. F. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 3.). Die <hi rendition="#g">Triebe</hi> haben<lb/>
ein &#x017F;ehr deutlich fünfeckiges Mark und eine &#x017F;chmutzigockergelbe Rinde.</p><lb/>
              <p>Der <hi rendition="#g">Stamm</hi> i&#x017F;t anfänglich ziemlich glatt und grau berindet, bekommt<lb/>
jedoch an alten Bäumen eine &#x017F;ehr &#x017F;tarke tief- und grobri&#x017F;&#x017F;ige Borkenrinde,<lb/>
welche der alten Eiche &#x017F;ehr nahe kommt, aber etwas heller aus&#x017F;ieht. Der<lb/>
nicht &#x017F;elten bis 3 Fuß und darüber &#x017F;tarke Stamm &#x017F;chickt, und oft er&#x017F;t in<lb/>
bedeutender Höhe, mei&#x017F;t nur wenige mächtige, nur wenig gebogene, oft<lb/>
&#x017F;ogar &#x017F;ehr gerade Ae&#x017F;te aus, welche weit ausgreifen und eine große Fläche<lb/>
be&#x017F;chirmen. Die&#x017F;e Hauptä&#x017F;te zertheilen &#x017F;ich mei&#x017F;t nur an ihrer oberen<lb/>
Hälfte in zahlreichere, ebenfalls wenig gekrümmte Zweige, welche &#x017F;ich eben&#x017F;o<lb/>
in nur leicht gebogenes Gezweig von langen &#x017F;chlanken Trieben auflö&#x017F;en.<lb/>
Die Schwarzpappel i&#x017F;t überhaupt derjenige deut&#x017F;che Laubholzbaum, welcher<lb/>
die locker&#x017F;te, weit&#x017F;chweifig&#x017F;te und durch&#x017F;ichtig&#x017F;te Krone hat; letztere Eigen-<lb/>
&#x017F;chaft wenig&#x017F;tens in&#x017F;ofern, als man unten am Stamm &#x017F;tehend die innere<lb/>
Gliederung der Krone klar über&#x017F;chaut. Hierin übertrifft &#x017F;ie &#x017F;ogar die<lb/>
Eiche, von der auf S. 386 die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaft hervorgehoben wurde. Da-<lb/>
durch, daß die Laubknospen &#x017F;ich vorzugswei&#x017F;e an den Spitzen der Triebe<lb/>
zu&#x017F;ammendrängen gewinnt die feine Verä&#x017F;telung etwas Abge&#x017F;tuftes, Quirl-<lb/>
oder Straußförmiges, wodurch es den Krähen außerordentlich leicht gemacht<lb/>
wird, ihr großes aus Rei&#x017F;ig ziemlich locker zu&#x017F;ammengefügtes Ne&#x017F;t da-<lb/>
zwi&#x017F;chen anzubringen. In einem Theile der &#x017F;chönen Promenaden Leipzigs<lb/>
&#x017F;tehen kolo&#x017F;&#x017F;ale Schwarz- und Silberpappeln in Mehrzahl bei&#x017F;ammen,<lb/>
aber aus&#x017F;chließend auf jenen ni&#x017F;ten hunderte von Saatkrähen und belä&#x017F;tigen<lb/>
mit ihrem ohrenzerreißenden Gekrächz die Bewohner der dicht dabei<lb/>
liegenden Häu&#x017F;er.</p><lb/>
              <p>Trotz die&#x017F;er lockeren Verzweigung i&#x017F;t die <hi rendition="#g">Krone</hi> der Schwarzpappel<lb/>
nicht arm, &#x017F;ondern wenig&#x017F;tens in ihrer oberen Hälfte dicht und &#x017F;chattig,<lb/>
wozu die an den Spitzen der Triebe dicht zu&#x017F;ammengedrängten großen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">29*</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[451/0497] kümmern, ſo erſcheinen die langen ruthenförmigen Zweige faſt nur an den Enden beblättert. Die entwicklungsfähigen großen Laub-Knospen ſtehen meiſt nur an der oberen Hälfte der Triebe; ſie ſind mit einem goldgelben wohlriechenden Gummiharz überzogen, ſind ſpitzkegelförmig und von den Schuppen derſelben ſind die äußerſten ſehr kurz. Die Blattſtielnarbe iſt mehr oder weniger deutlich dreilappig mit 3 Gefäßbündelſpuren. Von den drei Ecken derſelben — beſonders deutlich an Stocklohden — laufen 3 Kanten am Triebe herab (S. 63. F. IV. 3.). Die Triebe haben ein ſehr deutlich fünfeckiges Mark und eine ſchmutzigockergelbe Rinde. Der Stamm iſt anfänglich ziemlich glatt und grau berindet, bekommt jedoch an alten Bäumen eine ſehr ſtarke tief- und grobriſſige Borkenrinde, welche der alten Eiche ſehr nahe kommt, aber etwas heller ausſieht. Der nicht ſelten bis 3 Fuß und darüber ſtarke Stamm ſchickt, und oft erſt in bedeutender Höhe, meiſt nur wenige mächtige, nur wenig gebogene, oft ſogar ſehr gerade Aeſte aus, welche weit ausgreifen und eine große Fläche beſchirmen. Dieſe Hauptäſte zertheilen ſich meiſt nur an ihrer oberen Hälfte in zahlreichere, ebenfalls wenig gekrümmte Zweige, welche ſich ebenſo in nur leicht gebogenes Gezweig von langen ſchlanken Trieben auflöſen. Die Schwarzpappel iſt überhaupt derjenige deutſche Laubholzbaum, welcher die lockerſte, weitſchweifigſte und durchſichtigſte Krone hat; letztere Eigen- ſchaft wenigſtens inſofern, als man unten am Stamm ſtehend die innere Gliederung der Krone klar überſchaut. Hierin übertrifft ſie ſogar die Eiche, von der auf S. 386 dieſe Eigenſchaft hervorgehoben wurde. Da- durch, daß die Laubknospen ſich vorzugsweiſe an den Spitzen der Triebe zuſammendrängen gewinnt die feine Veräſtelung etwas Abgeſtuftes, Quirl- oder Straußförmiges, wodurch es den Krähen außerordentlich leicht gemacht wird, ihr großes aus Reiſig ziemlich locker zuſammengefügtes Neſt da- zwiſchen anzubringen. In einem Theile der ſchönen Promenaden Leipzigs ſtehen koloſſale Schwarz- und Silberpappeln in Mehrzahl beiſammen, aber ausſchließend auf jenen niſten hunderte von Saatkrähen und beläſtigen mit ihrem ohrenzerreißenden Gekrächz die Bewohner der dicht dabei liegenden Häuſer. Trotz dieſer lockeren Verzweigung iſt die Krone der Schwarzpappel nicht arm, ſondern wenigſtens in ihrer oberen Hälfte dicht und ſchattig, wozu die an den Spitzen der Triebe dicht zuſammengedrängten großen 29*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/497
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/497>, abgerufen am 23.12.2024.