Gehen wir in der feinern Zusammensetzung der Laubkronen um einen Schritt weiter, so müssen wir nun untersuchen, wie an den Zweigen die Triebe angeordnet sind und kommen so allmälig in das Gebiet der Ornamentik.
Wir haben uns hier daran zu erinnern, daß wir in der Hauptsache die kreuzweis gegenständige, die spirale und allenfalls noch die zweizeilige Triebstellung zu unterscheiden haben und in diesen Stellungsverschieden- heiten müßte demnach ein wesentlicher Grund dazu liegen, welchen Charakter eine Baumkrone in ihrer feinen Gliederung haben müßte. Allein dies ist weniger häufig der Fall, als man glauben sollte und zwar aus dem Grunde, den wir oben wiederholt berührten, daß eine Menge Triebe nicht zur Entfaltung kommen, weil die Knospen, von denen die- selben auszugehen gehabt hätten, abstarben.
Wir können in der Hauptsache dreierlei Arten der Triebstellung am Zweige unterscheiden, die büschelige, die fächerförmige und die spitz kegel- förmige, oder vielmehr durch die verschiedene Anordnung der Triebe be- kommt ein einzelner Zweig entweder eine büschelige, eine fächerförmige oder eine spitz kegelförmige Gestalt und es ist dann aus solchen Gestalten die Krone zusammengesetzt. Wir haben früher (S. 74) die Triebe als Langtriebe und als Kurztriebe unterschieden, woran wir uns jetzt wieder erinnern müssen, weil es einen großen Einfluß auf die feinere Gliederung einer Laubholzkrone ausübt, ob ein Baum mehr Langtriebe oder mehr Kurztriebe bildet. Die vorhin hervorgehobene Verschiedenheit der Kronen- bildung je nach dem Alter des Baumes beruht großentheils darauf, daß junge, auf gutem Boden und in kräftigem Wuchs stehende Bäume mehr Langtriebe, als Kurztriebe machen, während an sehr alten Bäumen fast gar keine Langtriebe mehr vorkommen, sondern die Krone an ihrem ganzen Umfange nur sehr spärlich sich vergrößert durch Hinzuwachs von zahllosen außerordentlich geringfügigen Kurztrieben. Die Buche und die Ulme macht namentlich bis in ein ziemlich hohes Alter sehr viele Langtriebe, wodurch es bedingt wird, daß die Krone dieser Bäume eine mehr oder weniger große Zahl heraustretender Spitzen zeigen. Am grellsten zeigt sich der Einfluß des Gegensatzes zwischen Kurztrieben und Langtrieben bei der Birke, wozu noch kommt, daß die Zweige und selbst die Aeste der- selben außerordentlich viel geringer in der Dicke als in der Länge
Gehen wir in der feinern Zuſammenſetzung der Laubkronen um einen Schritt weiter, ſo müſſen wir nun unterſuchen, wie an den Zweigen die Triebe angeordnet ſind und kommen ſo allmälig in das Gebiet der Ornamentik.
Wir haben uns hier daran zu erinnern, daß wir in der Hauptſache die kreuzweis gegenſtändige, die ſpirale und allenfalls noch die zweizeilige Triebſtellung zu unterſcheiden haben und in dieſen Stellungsverſchieden- heiten müßte demnach ein weſentlicher Grund dazu liegen, welchen Charakter eine Baumkrone in ihrer feinen Gliederung haben müßte. Allein dies iſt weniger häufig der Fall, als man glauben ſollte und zwar aus dem Grunde, den wir oben wiederholt berührten, daß eine Menge Triebe nicht zur Entfaltung kommen, weil die Knospen, von denen die- ſelben auszugehen gehabt hätten, abſtarben.
Wir können in der Hauptſache dreierlei Arten der Triebſtellung am Zweige unterſcheiden, die büſchelige, die fächerförmige und die ſpitz kegel- förmige, oder vielmehr durch die verſchiedene Anordnung der Triebe be- kommt ein einzelner Zweig entweder eine büſchelige, eine fächerförmige oder eine ſpitz kegelförmige Geſtalt und es iſt dann aus ſolchen Geſtalten die Krone zuſammengeſetzt. Wir haben früher (S. 74) die Triebe als Langtriebe und als Kurztriebe unterſchieden, woran wir uns jetzt wieder erinnern müſſen, weil es einen großen Einfluß auf die feinere Gliederung einer Laubholzkrone ausübt, ob ein Baum mehr Langtriebe oder mehr Kurztriebe bildet. Die vorhin hervorgehobene Verſchiedenheit der Kronen- bildung je nach dem Alter des Baumes beruht großentheils darauf, daß junge, auf gutem Boden und in kräftigem Wuchs ſtehende Bäume mehr Langtriebe, als Kurztriebe machen, während an ſehr alten Bäumen faſt gar keine Langtriebe mehr vorkommen, ſondern die Krone an ihrem ganzen Umfange nur ſehr ſpärlich ſich vergrößert durch Hinzuwachs von zahlloſen außerordentlich geringfügigen Kurztrieben. Die Buche und die Ulme macht namentlich bis in ein ziemlich hohes Alter ſehr viele Langtriebe, wodurch es bedingt wird, daß die Krone dieſer Bäume eine mehr oder weniger große Zahl heraustretender Spitzen zeigen. Am grellſten zeigt ſich der Einfluß des Gegenſatzes zwiſchen Kurztrieben und Langtrieben bei der Birke, wozu noch kommt, daß die Zweige und ſelbſt die Aeſte der- ſelben außerordentlich viel geringer in der Dicke als in der Länge
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Gehen wir in der feinern Zuſammenſetzung der Laubkronen um
einen Schritt weiter, ſo müſſen wir nun unterſuchen, wie an den Zweigen
die Triebe angeordnet ſind und kommen ſo allmälig in das Gebiet der
Ornamentik.
Wir haben uns hier daran zu erinnern, daß wir in der Hauptſache
die kreuzweis gegenſtändige, die ſpirale und allenfalls noch die zweizeilige
Triebſtellung zu unterſcheiden haben und in dieſen Stellungsverſchieden-
heiten müßte demnach ein weſentlicher Grund dazu liegen, welchen
Charakter eine Baumkrone in ihrer feinen Gliederung haben müßte.
Allein dies iſt weniger häufig der Fall, als man glauben ſollte und zwar
aus dem Grunde, den wir oben wiederholt berührten, daß eine Menge
Triebe nicht zur Entfaltung kommen, weil die Knospen, von denen die-
ſelben auszugehen gehabt hätten, abſtarben.
Wir können in der Hauptſache dreierlei Arten der Triebſtellung am
Zweige unterſcheiden, die büſchelige, die fächerförmige und die ſpitz kegel-
förmige, oder vielmehr durch die verſchiedene Anordnung der Triebe be-
kommt ein einzelner Zweig entweder eine büſchelige, eine fächerförmige
oder eine ſpitz kegelförmige Geſtalt und es iſt dann aus ſolchen Geſtalten
die Krone zuſammengeſetzt. Wir haben früher (S. 74) die Triebe als
Langtriebe und als Kurztriebe unterſchieden, woran wir uns jetzt wieder
erinnern müſſen, weil es einen großen Einfluß auf die feinere Gliederung
einer Laubholzkrone ausübt, ob ein Baum mehr Langtriebe oder mehr
Kurztriebe bildet. Die vorhin hervorgehobene Verſchiedenheit der Kronen-
bildung je nach dem Alter des Baumes beruht großentheils darauf, daß
junge, auf gutem Boden und in kräftigem Wuchs ſtehende Bäume mehr
Langtriebe, als Kurztriebe machen, während an ſehr alten Bäumen faſt
gar keine Langtriebe mehr vorkommen, ſondern die Krone an ihrem ganzen
Umfange nur ſehr ſpärlich ſich vergrößert durch Hinzuwachs von zahlloſen
außerordentlich geringfügigen Kurztrieben. Die Buche und die Ulme
macht namentlich bis in ein ziemlich hohes Alter ſehr viele Langtriebe,
wodurch es bedingt wird, daß die Krone dieſer Bäume eine mehr oder
weniger große Zahl heraustretender Spitzen zeigen. Am grellſten zeigt
ſich der Einfluß des Gegenſatzes zwiſchen Kurztrieben und Langtrieben bei
der Birke, wozu noch kommt, daß die Zweige und ſelbſt die Aeſte der-
ſelben außerordentlich viel geringer in der Dicke als in der Länge
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/248>, abgerufen am 22.12.2024.
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