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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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nach Lichtstellung und Reinigung von den unteren, nicht vom Lichte ge-
troffenen Aesten, so finden wir es nun ganz natürlich, daß die Kiefer im
höheren Alter so sehr leicht ihre pyramidale Gestalt verläßt und den weit-
ästigen Laubholzhabitus annimmt.

Die Maßregeln, welche der Forstmann gegen diese lästigen Feinde
zu ergreifen hat, und die wir oben schon in drei Klassen eingetheilt
haben (S. 270), müssen sich natürlich nach den vorliegenden Verhält-
nissen und namentlich nach der Lebensweise und den Zuständen der In-
sekten richten. So lange man noch der Ansicht zugethan war, daß die
Schlupfwespen allein es seien, welche eine jede ungewöhnliche Insekten-
vermehrung zuletzt immer bewältigten, dachte man selbst daran, die Ver-
mehrung dieser Thiere in sogenannten Raupenzwingern zu befördern.
Man hat sich jedoch in neuerer Zeit mehr und mehr davon überzeugt,
daß man dadurch keine Vortheile erzielt. Der Kampf mit den Kiefern-
feinden, namentlich mit dem Spinner, hat vorzüglich im nordöstlichen
Viertel Deutschlands schon große Summen verschlungen, abgesehen von
den Verlusten, welche man am Holze hatte. So sind z. B. in dem
preußischen Regierungsbezirk Bromberg vor Kurzem während eines drei-
jährigen Spinnerfraßes 80,000 Morgen Kiefernwald in 118,000 Arbeits-
tagen abgeraupt und dafür etwas über 23,000 Thlr. verausgabt worden.
Die Fälle, in welchen zeitig genug begonnene Vertilgungsmaßregeln das
hereinbrechende Uebel im Keime erstickten sind aber weniger zahlreich, als
diejenigen, welche trotz Aufwendung vieler Arbeit und Kosten mit einem
großen Verlust an Beständen endeten.

Außer dem bereits erwähnten Schütten der jungen Kiefern wird
die Kiefer noch von manchen andern Krankheiten heimgesucht, wobei
namentlich eine zu nasse Bodenbeschaffenheit und ein zu üppiges Wachs-
thum viel beitragen.

Was die forstliche Behandlung und Bedeutung der Kiefer
betrifft, so haben wir von ersterer bereits gehört, daß sie nicht so leicht
ist, als man oft glaubt und als man zu glauben berechtigt sein könnte
bei der großen Genügsamkeit der Kiefer hinsichtlich ihrer Ansprüche an
den Boden.

Wir kommen hier zum erstenmale auf die verschiedenen Verfahrungs-
arten zu sprechen, die man bei der Wäldererziehung anwendet und wir

nach Lichtſtellung und Reinigung von den unteren, nicht vom Lichte ge-
troffenen Aeſten, ſo finden wir es nun ganz natürlich, daß die Kiefer im
höheren Alter ſo ſehr leicht ihre pyramidale Geſtalt verläßt und den weit-
äſtigen Laubholzhabitus annimmt.

Die Maßregeln, welche der Forſtmann gegen dieſe läſtigen Feinde
zu ergreifen hat, und die wir oben ſchon in drei Klaſſen eingetheilt
haben (S. 270), müſſen ſich natürlich nach den vorliegenden Verhält-
niſſen und namentlich nach der Lebensweiſe und den Zuſtänden der In-
ſekten richten. So lange man noch der Anſicht zugethan war, daß die
Schlupfwespen allein es ſeien, welche eine jede ungewöhnliche Inſekten-
vermehrung zuletzt immer bewältigten, dachte man ſelbſt daran, die Ver-
mehrung dieſer Thiere in ſogenannten Raupenzwingern zu befördern.
Man hat ſich jedoch in neuerer Zeit mehr und mehr davon überzeugt,
daß man dadurch keine Vortheile erzielt. Der Kampf mit den Kiefern-
feinden, namentlich mit dem Spinner, hat vorzüglich im nordöſtlichen
Viertel Deutſchlands ſchon große Summen verſchlungen, abgeſehen von
den Verluſten, welche man am Holze hatte. So ſind z. B. in dem
preußiſchen Regierungsbezirk Bromberg vor Kurzem während eines drei-
jährigen Spinnerfraßes 80,000 Morgen Kiefernwald in 118,000 Arbeits-
tagen abgeraupt und dafür etwas über 23,000 Thlr. verausgabt worden.
Die Fälle, in welchen zeitig genug begonnene Vertilgungsmaßregeln das
hereinbrechende Uebel im Keime erſtickten ſind aber weniger zahlreich, als
diejenigen, welche trotz Aufwendung vieler Arbeit und Koſten mit einem
großen Verluſt an Beſtänden endeten.

Außer dem bereits erwähnten Schütten der jungen Kiefern wird
die Kiefer noch von manchen andern Krankheiten heimgeſucht, wobei
namentlich eine zu naſſe Bodenbeſchaffenheit und ein zu üppiges Wachs-
thum viel beitragen.

Was die forſtliche Behandlung und Bedeutung der Kiefer
betrifft, ſo haben wir von erſterer bereits gehört, daß ſie nicht ſo leicht
iſt, als man oft glaubt und als man zu glauben berechtigt ſein könnte
bei der großen Genügſamkeit der Kiefer hinſichtlich ihrer Anſprüche an
den Boden.

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[282/0308] nach Lichtſtellung und Reinigung von den unteren, nicht vom Lichte ge- troffenen Aeſten, ſo finden wir es nun ganz natürlich, daß die Kiefer im höheren Alter ſo ſehr leicht ihre pyramidale Geſtalt verläßt und den weit- äſtigen Laubholzhabitus annimmt. Die Maßregeln, welche der Forſtmann gegen dieſe läſtigen Feinde zu ergreifen hat, und die wir oben ſchon in drei Klaſſen eingetheilt haben (S. 270), müſſen ſich natürlich nach den vorliegenden Verhält- niſſen und namentlich nach der Lebensweiſe und den Zuſtänden der In- ſekten richten. So lange man noch der Anſicht zugethan war, daß die Schlupfwespen allein es ſeien, welche eine jede ungewöhnliche Inſekten- vermehrung zuletzt immer bewältigten, dachte man ſelbſt daran, die Ver- mehrung dieſer Thiere in ſogenannten Raupenzwingern zu befördern. Man hat ſich jedoch in neuerer Zeit mehr und mehr davon überzeugt, daß man dadurch keine Vortheile erzielt. Der Kampf mit den Kiefern- feinden, namentlich mit dem Spinner, hat vorzüglich im nordöſtlichen Viertel Deutſchlands ſchon große Summen verſchlungen, abgeſehen von den Verluſten, welche man am Holze hatte. So ſind z. B. in dem preußiſchen Regierungsbezirk Bromberg vor Kurzem während eines drei- jährigen Spinnerfraßes 80,000 Morgen Kiefernwald in 118,000 Arbeits- tagen abgeraupt und dafür etwas über 23,000 Thlr. verausgabt worden. Die Fälle, in welchen zeitig genug begonnene Vertilgungsmaßregeln das hereinbrechende Uebel im Keime erſtickten ſind aber weniger zahlreich, als diejenigen, welche trotz Aufwendung vieler Arbeit und Koſten mit einem großen Verluſt an Beſtänden endeten. Außer dem bereits erwähnten Schütten der jungen Kiefern wird die Kiefer noch von manchen andern Krankheiten heimgeſucht, wobei namentlich eine zu naſſe Bodenbeſchaffenheit und ein zu üppiges Wachs- thum viel beitragen. Was die forſtliche Behandlung und Bedeutung der Kiefer betrifft, ſo haben wir von erſterer bereits gehört, daß ſie nicht ſo leicht iſt, als man oft glaubt und als man zu glauben berechtigt ſein könnte bei der großen Genügſamkeit der Kiefer hinſichtlich ihrer Anſprüche an den Boden. Wir kommen hier zum erſtenmale auf die verſchiedenen Verfahrungs- arten zu ſprechen, die man bei der Wäldererziehung anwendet und wir

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/308>, abgerufen am 17.07.2024.