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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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und die mehr südlich gelegenen Gebiete; die Nadelhölzer dagegen ziehen
hohe Lage und eine höhere nördliche Breite vor, obgleich auch diese Regel,
wie jede, nicht ohne ihre Ausnahmen ist. Steigen wir auf unseren deutschen
Hochgebirgen immer höher hinauf, so verlassen uns die Laubhölzer ziemlich
bald und wir finden auf den höchsten Höhen, auf welchen überhaupt noch
Baumleben möglich ist, nur noch Nadelbäume. Derselbe Fall ist es im
großen Ganzen, wenn wir eine Reise nach dem Norden unternehmen,
wo uns zuletzt auch nur noch einige Nadelbäume treu bleiben. Daß
allerdings zuletzt die Zwergbirke, Betula nana, dort den Plan behauptet,
ist deshalb hier nicht sehr maßgebend, weil diese Birkenart nichts weniger
als ein Baum, sondern ein niedriger kriechender Strauch ist.

Diese Erscheinung kann ihren Grund nur darin haben, daß die
Nadelhölzer in verschiedenen Beziehungen geringere Ansprüche an ihren
Wohnplatz machen, namentlich weniger empfindlich sind gegen Kälte und
gegen schroffen Wechsel zwischen Wärme und Kälte. Auch hinsichtlich der
Boden-Bestandtheile haben wenigstens einige Nadelhölzer entschieden ein
geringeres Maß von Bedürfnissen, als die Laubhölzer, vielleicht die Birke
allein ausgenommen, welche hierin den Nadelhölzern gleichkommt. Mit
dieser Rücksicht hat man die Bäume in genügsame und weniger genüg-
same
getheilt und kann im Allgemeinen die Nadelhölzer, zum Gegensatz
von den Laubhölzern, genügsame nennen.

Es besteht aber in dieser Hinsicht zwischen den Baumarten ein ähn-
liches Gegenseitigkeits-Verhältniß, eine ähnliche wechselsweise Dienst-
leistung, wie in der menschlichen Gesellschaft. Wo gegenwärtig eine
Baumart noch nicht gedeihen könnte, würde sie es können, wenn ihr
vorher von einer andern, genügsameren, die Wohnstätte bereitet worden
sein würde. Wenn auf den Hochgebirgen die Knieholzkiefer lange Zeit
den Boden bekleidet und durch ihren Nadelfall den Boden mit Humus
bereichert hatte, da wird es hierdurch nachher der Fichte und der Lärche
möglich, sich anfänglich nur einzeln zwischen jener einzufinden und allmälig
so sehr überhand zu nehmen, daß sie die dienstfertige Vorbereiterin ihres
Bodens ganz verdrängt. Auf einer tieferen Höhenstufe leistet wiederum
die Fichte denselben Dienst dem Bergahorn und selbst der Buche.

Wir erhalten durch diese Thatsache eine Gelegenheit, die wir nicht
verabsäumen dürfen, um die Weitsichtigkeit und großartige Planmäßigkeit

und die mehr ſüdlich gelegenen Gebiete; die Nadelhölzer dagegen ziehen
hohe Lage und eine höhere nördliche Breite vor, obgleich auch dieſe Regel,
wie jede, nicht ohne ihre Ausnahmen iſt. Steigen wir auf unſeren deutſchen
Hochgebirgen immer höher hinauf, ſo verlaſſen uns die Laubhölzer ziemlich
bald und wir finden auf den höchſten Höhen, auf welchen überhaupt noch
Baumleben möglich iſt, nur noch Nadelbäume. Derſelbe Fall iſt es im
großen Ganzen, wenn wir eine Reiſe nach dem Norden unternehmen,
wo uns zuletzt auch nur noch einige Nadelbäume treu bleiben. Daß
allerdings zuletzt die Zwergbirke, Betula nana, dort den Plan behauptet,
iſt deshalb hier nicht ſehr maßgebend, weil dieſe Birkenart nichts weniger
als ein Baum, ſondern ein niedriger kriechender Strauch iſt.

Dieſe Erſcheinung kann ihren Grund nur darin haben, daß die
Nadelhölzer in verſchiedenen Beziehungen geringere Anſprüche an ihren
Wohnplatz machen, namentlich weniger empfindlich ſind gegen Kälte und
gegen ſchroffen Wechſel zwiſchen Wärme und Kälte. Auch hinſichtlich der
Boden-Beſtandtheile haben wenigſtens einige Nadelhölzer entſchieden ein
geringeres Maß von Bedürfniſſen, als die Laubhölzer, vielleicht die Birke
allein ausgenommen, welche hierin den Nadelhölzern gleichkommt. Mit
dieſer Rückſicht hat man die Bäume in genügſame und weniger genüg-
ſame
getheilt und kann im Allgemeinen die Nadelhölzer, zum Gegenſatz
von den Laubhölzern, genügſame nennen.

Es beſteht aber in dieſer Hinſicht zwiſchen den Baumarten ein ähn-
liches Gegenſeitigkeits-Verhältniß, eine ähnliche wechſelsweiſe Dienſt-
leiſtung, wie in der menſchlichen Geſellſchaft. Wo gegenwärtig eine
Baumart noch nicht gedeihen könnte, würde ſie es können, wenn ihr
vorher von einer andern, genügſameren, die Wohnſtätte bereitet worden
ſein würde. Wenn auf den Hochgebirgen die Knieholzkiefer lange Zeit
den Boden bekleidet und durch ihren Nadelfall den Boden mit Humus
bereichert hatte, da wird es hierdurch nachher der Fichte und der Lärche
möglich, ſich anfänglich nur einzeln zwiſchen jener einzufinden und allmälig
ſo ſehr überhand zu nehmen, daß ſie die dienſtfertige Vorbereiterin ihres
Bodens ganz verdrängt. Auf einer tieferen Höhenſtufe leiſtet wiederum
die Fichte denſelben Dienſt dem Bergahorn und ſelbſt der Buche.

Wir erhalten durch dieſe Thatſache eine Gelegenheit, die wir nicht
verabſäumen dürfen, um die Weitſichtigkeit und großartige Planmäßigkeit

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[244/0268] und die mehr ſüdlich gelegenen Gebiete; die Nadelhölzer dagegen ziehen hohe Lage und eine höhere nördliche Breite vor, obgleich auch dieſe Regel, wie jede, nicht ohne ihre Ausnahmen iſt. Steigen wir auf unſeren deutſchen Hochgebirgen immer höher hinauf, ſo verlaſſen uns die Laubhölzer ziemlich bald und wir finden auf den höchſten Höhen, auf welchen überhaupt noch Baumleben möglich iſt, nur noch Nadelbäume. Derſelbe Fall iſt es im großen Ganzen, wenn wir eine Reiſe nach dem Norden unternehmen, wo uns zuletzt auch nur noch einige Nadelbäume treu bleiben. Daß allerdings zuletzt die Zwergbirke, Betula nana, dort den Plan behauptet, iſt deshalb hier nicht ſehr maßgebend, weil dieſe Birkenart nichts weniger als ein Baum, ſondern ein niedriger kriechender Strauch iſt. Dieſe Erſcheinung kann ihren Grund nur darin haben, daß die Nadelhölzer in verſchiedenen Beziehungen geringere Anſprüche an ihren Wohnplatz machen, namentlich weniger empfindlich ſind gegen Kälte und gegen ſchroffen Wechſel zwiſchen Wärme und Kälte. Auch hinſichtlich der Boden-Beſtandtheile haben wenigſtens einige Nadelhölzer entſchieden ein geringeres Maß von Bedürfniſſen, als die Laubhölzer, vielleicht die Birke allein ausgenommen, welche hierin den Nadelhölzern gleichkommt. Mit dieſer Rückſicht hat man die Bäume in genügſame und weniger genüg- ſame getheilt und kann im Allgemeinen die Nadelhölzer, zum Gegenſatz von den Laubhölzern, genügſame nennen. Es beſteht aber in dieſer Hinſicht zwiſchen den Baumarten ein ähn- liches Gegenſeitigkeits-Verhältniß, eine ähnliche wechſelsweiſe Dienſt- leiſtung, wie in der menſchlichen Geſellſchaft. Wo gegenwärtig eine Baumart noch nicht gedeihen könnte, würde ſie es können, wenn ihr vorher von einer andern, genügſameren, die Wohnſtätte bereitet worden ſein würde. Wenn auf den Hochgebirgen die Knieholzkiefer lange Zeit den Boden bekleidet und durch ihren Nadelfall den Boden mit Humus bereichert hatte, da wird es hierdurch nachher der Fichte und der Lärche möglich, ſich anfänglich nur einzeln zwiſchen jener einzufinden und allmälig ſo ſehr überhand zu nehmen, daß ſie die dienſtfertige Vorbereiterin ihres Bodens ganz verdrängt. Auf einer tieferen Höhenſtufe leiſtet wiederum die Fichte denſelben Dienſt dem Bergahorn und ſelbſt der Buche. Wir erhalten durch dieſe Thatſache eine Gelegenheit, die wir nicht verabſäumen dürfen, um die Weitſichtigkeit und großartige Planmäßigkeit

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/268>, abgerufen am 23.12.2024.