Die Blüthen der Kiefer erscheinen im Mai an den jungen Trieben und zwar die weiblichen an der Spitze, die männlichen am untern Theile derselben. Die weiblichen Blüthen bilden kleine, etwa erbsengroße, schmutzig kirschrothe, abwärts gekrümmte Zäpfchen und finden sich einzeln oder zu zwei bis drei auf der äußersten Spitze des Triebes und zwar am häufigsten auf den Haupttrieben der Zweige (Fig. 1). Man erkennt an dem weiblichen Blüthenzäpfchen schon deutlich die Bildung des Frucht- zapfens; es besteht aus, in ein kleines Spitzchen ausgehenden Samen- schuppen und einer kürzeren und helleren, davorstehenden Deckschuppe (Fig. 6. 7. 8.). Auf der innern Seite der Samenschuppe stehen unten die beiden Samenknospen (Fig. 8.), aus welchen die zwei Samen werden, welche sich unter jeder Schuppe des reifen Zapfens finden.
Oft an demselben Triebe, meist aber auf anderen, finden sich regel- mäßig und in Mehrzahl, oft zwanzig bis dreißig, zusammengestellt, die männlichen Blüthenkätzchen (Fig. 2 u. 13), welche aus spiralig angeordneten, sitzenden, von Deckschuppen gestützten Staubbeuteln (Fig. 14. u. 15.) zusammengesetzt sind. Diese enthalten eine außer- ordentlich große Menge von schwefelgelbem Blüthenstaub (Pollen), welcher, wenn er in besonders reichen Samenjahren durch Wind und Regen auf den Waldwegen zusammengeschwemmt wird, Veranlassung zu der Fabel vom Schwefelregen giebt, woran auch der Blüthenstaub der Fichte Theil nimmt.
Nach erfolgter Befruchtung nimmt das weibliche Blüthenzäpfchen in dem Blüthenjahre an Größe nur sehr wenig zu und wir finden es im Mai des folgenden Jahres nicht viel größer als vor zwölf Monaten. Dann aber erwächst es um so schneller bis Ende Juni zum ausgebildeten Fruchtzapfen, in welchem bis October des zweiten Jahres die Samen reifen, wozu also ein Zeitraum von achtzehn Monaten erforderlich ist. Die reifen Samen fallen aber auch im zweiten Jahre noch nicht aus, sondern dies geschieht erst, je nach der Wärme der Witterung, im März und April des dritten Jahres. Dabei öffnen sich die Zapfenschuppen und aus den vielfach aufklaffenden Zapfen fliegen die Samen aus.
Die Zapfen sind von kegelförmiger Gestalt und immer etwas ungleichseitig, weil sie, abwärts gekrümmt, mit der einen Seite immer an dem Triebe näher anstehen und sich daher an dieser Seite nicht so
Die Blüthen der Kiefer erſcheinen im Mai an den jungen Trieben und zwar die weiblichen an der Spitze, die männlichen am untern Theile derſelben. Die weiblichen Blüthen bilden kleine, etwa erbſengroße, ſchmutzig kirſchrothe, abwärts gekrümmte Zäpfchen und finden ſich einzeln oder zu zwei bis drei auf der äußerſten Spitze des Triebes und zwar am häufigſten auf den Haupttrieben der Zweige (Fig. 1). Man erkennt an dem weiblichen Blüthenzäpfchen ſchon deutlich die Bildung des Frucht- zapfens; es beſteht aus, in ein kleines Spitzchen ausgehenden Samen- ſchuppen und einer kürzeren und helleren, davorſtehenden Deckſchuppe (Fig. 6. 7. 8.). Auf der innern Seite der Samenſchuppe ſtehen unten die beiden Samenknospen (Fig. 8.), aus welchen die zwei Samen werden, welche ſich unter jeder Schuppe des reifen Zapfens finden.
Oft an demſelben Triebe, meiſt aber auf anderen, finden ſich regel- mäßig und in Mehrzahl, oft zwanzig bis dreißig, zuſammengeſtellt, die männlichen Blüthenkätzchen (Fig. 2 u. 13), welche aus ſpiralig angeordneten, ſitzenden, von Deckſchuppen geſtützten Staubbeuteln (Fig. 14. u. 15.) zuſammengeſetzt ſind. Dieſe enthalten eine außer- ordentlich große Menge von ſchwefelgelbem Blüthenſtaub (Pollen), welcher, wenn er in beſonders reichen Samenjahren durch Wind und Regen auf den Waldwegen zuſammengeſchwemmt wird, Veranlaſſung zu der Fabel vom Schwefelregen giebt, woran auch der Blüthenſtaub der Fichte Theil nimmt.
Nach erfolgter Befruchtung nimmt das weibliche Blüthenzäpfchen in dem Blüthenjahre an Größe nur ſehr wenig zu und wir finden es im Mai des folgenden Jahres nicht viel größer als vor zwölf Monaten. Dann aber erwächſt es um ſo ſchneller bis Ende Juni zum ausgebildeten Fruchtzapfen, in welchem bis October des zweiten Jahres die Samen reifen, wozu alſo ein Zeitraum von achtzehn Monaten erforderlich iſt. Die reifen Samen fallen aber auch im zweiten Jahre noch nicht aus, ſondern dies geſchieht erſt, je nach der Wärme der Witterung, im März und April des dritten Jahres. Dabei öffnen ſich die Zapfenſchuppen und aus den vielfach aufklaffenden Zapfen fliegen die Samen aus.
Die Zapfen ſind von kegelförmiger Geſtalt und immer etwas ungleichſeitig, weil ſie, abwärts gekrümmt, mit der einen Seite immer an dem Triebe näher anſtehen und ſich daher an dieſer Seite nicht ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0282"n="258"/><p>Die <hirendition="#g">Blüthen</hi> der Kiefer erſcheinen im Mai an den jungen Trieben<lb/>
und zwar die weiblichen an der Spitze, die männlichen am untern Theile<lb/>
derſelben. Die <hirendition="#g">weiblichen</hi> Blüthen bilden kleine, etwa erbſengroße,<lb/>ſchmutzig kirſchrothe, abwärts gekrümmte Zäpfchen und finden ſich einzeln<lb/>
oder zu zwei bis drei auf der äußerſten Spitze des Triebes und zwar am<lb/>
häufigſten auf den Haupttrieben der Zweige (Fig. 1). Man erkennt an<lb/>
dem weiblichen Blüthenzäpfchen ſchon deutlich die Bildung des Frucht-<lb/>
zapfens; es beſteht aus, in ein kleines Spitzchen ausgehenden <hirendition="#g">Samen-<lb/>ſchuppen</hi> und einer kürzeren und helleren, davorſtehenden <hirendition="#g">Deckſchuppe</hi><lb/>
(Fig. 6. 7. 8.). Auf der innern Seite der Samenſchuppe ſtehen unten<lb/>
die beiden <hirendition="#g">Samenknospen</hi> (Fig. 8.), aus welchen die zwei Samen<lb/>
werden, welche ſich unter jeder Schuppe des reifen Zapfens finden.</p><lb/><p>Oft an demſelben Triebe, meiſt aber auf anderen, finden ſich regel-<lb/>
mäßig und in Mehrzahl, oft zwanzig bis dreißig, zuſammengeſtellt, die<lb/><hirendition="#g">männlichen Blüthenkätzchen</hi> (Fig. 2 u. 13), welche aus ſpiralig<lb/>
angeordneten, ſitzenden, von Deckſchuppen geſtützten <hirendition="#g">Staubbeuteln</hi><lb/>
(Fig. 14. u. 15.) zuſammengeſetzt ſind. Dieſe enthalten eine außer-<lb/>
ordentlich große Menge von ſchwefelgelbem <hirendition="#g">Blüthenſtaub (Pollen)</hi>,<lb/>
welcher, wenn er in beſonders reichen Samenjahren durch Wind und<lb/>
Regen auf den Waldwegen zuſammengeſchwemmt wird, Veranlaſſung zu<lb/>
der Fabel vom <hirendition="#g">Schwefelregen</hi> giebt, woran auch der Blüthenſtaub<lb/>
der Fichte Theil nimmt.</p><lb/><p>Nach erfolgter Befruchtung nimmt das weibliche Blüthenzäpfchen in<lb/>
dem Blüthenjahre an Größe nur ſehr wenig zu und wir finden es im<lb/>
Mai des folgenden Jahres nicht viel größer als vor zwölf Monaten.<lb/>
Dann aber erwächſt es um ſo ſchneller bis Ende Juni zum ausgebildeten<lb/>
Fruchtzapfen, in welchem bis October des zweiten Jahres die Samen<lb/>
reifen, wozu alſo ein Zeitraum von achtzehn Monaten erforderlich iſt.<lb/>
Die reifen Samen fallen aber auch im zweiten Jahre noch nicht aus,<lb/>ſondern dies geſchieht erſt, je nach der Wärme der Witterung, im März<lb/>
und April des dritten Jahres. Dabei öffnen ſich die Zapfenſchuppen<lb/>
und aus den vielfach aufklaffenden Zapfen fliegen die Samen aus.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Zapfen</hi>ſind von kegelförmiger Geſtalt und immer etwas<lb/>
ungleichſeitig, weil ſie, abwärts gekrümmt, mit der einen Seite immer<lb/>
an dem Triebe näher anſtehen und ſich daher an dieſer Seite nicht ſo<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[258/0282]
Die Blüthen der Kiefer erſcheinen im Mai an den jungen Trieben
und zwar die weiblichen an der Spitze, die männlichen am untern Theile
derſelben. Die weiblichen Blüthen bilden kleine, etwa erbſengroße,
ſchmutzig kirſchrothe, abwärts gekrümmte Zäpfchen und finden ſich einzeln
oder zu zwei bis drei auf der äußerſten Spitze des Triebes und zwar am
häufigſten auf den Haupttrieben der Zweige (Fig. 1). Man erkennt an
dem weiblichen Blüthenzäpfchen ſchon deutlich die Bildung des Frucht-
zapfens; es beſteht aus, in ein kleines Spitzchen ausgehenden Samen-
ſchuppen und einer kürzeren und helleren, davorſtehenden Deckſchuppe
(Fig. 6. 7. 8.). Auf der innern Seite der Samenſchuppe ſtehen unten
die beiden Samenknospen (Fig. 8.), aus welchen die zwei Samen
werden, welche ſich unter jeder Schuppe des reifen Zapfens finden.
Oft an demſelben Triebe, meiſt aber auf anderen, finden ſich regel-
mäßig und in Mehrzahl, oft zwanzig bis dreißig, zuſammengeſtellt, die
männlichen Blüthenkätzchen (Fig. 2 u. 13), welche aus ſpiralig
angeordneten, ſitzenden, von Deckſchuppen geſtützten Staubbeuteln
(Fig. 14. u. 15.) zuſammengeſetzt ſind. Dieſe enthalten eine außer-
ordentlich große Menge von ſchwefelgelbem Blüthenſtaub (Pollen),
welcher, wenn er in beſonders reichen Samenjahren durch Wind und
Regen auf den Waldwegen zuſammengeſchwemmt wird, Veranlaſſung zu
der Fabel vom Schwefelregen giebt, woran auch der Blüthenſtaub
der Fichte Theil nimmt.
Nach erfolgter Befruchtung nimmt das weibliche Blüthenzäpfchen in
dem Blüthenjahre an Größe nur ſehr wenig zu und wir finden es im
Mai des folgenden Jahres nicht viel größer als vor zwölf Monaten.
Dann aber erwächſt es um ſo ſchneller bis Ende Juni zum ausgebildeten
Fruchtzapfen, in welchem bis October des zweiten Jahres die Samen
reifen, wozu alſo ein Zeitraum von achtzehn Monaten erforderlich iſt.
Die reifen Samen fallen aber auch im zweiten Jahre noch nicht aus,
ſondern dies geſchieht erſt, je nach der Wärme der Witterung, im März
und April des dritten Jahres. Dabei öffnen ſich die Zapfenſchuppen
und aus den vielfach aufklaffenden Zapfen fliegen die Samen aus.
Die Zapfen ſind von kegelförmiger Geſtalt und immer etwas
ungleichſeitig, weil ſie, abwärts gekrümmt, mit der einen Seite immer
an dem Triebe näher anſtehen und ſich daher an dieſer Seite nicht ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/282>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.