selbst einen Winter hindurch, die schönen Baumwaldungen Leipzigs durch- wandert und dabei ein Verständniß der unterscheidenden Baumcharaktere gewonnen hatten.
Ich will nicht in Abrede stellen und muß dies hier ausdrücklich hervorheben, um nicht die Kunstkritiker gegen mich aufzubringen, daß es nicht die Aufgabe des Landschafters ist, in den Landschaften mit botanischer Genauigkeit aufgefaßte Baumbilder zu malen, aber eben so wenig wird man mir bestreiten können, daß solche Baumarten, welche einen bestimmten architektonischen Charakter zu haben pflegen, mit Wiedergabe dieses dar- gestellt werden müssen; und man wird mir dies um so weniger bestreiten wollen, weil bei einigen Baumarten, Eiche, Kiefer, Birke, man dies ohnehin jetzt schon thut.
Will man sich eine derartige größere Baumkenntniß verschaffen, so thut man wohl, damit im Winter zu beginnen, weil man da die Archi- tektur der Bäume, wegen der mangelnden Belaubung klar und deutlich vor sich sieht. Ich habe mich mehrmals überzeugt, daß auf einem winter- lichen Spaziergange geschickte Landschaftsmaler wohl Eichen und Birken, von Nadelhölzern natürlich nicht zu reden, zu unterscheiden vermochten, allein die übrigen Laubhölzer waren ihnen meistentheils unverständliches Sparrwerk, wenn es sich dabei nicht um bestimmte Bäume handelte, die sie von der Belaubungszeit her kannten. Die verständnißvoll aufgefaßten Baumbilder unseres Buches sind das Ergebniß solcher Wanderungen, wobei es allerdings zuweilen seine Schwierigkeiten hatte, ein passendes Baumbeispiel ausfindig zu machen.
Bei dieser Gelegenheit mag es nicht überflüssig sein, darauf auf- merksam zu machen, daß es wohl überlegt sein will, einen Baum für seine Darstellung auszuheben, wenn es darauf ankommt, dadurch ein charakteristisches Bild seiner Art zu geben. Nicht nur, daß man sich dabei davor hüten muß, zu sehr die Rücksicht des "Malerischen" zu nehmen, sondern man muß auch wohl berücksichtigen, unter welchen Verhältnissen ein zu wählender Baum aufgewachsen ist.
Die Waldbäume sind meist gesellige Wesen und wie bei Menschen so macht sich auch bei den Bäumen der Einfluß der Gesellschaft geltend.
Man stößt zunächst sehr häufig auf die große Schwierigkeit, daß ein treu darzustellender Baum zu wenig frei steht, um sein Bild in seinem
ſelbſt einen Winter hindurch, die ſchönen Baumwaldungen Leipzigs durch- wandert und dabei ein Verſtändniß der unterſcheidenden Baumcharaktere gewonnen hatten.
Ich will nicht in Abrede ſtellen und muß dies hier ausdrücklich hervorheben, um nicht die Kunſtkritiker gegen mich aufzubringen, daß es nicht die Aufgabe des Landſchafters iſt, in den Landſchaften mit botaniſcher Genauigkeit aufgefaßte Baumbilder zu malen, aber eben ſo wenig wird man mir beſtreiten können, daß ſolche Baumarten, welche einen beſtimmten architektoniſchen Charakter zu haben pflegen, mit Wiedergabe dieſes dar- geſtellt werden müſſen; und man wird mir dies um ſo weniger beſtreiten wollen, weil bei einigen Baumarten, Eiche, Kiefer, Birke, man dies ohnehin jetzt ſchon thut.
Will man ſich eine derartige größere Baumkenntniß verſchaffen, ſo thut man wohl, damit im Winter zu beginnen, weil man da die Archi- tektur der Bäume, wegen der mangelnden Belaubung klar und deutlich vor ſich ſieht. Ich habe mich mehrmals überzeugt, daß auf einem winter- lichen Spaziergange geſchickte Landſchaftsmaler wohl Eichen und Birken, von Nadelhölzern natürlich nicht zu reden, zu unterſcheiden vermochten, allein die übrigen Laubhölzer waren ihnen meiſtentheils unverſtändliches Sparrwerk, wenn es ſich dabei nicht um beſtimmte Bäume handelte, die ſie von der Belaubungszeit her kannten. Die verſtändnißvoll aufgefaßten Baumbilder unſeres Buches ſind das Ergebniß ſolcher Wanderungen, wobei es allerdings zuweilen ſeine Schwierigkeiten hatte, ein paſſendes Baumbeiſpiel ausfindig zu machen.
Bei dieſer Gelegenheit mag es nicht überflüſſig ſein, darauf auf- merkſam zu machen, daß es wohl überlegt ſein will, einen Baum für ſeine Darſtellung auszuheben, wenn es darauf ankommt, dadurch ein charakteriſtiſches Bild ſeiner Art zu geben. Nicht nur, daß man ſich dabei davor hüten muß, zu ſehr die Rückſicht des „Maleriſchen“ zu nehmen, ſondern man muß auch wohl berückſichtigen, unter welchen Verhältniſſen ein zu wählender Baum aufgewachſen iſt.
Die Waldbäume ſind meiſt geſellige Weſen und wie bei Menſchen ſo macht ſich auch bei den Bäumen der Einfluß der Geſellſchaft geltend.
Man ſtößt zunächſt ſehr häufig auf die große Schwierigkeit, daß ein treu darzuſtellender Baum zu wenig frei ſteht, um ſein Bild in ſeinem
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ſelbſt einen Winter hindurch, die ſchönen Baumwaldungen Leipzigs durch-
wandert und dabei ein Verſtändniß der unterſcheidenden Baumcharaktere
gewonnen hatten.
Ich will nicht in Abrede ſtellen und muß dies hier ausdrücklich
hervorheben, um nicht die Kunſtkritiker gegen mich aufzubringen, daß es
nicht die Aufgabe des Landſchafters iſt, in den Landſchaften mit botaniſcher
Genauigkeit aufgefaßte Baumbilder zu malen, aber eben ſo wenig wird
man mir beſtreiten können, daß ſolche Baumarten, welche einen beſtimmten
architektoniſchen Charakter zu haben pflegen, mit Wiedergabe dieſes dar-
geſtellt werden müſſen; und man wird mir dies um ſo weniger beſtreiten
wollen, weil bei einigen Baumarten, Eiche, Kiefer, Birke, man dies
ohnehin jetzt ſchon thut.
Will man ſich eine derartige größere Baumkenntniß verſchaffen, ſo
thut man wohl, damit im Winter zu beginnen, weil man da die Archi-
tektur der Bäume, wegen der mangelnden Belaubung klar und deutlich
vor ſich ſieht. Ich habe mich mehrmals überzeugt, daß auf einem winter-
lichen Spaziergange geſchickte Landſchaftsmaler wohl Eichen und Birken,
von Nadelhölzern natürlich nicht zu reden, zu unterſcheiden vermochten,
allein die übrigen Laubhölzer waren ihnen meiſtentheils unverſtändliches
Sparrwerk, wenn es ſich dabei nicht um beſtimmte Bäume handelte, die
ſie von der Belaubungszeit her kannten. Die verſtändnißvoll aufgefaßten
Baumbilder unſeres Buches ſind das Ergebniß ſolcher Wanderungen,
wobei es allerdings zuweilen ſeine Schwierigkeiten hatte, ein paſſendes
Baumbeiſpiel ausfindig zu machen.
Bei dieſer Gelegenheit mag es nicht überflüſſig ſein, darauf auf-
merkſam zu machen, daß es wohl überlegt ſein will, einen Baum für
ſeine Darſtellung auszuheben, wenn es darauf ankommt, dadurch ein
charakteriſtiſches Bild ſeiner Art zu geben. Nicht nur, daß man ſich dabei
davor hüten muß, zu ſehr die Rückſicht des „Maleriſchen“ zu nehmen,
ſondern man muß auch wohl berückſichtigen, unter welchen Verhältniſſen
ein zu wählender Baum aufgewachſen iſt.
Die Waldbäume ſind meiſt geſellige Weſen und wie bei Menſchen
ſo macht ſich auch bei den Bäumen der Einfluß der Geſellſchaft geltend.
Man ſtößt zunächſt ſehr häufig auf die große Schwierigkeit, daß ein
treu darzuſtellender Baum zu wenig frei ſteht, um ſein Bild in ſeinem
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/257>, abgerufen am 23.12.2024.
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