der Vögel, nicht durchduftet und durchglüht von buntblüthigen Kräutern, welche jetzt unsern Waldboden durchwirken.
Es waren nicht Eichen und Buchen, nicht duftende Linden und weißschaftige Birken, was den Steinkohlenwald bildete, nicht die im leisen Lufthauch erzitternde Espe oder die glattschaftige Esche, überhaupt kein Baum wie sie jetzt unsre Laubwälder bilden. Und dennoch ist uns in unsern Wäldern ein Anklang an jene untergegangenen Waldungen geblieben, welche einst unser ganz anders gestaltetes Deutschland begrünten.
Obgleich ohne Zweifel in jenen Zeiten ein wärmerer Himmel über Deutschland ruhte, so waren doch schon damals Nadelhölzer unter den Herrschern des Waldes, die jetzt unter unserem kühleren Himmel sogar noch die rauhe Gebirgshöhe suchen.
Auch jetzt noch liebt das räthselhafte Geschlecht der Farren, die am Boden kriechenden Bärlapppflanzen und der zierlich geästete Schachtelhalm in der Gesellschaft der Nadelbäume sich anzusiedeln. So war es auch damals. Aber während unsere Fichten, Kiefern und Tannen ebenbürtige Bäume, ihren Steinkohlenahnen nichts nachgebend, geblieben sind, so sanken die drei genannten Pflanzengeschlechter zu schwächlichen Gestalten herab, nur ein schwaches Abbild jener Farren, Bärlapparten und Schachtel- halme, welche als stattliche Bäume mit den Nadelbäumen jener Wal- dungen wetteiferten, in ihren Leibern für das erst noch zu schaffende Menschengeschlecht die Schatzkammer der Steinkohlen zu gründen.
Die Nadelbäume gewöhnten sich an die abnehmende Wärme, während die Farrenbäume auswanderten und jetzt nur noch in heißen Himmels- strichen gedeihen.
Wenn man mit der Erinnerung hieran einen Nadelwald des Ge- birges besucht, so gewinnt derselbe den ahnungsvollen Reiz den ich ihm vorhin nachrühmte. Vereinsamt und wie trauernde Fremdlinge stehen die Bäume dichtgeschaart auf dem moosbekleideten Boden. Ihre einstigen Genossen, aus jenen anderen Pflanzengeschlechtern, die ihre Wipfel unter die ihrigen mischten, haben sie verlassen, sie fühlen es fast wie ein trauriges Vorrecht, nur allein zu herrschen, wo sie früher mit Unver- wandtem gern die Herrschaft theilten.
Doch nein, ihre ragenden, nur himmelwärts blickenden Wipfel sehen es blos nicht, daß sich zu ihren Füßen das erniedrigte Volk überlebender
der Vögel, nicht durchduftet und durchglüht von buntblüthigen Kräutern, welche jetzt unſern Waldboden durchwirken.
Es waren nicht Eichen und Buchen, nicht duftende Linden und weißſchaftige Birken, was den Steinkohlenwald bildete, nicht die im leiſen Lufthauch erzitternde Espe oder die glattſchaftige Eſche, überhaupt kein Baum wie ſie jetzt unſre Laubwälder bilden. Und dennoch iſt uns in unſern Wäldern ein Anklang an jene untergegangenen Waldungen geblieben, welche einſt unſer ganz anders geſtaltetes Deutſchland begrünten.
Obgleich ohne Zweifel in jenen Zeiten ein wärmerer Himmel über Deutſchland ruhte, ſo waren doch ſchon damals Nadelhölzer unter den Herrſchern des Waldes, die jetzt unter unſerem kühleren Himmel ſogar noch die rauhe Gebirgshöhe ſuchen.
Auch jetzt noch liebt das räthſelhafte Geſchlecht der Farren, die am Boden kriechenden Bärlapppflanzen und der zierlich geäſtete Schachtelhalm in der Geſellſchaft der Nadelbäume ſich anzuſiedeln. So war es auch damals. Aber während unſere Fichten, Kiefern und Tannen ebenbürtige Bäume, ihren Steinkohlenahnen nichts nachgebend, geblieben ſind, ſo ſanken die drei genannten Pflanzengeſchlechter zu ſchwächlichen Geſtalten herab, nur ein ſchwaches Abbild jener Farren, Bärlapparten und Schachtel- halme, welche als ſtattliche Bäume mit den Nadelbäumen jener Wal- dungen wetteiferten, in ihren Leibern für das erſt noch zu ſchaffende Menſchengeſchlecht die Schatzkammer der Steinkohlen zu gründen.
Die Nadelbäume gewöhnten ſich an die abnehmende Wärme, während die Farrenbäume auswanderten und jetzt nur noch in heißen Himmels- ſtrichen gedeihen.
Wenn man mit der Erinnerung hieran einen Nadelwald des Ge- birges beſucht, ſo gewinnt derſelbe den ahnungsvollen Reiz den ich ihm vorhin nachrühmte. Vereinſamt und wie trauernde Fremdlinge ſtehen die Bäume dichtgeſchaart auf dem moosbekleideten Boden. Ihre einſtigen Genoſſen, aus jenen anderen Pflanzengeſchlechtern, die ihre Wipfel unter die ihrigen miſchten, haben ſie verlaſſen, ſie fühlen es faſt wie ein trauriges Vorrecht, nur allein zu herrſchen, wo ſie früher mit Unver- wandtem gern die Herrſchaft theilten.
Doch nein, ihre ragenden, nur himmelwärts blickenden Wipfel ſehen es blos nicht, daß ſich zu ihren Füßen das erniedrigte Volk überlebender
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0264"n="240"/>
der Vögel, nicht durchduftet und durchglüht von buntblüthigen Kräutern,<lb/>
welche jetzt unſern Waldboden durchwirken.</p><lb/><p>Es waren nicht Eichen und Buchen, nicht duftende Linden und<lb/>
weißſchaftige Birken, was den Steinkohlenwald bildete, nicht die im<lb/>
leiſen Lufthauch erzitternde Espe oder die glattſchaftige Eſche, überhaupt<lb/>
kein Baum wie ſie jetzt unſre Laubwälder bilden. Und dennoch iſt uns<lb/>
in unſern Wäldern ein Anklang an jene untergegangenen Waldungen<lb/>
geblieben, welche einſt unſer ganz anders geſtaltetes Deutſchland begrünten.</p><lb/><p>Obgleich ohne Zweifel in jenen Zeiten ein wärmerer Himmel über<lb/>
Deutſchland ruhte, ſo waren doch ſchon damals Nadelhölzer unter den<lb/>
Herrſchern des Waldes, die jetzt unter unſerem kühleren Himmel ſogar<lb/>
noch die rauhe Gebirgshöhe ſuchen.</p><lb/><p>Auch jetzt noch liebt das räthſelhafte Geſchlecht der Farren, die am<lb/>
Boden kriechenden Bärlapppflanzen und der zierlich geäſtete Schachtelhalm<lb/>
in der Geſellſchaft der Nadelbäume ſich anzuſiedeln. So war es auch<lb/>
damals. Aber während unſere Fichten, Kiefern und Tannen ebenbürtige<lb/>
Bäume, ihren Steinkohlenahnen nichts nachgebend, geblieben ſind, ſo<lb/>ſanken die drei genannten Pflanzengeſchlechter zu ſchwächlichen Geſtalten<lb/>
herab, nur ein ſchwaches Abbild jener Farren, Bärlapparten und Schachtel-<lb/>
halme, welche als ſtattliche Bäume mit den Nadelbäumen jener Wal-<lb/>
dungen wetteiferten, in ihren Leibern für das erſt noch zu ſchaffende<lb/>
Menſchengeſchlecht die Schatzkammer der Steinkohlen zu gründen.</p><lb/><p>Die Nadelbäume gewöhnten ſich an die abnehmende Wärme, während<lb/>
die Farrenbäume auswanderten und jetzt nur noch in heißen Himmels-<lb/>ſtrichen gedeihen.</p><lb/><p>Wenn man mit der Erinnerung hieran einen Nadelwald des Ge-<lb/>
birges beſucht, ſo gewinnt derſelbe den ahnungsvollen Reiz den ich ihm<lb/>
vorhin nachrühmte. Vereinſamt und wie trauernde Fremdlinge ſtehen<lb/>
die Bäume dichtgeſchaart auf dem moosbekleideten Boden. Ihre einſtigen<lb/>
Genoſſen, aus jenen anderen Pflanzengeſchlechtern, die ihre Wipfel unter<lb/>
die ihrigen miſchten, haben ſie verlaſſen, ſie fühlen es faſt wie ein<lb/>
trauriges Vorrecht, nur allein zu herrſchen, wo ſie früher mit Unver-<lb/>
wandtem gern die Herrſchaft theilten.</p><lb/><p>Doch nein, ihre ragenden, nur himmelwärts blickenden Wipfel ſehen<lb/>
es blos nicht, daß ſich zu ihren Füßen das erniedrigte Volk überlebender<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[240/0264]
der Vögel, nicht durchduftet und durchglüht von buntblüthigen Kräutern,
welche jetzt unſern Waldboden durchwirken.
Es waren nicht Eichen und Buchen, nicht duftende Linden und
weißſchaftige Birken, was den Steinkohlenwald bildete, nicht die im
leiſen Lufthauch erzitternde Espe oder die glattſchaftige Eſche, überhaupt
kein Baum wie ſie jetzt unſre Laubwälder bilden. Und dennoch iſt uns
in unſern Wäldern ein Anklang an jene untergegangenen Waldungen
geblieben, welche einſt unſer ganz anders geſtaltetes Deutſchland begrünten.
Obgleich ohne Zweifel in jenen Zeiten ein wärmerer Himmel über
Deutſchland ruhte, ſo waren doch ſchon damals Nadelhölzer unter den
Herrſchern des Waldes, die jetzt unter unſerem kühleren Himmel ſogar
noch die rauhe Gebirgshöhe ſuchen.
Auch jetzt noch liebt das räthſelhafte Geſchlecht der Farren, die am
Boden kriechenden Bärlapppflanzen und der zierlich geäſtete Schachtelhalm
in der Geſellſchaft der Nadelbäume ſich anzuſiedeln. So war es auch
damals. Aber während unſere Fichten, Kiefern und Tannen ebenbürtige
Bäume, ihren Steinkohlenahnen nichts nachgebend, geblieben ſind, ſo
ſanken die drei genannten Pflanzengeſchlechter zu ſchwächlichen Geſtalten
herab, nur ein ſchwaches Abbild jener Farren, Bärlapparten und Schachtel-
halme, welche als ſtattliche Bäume mit den Nadelbäumen jener Wal-
dungen wetteiferten, in ihren Leibern für das erſt noch zu ſchaffende
Menſchengeſchlecht die Schatzkammer der Steinkohlen zu gründen.
Die Nadelbäume gewöhnten ſich an die abnehmende Wärme, während
die Farrenbäume auswanderten und jetzt nur noch in heißen Himmels-
ſtrichen gedeihen.
Wenn man mit der Erinnerung hieran einen Nadelwald des Ge-
birges beſucht, ſo gewinnt derſelbe den ahnungsvollen Reiz den ich ihm
vorhin nachrühmte. Vereinſamt und wie trauernde Fremdlinge ſtehen
die Bäume dichtgeſchaart auf dem moosbekleideten Boden. Ihre einſtigen
Genoſſen, aus jenen anderen Pflanzengeſchlechtern, die ihre Wipfel unter
die ihrigen miſchten, haben ſie verlaſſen, ſie fühlen es faſt wie ein
trauriges Vorrecht, nur allein zu herrſchen, wo ſie früher mit Unver-
wandtem gern die Herrſchaft theilten.
Doch nein, ihre ragenden, nur himmelwärts blickenden Wipfel ſehen
es blos nicht, daß ſich zu ihren Füßen das erniedrigte Volk überlebender
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/264>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.