zu ersehen, daß an einigen Orten der Ostseeküste die Fichte auf den sandigen Dünen gut gedeiht, was nur durch die Feuchtigkeit der See- winde bedingt sein kann.
Die Verbreitung ist sowohl in der Höhe wie in der Fläche sehr bestimmt charakerisirt. Die Fichte kommt als Ebenenbaum erst in Nord- ostdeutschland, namentlich in der Niederlausitz, Schlesien, Ostpreußen und jenseit der Weichsel vor, mehr südlich und westlich ist sie Gebirgsbaum und steigt hier, namentlich in den Alpen, bis zur Knieholzregion hinauf. In unseren deutschen Mittelgebirgen, Harz, Erzgebirge, Böhmerwald u. s. w. ist sie der herrschende Baum und bildet daselbst reine Bestände von großer Ausdehnung. In solchen wird, wenn sie einen dichten Schluß haben, der Schaft sehr "vollholzig", d. h. der Walzenform nahe kommend, nach der Spitze hin weniger abfallend, während freier stehende Fichten mehr "abholzig" sind, d. h. einen nach oben stärker abfallenden, also mehr kegelförmigen Schaft erhalten. Außerhalb Deutschland ist die Fichte nicht so weit verbreitet wie die Kiefer, da sie weder große Wärme noch eine niedrigere als + 1° betragende mittle Jahrestemperatur ver- tragen kann.
Das Leben der Fichte vom Aufkeimen an bis zum höchsten Alter zeigt mancherlei Eigenthümlichkeiten, die bei ihrer forstlichen Behandlung zum Theil sehr maaßgebend sind. Obgleich ein eingeborener deutscher Baum leidet sie doch selbst durch geringe Spätfröste, indem ihre Anfang Mai austretenden jungen gelbgrünen sehr vollsaftigen Triebe oft er- frieren. Die Knospenschuppen fallen, nachdem die Triebe hervorgetreten sind, nicht wie bei der Kiefer ab, sondern bleiben zurückgekrümmt stehen und umfassen als ein zierliches Körbchen den Grund des Triebes. In der ersten Jugend werden die Fichtenpflänzchen leicht durch den Gras- wuchs erdrückt, so daß man aus diesem Grunde wenigstens keine Vollsaat, sondern nur Plätze- und Riefensaat anwenden kann und noch besser, wenn man nicht gar zu große Flächen zu kultiviren hat, Pflanzung vorzieht.
Wenn der Boden nicht ungewöhnlich fruchtbar ist, kommen die jungen Fichten vor dem 4.--6. Jahre nach der Pflanzung nicht recht zu einen entschiedenen Längenwachsthum, dann aber tritt meist ein sehr auffallender Längenwuchs ein, so daß der Herztrieb nicht selten das Drei- bis Vier-
zu erſehen, daß an einigen Orten der Oſtſeeküſte die Fichte auf den ſandigen Dünen gut gedeiht, was nur durch die Feuchtigkeit der See- winde bedingt ſein kann.
Die Verbreitung iſt ſowohl in der Höhe wie in der Fläche ſehr beſtimmt charakeriſirt. Die Fichte kommt als Ebenenbaum erſt in Nord- oſtdeutſchland, namentlich in der Niederlauſitz, Schleſien, Oſtpreußen und jenſeit der Weichſel vor, mehr ſüdlich und weſtlich iſt ſie Gebirgsbaum und ſteigt hier, namentlich in den Alpen, bis zur Knieholzregion hinauf. In unſeren deutſchen Mittelgebirgen, Harz, Erzgebirge, Böhmerwald u. ſ. w. iſt ſie der herrſchende Baum und bildet daſelbſt reine Beſtände von großer Ausdehnung. In ſolchen wird, wenn ſie einen dichten Schluß haben, der Schaft ſehr „vollholzig“, d. h. der Walzenform nahe kommend, nach der Spitze hin weniger abfallend, während freier ſtehende Fichten mehr „abholzig“ ſind, d. h. einen nach oben ſtärker abfallenden, alſo mehr kegelförmigen Schaft erhalten. Außerhalb Deutſchland iſt die Fichte nicht ſo weit verbreitet wie die Kiefer, da ſie weder große Wärme noch eine niedrigere als + 1° betragende mittle Jahrestemperatur ver- tragen kann.
Das Leben der Fichte vom Aufkeimen an bis zum höchſten Alter zeigt mancherlei Eigenthümlichkeiten, die bei ihrer forſtlichen Behandlung zum Theil ſehr maaßgebend ſind. Obgleich ein eingeborener deutſcher Baum leidet ſie doch ſelbſt durch geringe Spätfröſte, indem ihre Anfang Mai austretenden jungen gelbgrünen ſehr vollſaftigen Triebe oft er- frieren. Die Knospenſchuppen fallen, nachdem die Triebe hervorgetreten ſind, nicht wie bei der Kiefer ab, ſondern bleiben zurückgekrümmt ſtehen und umfaſſen als ein zierliches Körbchen den Grund des Triebes. In der erſten Jugend werden die Fichtenpflänzchen leicht durch den Gras- wuchs erdrückt, ſo daß man aus dieſem Grunde wenigſtens keine Vollſaat, ſondern nur Plätze- und Riefenſaat anwenden kann und noch beſſer, wenn man nicht gar zu große Flächen zu kultiviren hat, Pflanzung vorzieht.
Wenn der Boden nicht ungewöhnlich fruchtbar iſt, kommen die jungen Fichten vor dem 4.—6. Jahre nach der Pflanzung nicht recht zu einen entſchiedenen Längenwachsthum, dann aber tritt meiſt ein ſehr auffallender Längenwuchs ein, ſo daß der Herztrieb nicht ſelten das Drei- bis Vier-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0337"n="309"/>
zu erſehen, daß an einigen Orten der Oſtſeeküſte die Fichte auf den<lb/>ſandigen Dünen gut gedeiht, was nur durch die Feuchtigkeit der See-<lb/>
winde bedingt ſein kann.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Verbreitung</hi> iſt ſowohl in der Höhe wie in der Fläche ſehr<lb/>
beſtimmt charakeriſirt. Die Fichte kommt als Ebenenbaum erſt in Nord-<lb/>
oſtdeutſchland, namentlich in der Niederlauſitz, Schleſien, Oſtpreußen und<lb/>
jenſeit der Weichſel vor, mehr ſüdlich und weſtlich iſt ſie Gebirgsbaum<lb/>
und ſteigt hier, namentlich in den Alpen, bis zur Knieholzregion hinauf.<lb/>
In unſeren deutſchen Mittelgebirgen, Harz, Erzgebirge, Böhmerwald<lb/>
u. ſ. w. iſt ſie der herrſchende Baum und bildet daſelbſt reine Beſtände<lb/>
von großer Ausdehnung. In ſolchen wird, wenn ſie einen dichten Schluß<lb/>
haben, der Schaft ſehr „vollholzig“, d. h. der Walzenform nahe kommend,<lb/>
nach der Spitze hin weniger abfallend, während freier ſtehende Fichten<lb/>
mehr „abholzig“ſind, d. h. einen nach oben ſtärker abfallenden, alſo<lb/>
mehr kegelförmigen Schaft erhalten. Außerhalb Deutſchland iſt die<lb/>
Fichte nicht ſo weit verbreitet wie die Kiefer, da ſie weder große Wärme<lb/>
noch eine niedrigere als + 1° betragende mittle Jahrestemperatur ver-<lb/>
tragen kann.</p><lb/><p>Das <hirendition="#g">Leben</hi> der Fichte vom Aufkeimen an bis zum höchſten Alter<lb/>
zeigt mancherlei Eigenthümlichkeiten, die bei ihrer forſtlichen Behandlung<lb/>
zum Theil ſehr maaßgebend ſind. Obgleich ein eingeborener deutſcher<lb/>
Baum leidet ſie doch ſelbſt durch geringe Spätfröſte, indem ihre Anfang<lb/>
Mai austretenden jungen gelbgrünen ſehr vollſaftigen Triebe oft er-<lb/>
frieren. Die Knospenſchuppen fallen, nachdem die Triebe hervorgetreten<lb/>ſind, nicht wie bei der Kiefer ab, ſondern bleiben zurückgekrümmt ſtehen<lb/>
und umfaſſen als ein zierliches Körbchen den Grund des Triebes. In<lb/>
der erſten Jugend werden die Fichtenpflänzchen leicht durch den Gras-<lb/>
wuchs erdrückt, ſo daß man aus dieſem Grunde wenigſtens keine Vollſaat,<lb/>ſondern nur Plätze- und Riefenſaat anwenden kann und noch beſſer,<lb/>
wenn man nicht gar zu große Flächen zu kultiviren hat, Pflanzung<lb/>
vorzieht.</p><lb/><p>Wenn der Boden nicht ungewöhnlich fruchtbar iſt, kommen die jungen<lb/>
Fichten vor dem 4.—6. Jahre nach der Pflanzung nicht recht zu einen<lb/>
entſchiedenen Längenwachsthum, dann aber tritt meiſt ein ſehr auffallender<lb/>
Längenwuchs ein, ſo daß der Herztrieb nicht ſelten das Drei- bis Vier-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[309/0337]
zu erſehen, daß an einigen Orten der Oſtſeeküſte die Fichte auf den
ſandigen Dünen gut gedeiht, was nur durch die Feuchtigkeit der See-
winde bedingt ſein kann.
Die Verbreitung iſt ſowohl in der Höhe wie in der Fläche ſehr
beſtimmt charakeriſirt. Die Fichte kommt als Ebenenbaum erſt in Nord-
oſtdeutſchland, namentlich in der Niederlauſitz, Schleſien, Oſtpreußen und
jenſeit der Weichſel vor, mehr ſüdlich und weſtlich iſt ſie Gebirgsbaum
und ſteigt hier, namentlich in den Alpen, bis zur Knieholzregion hinauf.
In unſeren deutſchen Mittelgebirgen, Harz, Erzgebirge, Böhmerwald
u. ſ. w. iſt ſie der herrſchende Baum und bildet daſelbſt reine Beſtände
von großer Ausdehnung. In ſolchen wird, wenn ſie einen dichten Schluß
haben, der Schaft ſehr „vollholzig“, d. h. der Walzenform nahe kommend,
nach der Spitze hin weniger abfallend, während freier ſtehende Fichten
mehr „abholzig“ ſind, d. h. einen nach oben ſtärker abfallenden, alſo
mehr kegelförmigen Schaft erhalten. Außerhalb Deutſchland iſt die
Fichte nicht ſo weit verbreitet wie die Kiefer, da ſie weder große Wärme
noch eine niedrigere als + 1° betragende mittle Jahrestemperatur ver-
tragen kann.
Das Leben der Fichte vom Aufkeimen an bis zum höchſten Alter
zeigt mancherlei Eigenthümlichkeiten, die bei ihrer forſtlichen Behandlung
zum Theil ſehr maaßgebend ſind. Obgleich ein eingeborener deutſcher
Baum leidet ſie doch ſelbſt durch geringe Spätfröſte, indem ihre Anfang
Mai austretenden jungen gelbgrünen ſehr vollſaftigen Triebe oft er-
frieren. Die Knospenſchuppen fallen, nachdem die Triebe hervorgetreten
ſind, nicht wie bei der Kiefer ab, ſondern bleiben zurückgekrümmt ſtehen
und umfaſſen als ein zierliches Körbchen den Grund des Triebes. In
der erſten Jugend werden die Fichtenpflänzchen leicht durch den Gras-
wuchs erdrückt, ſo daß man aus dieſem Grunde wenigſtens keine Vollſaat,
ſondern nur Plätze- und Riefenſaat anwenden kann und noch beſſer,
wenn man nicht gar zu große Flächen zu kultiviren hat, Pflanzung
vorzieht.
Wenn der Boden nicht ungewöhnlich fruchtbar iſt, kommen die jungen
Fichten vor dem 4.—6. Jahre nach der Pflanzung nicht recht zu einen
entſchiedenen Längenwachsthum, dann aber tritt meiſt ein ſehr auffallender
Längenwuchs ein, ſo daß der Herztrieb nicht ſelten das Drei- bis Vier-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/337>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.