emancipiren und zum Theil auf Kosten des Stockes, ihrer Nährmutter, selbstständige Bäume werden, so entsteht ein Mittelwald, das heißt eine Vermischung von sehr weitläufig stehenden Bäumen und Buschholz (Stockausschlag).
Während die Nadelhölzer, vor allen die Fichte, sich sehr zur Er- ziehung reiner, d. h. nur aus Einer Nadelholzart allein bestehender Bestände von großem Umfange eignen, so sind diese bei den Laubhölzern eine Seltenheit. Am meisten scheinen noch die Buche und Eiche Unver- mischtheit zu vertragen, obgleich es jetzt wohl selbst bei diesen, wenigstens bei der Eiche, nur noch selten vorkommt, sie in reinen Beständen zu erziehen, nachdem man die mancherlei Vortheile erkannt hat, welche gemischte Be- stände vor reinen voraus haben. Aber die größere Anzahl der Laub- hölzer und die daher auch größere Manchfaltigkeit ihres Verhaltens zu der Bodenbeschaffenheit bringt es mit sich, daß einige Laubholzarten in auffallender Weise die Begleiter oder vielmehr Bewohner einer gewissen Bodenbeschaffenheit sind, woraus sich sehr häufig kleine ja sogar zuweilen ausgedehntere reine Bestände eines oder des andern Laubholzes ergeben, die dann freilich meist nicht in den eigentlichen Bereich des Waldes fallen. Wer weiß nicht, daß die Erle der Baum des quelligen Bruch- bodens ist, daß der Weiden zahlloses Heer der Flußniederung große Strecken abgewinnt? Auch die genügsame Birke liebt es, sich in Ge- meinschaft allein anzusiedeln und nur die Kiefer ist anspruchslos genug, um das kärgliche Bodenmahl mit ihr zu theilen.
Beide, Birke und Kiefer, lernten wir auch bereits als die obersten Bergvorposten des Baumlebens kennen. Der Mehrzahl nach sind die Laubhölzer aber mehr Bewohner der Ebene und manche Arten machen selbst hier noch ganz ungewöhnliche Ansprüche an die Behaglichkeit des Lebens. Gewisse Laubhölzer aus der Familie der Kernobstbäume sind fast nur das Vorrecht der Waldungen der Ebenen und Vorberge Süd- deutschlands und gehen nur sehr vereinzelt über die trennende Schwelle des Deutschland ungefähr in der Mitte von Ost nach West durchziehenden Gebirgsrückens hinaus.
Manche Laubhölzer zeigen aber auch recht ersichtlich, daß eine gewisse Seehöhe ihnen ersetzt werden kann durch ein größeres Vorrücken nach Norden oder vielleicht selbst durch die Meeresnähe. Dies ist ganz be-
emancipiren und zum Theil auf Koſten des Stockes, ihrer Nährmutter, ſelbſtſtändige Bäume werden, ſo entſteht ein Mittelwald, das heißt eine Vermiſchung von ſehr weitläufig ſtehenden Bäumen und Buſchholz (Stockausſchlag).
Während die Nadelhölzer, vor allen die Fichte, ſich ſehr zur Er- ziehung reiner, d. h. nur aus Einer Nadelholzart allein beſtehender Beſtände von großem Umfange eignen, ſo ſind dieſe bei den Laubhölzern eine Seltenheit. Am meiſten ſcheinen noch die Buche und Eiche Unver- miſchtheit zu vertragen, obgleich es jetzt wohl ſelbſt bei dieſen, wenigſtens bei der Eiche, nur noch ſelten vorkommt, ſie in reinen Beſtänden zu erziehen, nachdem man die mancherlei Vortheile erkannt hat, welche gemiſchte Be- ſtände vor reinen voraus haben. Aber die größere Anzahl der Laub- hölzer und die daher auch größere Manchfaltigkeit ihres Verhaltens zu der Bodenbeſchaffenheit bringt es mit ſich, daß einige Laubholzarten in auffallender Weiſe die Begleiter oder vielmehr Bewohner einer gewiſſen Bodenbeſchaffenheit ſind, woraus ſich ſehr häufig kleine ja ſogar zuweilen ausgedehntere reine Beſtände eines oder des andern Laubholzes ergeben, die dann freilich meiſt nicht in den eigentlichen Bereich des Waldes fallen. Wer weiß nicht, daß die Erle der Baum des quelligen Bruch- bodens iſt, daß der Weiden zahlloſes Heer der Flußniederung große Strecken abgewinnt? Auch die genügſame Birke liebt es, ſich in Ge- meinſchaft allein anzuſiedeln und nur die Kiefer iſt anſpruchslos genug, um das kärgliche Bodenmahl mit ihr zu theilen.
Beide, Birke und Kiefer, lernten wir auch bereits als die oberſten Bergvorpoſten des Baumlebens kennen. Der Mehrzahl nach ſind die Laubhölzer aber mehr Bewohner der Ebene und manche Arten machen ſelbſt hier noch ganz ungewöhnliche Anſprüche an die Behaglichkeit des Lebens. Gewiſſe Laubhölzer aus der Familie der Kernobſtbäume ſind faſt nur das Vorrecht der Waldungen der Ebenen und Vorberge Süd- deutſchlands und gehen nur ſehr vereinzelt über die trennende Schwelle des Deutſchland ungefähr in der Mitte von Oſt nach Weſt durchziehenden Gebirgsrückens hinaus.
Manche Laubhölzer zeigen aber auch recht erſichtlich, daß eine gewiſſe Seehöhe ihnen erſetzt werden kann durch ein größeres Vorrücken nach Norden oder vielleicht ſelbſt durch die Meeresnähe. Dies iſt ganz be-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0393"n="359"/>
emancipiren und zum Theil auf Koſten des Stockes, ihrer Nährmutter,<lb/>ſelbſtſtändige Bäume werden, ſo entſteht ein Mittelwald, das heißt<lb/>
eine Vermiſchung von ſehr weitläufig ſtehenden Bäumen und Buſchholz<lb/>
(Stockausſchlag).</p><lb/><p>Während die Nadelhölzer, vor allen die Fichte, ſich ſehr zur Er-<lb/>
ziehung <hirendition="#g">reiner</hi>, d. h. nur aus Einer Nadelholzart allein beſtehender<lb/><hirendition="#g">Beſtände</hi> von großem Umfange eignen, ſo ſind dieſe bei den Laubhölzern<lb/>
eine Seltenheit. Am meiſten ſcheinen noch die Buche und Eiche Unver-<lb/>
miſchtheit zu vertragen, obgleich es jetzt wohl ſelbſt bei dieſen, wenigſtens bei<lb/>
der Eiche, nur noch ſelten vorkommt, ſie in reinen Beſtänden zu erziehen,<lb/>
nachdem man die mancherlei Vortheile erkannt hat, welche gemiſchte Be-<lb/>ſtände vor reinen voraus haben. Aber die größere Anzahl der Laub-<lb/>
hölzer und die daher auch größere Manchfaltigkeit ihres Verhaltens zu<lb/>
der Bodenbeſchaffenheit bringt es mit ſich, daß einige Laubholzarten in<lb/>
auffallender Weiſe die Begleiter oder vielmehr Bewohner einer gewiſſen<lb/>
Bodenbeſchaffenheit ſind, woraus ſich ſehr häufig kleine ja ſogar zuweilen<lb/>
ausgedehntere reine Beſtände eines oder des andern Laubholzes ergeben,<lb/>
die dann freilich meiſt nicht in den eigentlichen Bereich des Waldes<lb/>
fallen. Wer weiß nicht, daß die Erle der Baum des quelligen Bruch-<lb/>
bodens iſt, daß der Weiden zahlloſes Heer der Flußniederung große<lb/>
Strecken abgewinnt? Auch die genügſame Birke liebt es, ſich in Ge-<lb/>
meinſchaft allein anzuſiedeln und nur die Kiefer iſt anſpruchslos genug,<lb/>
um das kärgliche Bodenmahl mit ihr zu theilen.</p><lb/><p>Beide, Birke und Kiefer, lernten wir auch bereits als die oberſten<lb/>
Bergvorpoſten des Baumlebens kennen. Der Mehrzahl nach ſind die<lb/>
Laubhölzer aber mehr Bewohner der Ebene und manche Arten machen<lb/>ſelbſt hier noch ganz ungewöhnliche Anſprüche an die Behaglichkeit des<lb/>
Lebens. Gewiſſe Laubhölzer aus der Familie der Kernobſtbäume ſind<lb/>
faſt nur das Vorrecht der Waldungen der Ebenen und Vorberge Süd-<lb/>
deutſchlands und gehen nur ſehr vereinzelt über die trennende Schwelle<lb/>
des Deutſchland ungefähr in der Mitte von Oſt nach Weſt durchziehenden<lb/>
Gebirgsrückens hinaus.</p><lb/><p>Manche Laubhölzer zeigen aber auch recht erſichtlich, daß eine gewiſſe<lb/>
Seehöhe ihnen erſetzt werden kann durch ein größeres Vorrücken nach<lb/>
Norden oder vielleicht ſelbſt durch die Meeresnähe. Dies iſt ganz be-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[359/0393]
emancipiren und zum Theil auf Koſten des Stockes, ihrer Nährmutter,
ſelbſtſtändige Bäume werden, ſo entſteht ein Mittelwald, das heißt
eine Vermiſchung von ſehr weitläufig ſtehenden Bäumen und Buſchholz
(Stockausſchlag).
Während die Nadelhölzer, vor allen die Fichte, ſich ſehr zur Er-
ziehung reiner, d. h. nur aus Einer Nadelholzart allein beſtehender
Beſtände von großem Umfange eignen, ſo ſind dieſe bei den Laubhölzern
eine Seltenheit. Am meiſten ſcheinen noch die Buche und Eiche Unver-
miſchtheit zu vertragen, obgleich es jetzt wohl ſelbſt bei dieſen, wenigſtens bei
der Eiche, nur noch ſelten vorkommt, ſie in reinen Beſtänden zu erziehen,
nachdem man die mancherlei Vortheile erkannt hat, welche gemiſchte Be-
ſtände vor reinen voraus haben. Aber die größere Anzahl der Laub-
hölzer und die daher auch größere Manchfaltigkeit ihres Verhaltens zu
der Bodenbeſchaffenheit bringt es mit ſich, daß einige Laubholzarten in
auffallender Weiſe die Begleiter oder vielmehr Bewohner einer gewiſſen
Bodenbeſchaffenheit ſind, woraus ſich ſehr häufig kleine ja ſogar zuweilen
ausgedehntere reine Beſtände eines oder des andern Laubholzes ergeben,
die dann freilich meiſt nicht in den eigentlichen Bereich des Waldes
fallen. Wer weiß nicht, daß die Erle der Baum des quelligen Bruch-
bodens iſt, daß der Weiden zahlloſes Heer der Flußniederung große
Strecken abgewinnt? Auch die genügſame Birke liebt es, ſich in Ge-
meinſchaft allein anzuſiedeln und nur die Kiefer iſt anſpruchslos genug,
um das kärgliche Bodenmahl mit ihr zu theilen.
Beide, Birke und Kiefer, lernten wir auch bereits als die oberſten
Bergvorpoſten des Baumlebens kennen. Der Mehrzahl nach ſind die
Laubhölzer aber mehr Bewohner der Ebene und manche Arten machen
ſelbſt hier noch ganz ungewöhnliche Anſprüche an die Behaglichkeit des
Lebens. Gewiſſe Laubhölzer aus der Familie der Kernobſtbäume ſind
faſt nur das Vorrecht der Waldungen der Ebenen und Vorberge Süd-
deutſchlands und gehen nur ſehr vereinzelt über die trennende Schwelle
des Deutſchland ungefähr in der Mitte von Oſt nach Weſt durchziehenden
Gebirgsrückens hinaus.
Manche Laubhölzer zeigen aber auch recht erſichtlich, daß eine gewiſſe
Seehöhe ihnen erſetzt werden kann durch ein größeres Vorrücken nach
Norden oder vielleicht ſelbſt durch die Meeresnähe. Dies iſt ganz be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/393>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.