Die Samenlappen der Nadelhölzer sehen den wahren Nadeln sehr ähnlich, sind aber doch bei genauerer Untersuchung von diesen immer sicher zu unterscheiden.
Einen besonders durchgreifenden Charakter haben alle echten Nadel- hölzer in dem anatomischen Bau des Holzes. Dieses besteht nämlich, mit Ausschluß aller Gefäße, nur aus lang gestreckten Holzzellen von sehr regelmäßiger Anordnung und unter sich von sehr gleicher Beschaffenheit. Sehr unregelmäßig und in geringer Anzahl zerstreut finden sich im Holze der Nadelbäume sehr feine auf einem Querschnitt wie Nadelstiche aus- sehende Harzgänge mit Ausnahme des Tannenholzes, welchem diese fehlen (Seite 104 XIII. a.). Auf diesem Bau des Nadelholzes beruhen seine große Spaltbarkeit und seine Federkraft, zwei Eigenschaften, welche keinem Laubholze in diesem Grade zukommen. Ein anderes Unterschei- dungskennzeichen des Holzes der Nadelbäume, gegenüber dem unserer Laub- holzarten liegt in dem großen Unterschied der Farbe, Härte und Dichtig- keit zwischen dem Frühjahrs- und Herbstholz der einzelnen Jahresringe (Seite 106.).
Der bekannte, fast alle Theile durchdringende Harzgehalt der Nadel- hölzer ist eines der wesentlichsten physiologischen Merkmale. Das Harz besteht aus einem Gemenge von an sich festem Harz und ätherischen Oelen, in welchen jenes aufgelöst ist. Daher ist das aus einer Wunde aus- tretende Harz anfänglich flüssig und wasserhell, wird aber in demselben Maßstabe undurchsichtiger und fester, als das ätherische Oel verdunstet und das Harz allein fest zurückläßt. Bekanntlich wird das Harz der ver- schiedenen Nadelbäume gewonnen und zu verschiedenem Gebrauch zubereitet, was freilich fast nicht anders geschehen kann, als mit Benachtheiligung des Baumes, da das Harz nur durch Verletzung des lebendigen Baumes zu gewinnen ist. Man hat daher in neuerer Zeit das Harzen in solchen Waldungen sehr beschränkt und zum Theil ganz aufgegeben, bei denen es darauf abgesehen ist, sie zu erhalten und also nachhaltig zu bewirth- schaften.
Daß das Immergrün der Nadelbäume keine ausnahmslose Regel ist, indem die Lärche ihre Nadeln im Winter vollständig verliert, ist uns schon bekannt. Wenn nun aber auch die übrigen, Fichte, Tanne und Kiefer, ihre Nadeln den Winter über behalten, so ist das erstens nicht so
Die Samenlappen der Nadelhölzer ſehen den wahren Nadeln ſehr ähnlich, ſind aber doch bei genauerer Unterſuchung von dieſen immer ſicher zu unterſcheiden.
Einen beſonders durchgreifenden Charakter haben alle echten Nadel- hölzer in dem anatomiſchen Bau des Holzes. Dieſes beſteht nämlich, mit Ausſchluß aller Gefäße, nur aus lang geſtreckten Holzzellen von ſehr regelmäßiger Anordnung und unter ſich von ſehr gleicher Beſchaffenheit. Sehr unregelmäßig und in geringer Anzahl zerſtreut finden ſich im Holze der Nadelbäume ſehr feine auf einem Querſchnitt wie Nadelſtiche aus- ſehende Harzgänge mit Ausnahme des Tannenholzes, welchem dieſe fehlen (Seite 104 XIII. a.). Auf dieſem Bau des Nadelholzes beruhen ſeine große Spaltbarkeit und ſeine Federkraft, zwei Eigenſchaften, welche keinem Laubholze in dieſem Grade zukommen. Ein anderes Unterſchei- dungskennzeichen des Holzes der Nadelbäume, gegenüber dem unſerer Laub- holzarten liegt in dem großen Unterſchied der Farbe, Härte und Dichtig- keit zwiſchen dem Frühjahrs- und Herbſtholz der einzelnen Jahresringe (Seite 106.).
Der bekannte, faſt alle Theile durchdringende Harzgehalt der Nadel- hölzer iſt eines der weſentlichſten phyſiologiſchen Merkmale. Das Harz beſteht aus einem Gemenge von an ſich feſtem Harz und ätheriſchen Oelen, in welchen jenes aufgelöſt iſt. Daher iſt das aus einer Wunde aus- tretende Harz anfänglich flüſſig und waſſerhell, wird aber in demſelben Maßſtabe undurchſichtiger und feſter, als das ätheriſche Oel verdunſtet und das Harz allein feſt zurückläßt. Bekanntlich wird das Harz der ver- ſchiedenen Nadelbäume gewonnen und zu verſchiedenem Gebrauch zubereitet, was freilich faſt nicht anders geſchehen kann, als mit Benachtheiligung des Baumes, da das Harz nur durch Verletzung des lebendigen Baumes zu gewinnen iſt. Man hat daher in neuerer Zeit das Harzen in ſolchen Waldungen ſehr beſchränkt und zum Theil ganz aufgegeben, bei denen es darauf abgeſehen iſt, ſie zu erhalten und alſo nachhaltig zu bewirth- ſchaften.
Daß das Immergrün der Nadelbäume keine ausnahmsloſe Regel iſt, indem die Lärche ihre Nadeln im Winter vollſtändig verliert, iſt uns ſchon bekannt. Wenn nun aber auch die übrigen, Fichte, Tanne und Kiefer, ihre Nadeln den Winter über behalten, ſo iſt das erſtens nicht ſo
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Die Samenlappen der Nadelhölzer ſehen den wahren Nadeln ſehr ähnlich,
ſind aber doch bei genauerer Unterſuchung von dieſen immer ſicher zu
unterſcheiden.
Einen beſonders durchgreifenden Charakter haben alle echten Nadel-
hölzer in dem anatomiſchen Bau des Holzes. Dieſes beſteht nämlich, mit
Ausſchluß aller Gefäße, nur aus lang geſtreckten Holzzellen von ſehr
regelmäßiger Anordnung und unter ſich von ſehr gleicher Beſchaffenheit.
Sehr unregelmäßig und in geringer Anzahl zerſtreut finden ſich im Holze
der Nadelbäume ſehr feine auf einem Querſchnitt wie Nadelſtiche aus-
ſehende Harzgänge mit Ausnahme des Tannenholzes, welchem dieſe
fehlen (Seite 104 XIII. a.). Auf dieſem Bau des Nadelholzes beruhen ſeine
große Spaltbarkeit und ſeine Federkraft, zwei Eigenſchaften, welche
keinem Laubholze in dieſem Grade zukommen. Ein anderes Unterſchei-
dungskennzeichen des Holzes der Nadelbäume, gegenüber dem unſerer Laub-
holzarten liegt in dem großen Unterſchied der Farbe, Härte und Dichtig-
keit zwiſchen dem Frühjahrs- und Herbſtholz der einzelnen Jahresringe
(Seite 106.).
Der bekannte, faſt alle Theile durchdringende Harzgehalt der Nadel-
hölzer iſt eines der weſentlichſten phyſiologiſchen Merkmale. Das Harz
beſteht aus einem Gemenge von an ſich feſtem Harz und ätheriſchen Oelen,
in welchen jenes aufgelöſt iſt. Daher iſt das aus einer Wunde aus-
tretende Harz anfänglich flüſſig und waſſerhell, wird aber in demſelben
Maßſtabe undurchſichtiger und feſter, als das ätheriſche Oel verdunſtet
und das Harz allein feſt zurückläßt. Bekanntlich wird das Harz der ver-
ſchiedenen Nadelbäume gewonnen und zu verſchiedenem Gebrauch zubereitet,
was freilich faſt nicht anders geſchehen kann, als mit Benachtheiligung
des Baumes, da das Harz nur durch Verletzung des lebendigen Baumes
zu gewinnen iſt. Man hat daher in neuerer Zeit das Harzen in ſolchen
Waldungen ſehr beſchränkt und zum Theil ganz aufgegeben, bei denen
es darauf abgeſehen iſt, ſie zu erhalten und alſo nachhaltig zu bewirth-
ſchaften.
Daß das Immergrün der Nadelbäume keine ausnahmsloſe Regel iſt,
indem die Lärche ihre Nadeln im Winter vollſtändig verliert, iſt uns
ſchon bekannt. Wenn nun aber auch die übrigen, Fichte, Tanne und
Kiefer, ihre Nadeln den Winter über behalten, ſo iſt das erſtens nicht ſo
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/279>, abgerufen am 23.12.2024.
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