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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Auenwäldern in Gesellschaft der langsam wachsenden Eiche einen kurz-
schaftigen weitästigen Wuchs zeigt.

Der Hornbaum trägt sehr frühzeitig und reichlich Samen, namentlich
an solchen Stämmen, welche aus Stockausschlägen erwachsen sind. In
reichen Samenjahren geben die zahlreichen bis 2 Zoll langen männlichen
Blüthenkätzchen dem Baum wegen ihrer gelbbraunen Schuppenfarbe ein
eigenthümliches Kolorit. Ebenso verleihen später die zahllosen Frucht-
trauben der Krone ein krauses Ansehen, indem die Blätter davon fast
verdeckt werden. Der Same reift erst Ende Oktober und die wegen der
langen dreilappigen Deckschuppen sehr ins Auge fallenden Fruchttrauben
lösen sich meist erst sehr spät ab. Der Same geht, wenn er gleich nach
der Reife gesäet wird, zwar oft im folgenden Frühjahr auf, meist aber
"liegt er über", d. h. keimt erst im zweiten Frühjahr, daher die sofortige
Herbstsaat vorzuziehen ist. Spätfröste scheinen den jungen Trieben kaum
etwas anzuhaben, wie auch der Hornbaum überhaupt von Krankheiten und
Feinden kaum zu leiden hat. Auf felsigem Boden findet man zuweilen
ganz ausgefaulte äußerlich ganz gesund scheinende Stämme. Das verfaulte
Holz ist aber aus solchen so vollständig beseitigt, daß sie hohle inwendig
geschwärzte Röhren von oft kaum 2 Zoll Wandungsdicke sind. Besonders
ausgezeichnet ist der Hornbaum durch sein unverwüstliches Ausschlags-
vermögen, sowohl aus dem Stocke wie aus dem Stamme. Da aus der
Rinde leicht Adventivwurzeln (S. 120) hervortreten, so läßt sich der
Hornbaum auch leicht durch Senker vermehren. In Niederwald bilden
sich durch niederliegende Stockausschläge, die mit verfaulendem Laub über-
deckt werden, leicht natürliche Senker. An jüngeren noch buschigen ge-
deihlich stehenden Bäumen findet man im Sommer sehr häufig die auf
S. 81 besprochene Anticipation der Knospen. Sein Lebensalter kann
der Hornbaum unter günstigen Verhältnissen wohl auf 300--400 Jahre
bringen, während er auf trocknen und heißen Standorten bei 80 bis
100 Jahren zurückgeht und abstirbt.

Der Frühjahrssaft-Strom (S. 106) ist im Hornbaum ganz besonders
heftig und reichlich, so daß man zur Zeit der lebhaftesten Bewegung des-
selben aus noch nicht abgestorbenen Aststummeln einen bis federkieldicken
ununterbrochen rinnenden Quell austräufeln sieht und schon von weitem
fallen hört.

Auenwäldern in Geſellſchaft der langſam wachſenden Eiche einen kurz-
ſchaftigen weitäſtigen Wuchs zeigt.

Der Hornbaum trägt ſehr frühzeitig und reichlich Samen, namentlich
an ſolchen Stämmen, welche aus Stockausſchlägen erwachſen ſind. In
reichen Samenjahren geben die zahlreichen bis 2 Zoll langen männlichen
Blüthenkätzchen dem Baum wegen ihrer gelbbraunen Schuppenfarbe ein
eigenthümliches Kolorit. Ebenſo verleihen ſpäter die zahlloſen Frucht-
trauben der Krone ein krauſes Anſehen, indem die Blätter davon faſt
verdeckt werden. Der Same reift erſt Ende Oktober und die wegen der
langen dreilappigen Deckſchuppen ſehr ins Auge fallenden Fruchttrauben
löſen ſich meiſt erſt ſehr ſpät ab. Der Same geht, wenn er gleich nach
der Reife geſäet wird, zwar oft im folgenden Frühjahr auf, meiſt aber
„liegt er über“, d. h. keimt erſt im zweiten Frühjahr, daher die ſofortige
Herbſtſaat vorzuziehen iſt. Spätfröſte ſcheinen den jungen Trieben kaum
etwas anzuhaben, wie auch der Hornbaum überhaupt von Krankheiten und
Feinden kaum zu leiden hat. Auf felſigem Boden findet man zuweilen
ganz ausgefaulte äußerlich ganz geſund ſcheinende Stämme. Das verfaulte
Holz iſt aber aus ſolchen ſo vollſtändig beſeitigt, daß ſie hohle inwendig
geſchwärzte Röhren von oft kaum 2 Zoll Wandungsdicke ſind. Beſonders
ausgezeichnet iſt der Hornbaum durch ſein unverwüſtliches Ausſchlags-
vermögen, ſowohl aus dem Stocke wie aus dem Stamme. Da aus der
Rinde leicht Adventivwurzeln (S. 120) hervortreten, ſo läßt ſich der
Hornbaum auch leicht durch Senker vermehren. In Niederwald bilden
ſich durch niederliegende Stockausſchläge, die mit verfaulendem Laub über-
deckt werden, leicht natürliche Senker. An jüngeren noch buſchigen ge-
deihlich ſtehenden Bäumen findet man im Sommer ſehr häufig die auf
S. 81 beſprochene Anticipation der Knospen. Sein Lebensalter kann
der Hornbaum unter günſtigen Verhältniſſen wohl auf 300—400 Jahre
bringen, während er auf trocknen und heißen Standorten bei 80 bis
100 Jahren zurückgeht und abſtirbt.

Der Frühjahrsſaft-Strom (S. 106) iſt im Hornbaum ganz beſonders
heftig und reichlich, ſo daß man zur Zeit der lebhafteſten Bewegung des-
ſelben aus noch nicht abgeſtorbenen Aſtſtummeln einen bis federkieldicken
ununterbrochen rinnenden Quell austräufeln ſieht und ſchon von weitem
fallen hört.

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[412/0452] Auenwäldern in Geſellſchaft der langſam wachſenden Eiche einen kurz- ſchaftigen weitäſtigen Wuchs zeigt. Der Hornbaum trägt ſehr frühzeitig und reichlich Samen, namentlich an ſolchen Stämmen, welche aus Stockausſchlägen erwachſen ſind. In reichen Samenjahren geben die zahlreichen bis 2 Zoll langen männlichen Blüthenkätzchen dem Baum wegen ihrer gelbbraunen Schuppenfarbe ein eigenthümliches Kolorit. Ebenſo verleihen ſpäter die zahlloſen Frucht- trauben der Krone ein krauſes Anſehen, indem die Blätter davon faſt verdeckt werden. Der Same reift erſt Ende Oktober und die wegen der langen dreilappigen Deckſchuppen ſehr ins Auge fallenden Fruchttrauben löſen ſich meiſt erſt ſehr ſpät ab. Der Same geht, wenn er gleich nach der Reife geſäet wird, zwar oft im folgenden Frühjahr auf, meiſt aber „liegt er über“, d. h. keimt erſt im zweiten Frühjahr, daher die ſofortige Herbſtſaat vorzuziehen iſt. Spätfröſte ſcheinen den jungen Trieben kaum etwas anzuhaben, wie auch der Hornbaum überhaupt von Krankheiten und Feinden kaum zu leiden hat. Auf felſigem Boden findet man zuweilen ganz ausgefaulte äußerlich ganz geſund ſcheinende Stämme. Das verfaulte Holz iſt aber aus ſolchen ſo vollſtändig beſeitigt, daß ſie hohle inwendig geſchwärzte Röhren von oft kaum 2 Zoll Wandungsdicke ſind. Beſonders ausgezeichnet iſt der Hornbaum durch ſein unverwüſtliches Ausſchlags- vermögen, ſowohl aus dem Stocke wie aus dem Stamme. Da aus der Rinde leicht Adventivwurzeln (S. 120) hervortreten, ſo läßt ſich der Hornbaum auch leicht durch Senker vermehren. In Niederwald bilden ſich durch niederliegende Stockausſchläge, die mit verfaulendem Laub über- deckt werden, leicht natürliche Senker. An jüngeren noch buſchigen ge- deihlich ſtehenden Bäumen findet man im Sommer ſehr häufig die auf S. 81 beſprochene Anticipation der Knospen. Sein Lebensalter kann der Hornbaum unter günſtigen Verhältniſſen wohl auf 300—400 Jahre bringen, während er auf trocknen und heißen Standorten bei 80 bis 100 Jahren zurückgeht und abſtirbt. Der Frühjahrsſaft-Strom (S. 106) iſt im Hornbaum ganz beſonders heftig und reichlich, ſo daß man zur Zeit der lebhafteſten Bewegung des- ſelben aus noch nicht abgeſtorbenen Aſtſtummeln einen bis federkieldicken ununterbrochen rinnenden Quell austräufeln ſieht und ſchon von weitem fallen hört.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/452>, abgerufen am 26.11.2024.