Laubhölzern entfernt, während Tanne und Kiefern diesen hierin etwas näher stehen.
Schon im Stangenholzalter ist die Tanne durch ihre Nadelgruppirung, die mehr selbstständige buschige Massen bildet, von der Fichte, bei der linienförmige Gruppirung vorsticht, sehr verschieden, was durch das Auf- streben der Aeste wesentlich erhöht wird, indem dadurch der Contrast der tiefgrünen Oberseite von der hellblaugrünen Unterseite der Nadeln mehr hervortritt und diese contrastirenden Farbentöne die Tanne noch mehr vor dem Melancholischen der Fichte bewahren. Da die Kiefer im Alter ihre Nadeln nicht leicht länger als 3--4 Jahre behält, also alle älteren Triebe kahl sind, so giebt dies bei der Länge und einiger Einwärts- krümmung der Nadeln der Benadelung derselben etwas Lockeres, Sträußchen- artiges, worauf noch ganz besonders die Stellung der männlichen Blüthen- kätzchen nach deren Abfallen einen eigenthümlichen Einfluß ausübt.
Wenn in reichen Samenjahren die Fichte blüht und eben im Begriff steht, ihre kugelrunden männlichen Blüthenkätzchen zu öffnen, dann erfreut sie sich vor allen andern Waldbäumen eines reizenden Schmuckes, denn dann sehen diese an Gestalt und Farbe Erdbeeren täuschend ähnlich, so daß es leicht sein würde, einen Urkundigen mit einer Schale voll davon bis zum Zulangen zu täuschen. Diese prachtvoll purpurrothen Blüthen- kugeln sind über den ganzen Baum ausgebreitet, während die unschein- bareren weiblichen Blüthenzäpfchen mehr im Wipfel stehen.
Die Tanne trägt beiderlei Blüthen blos im obersten Wipfel und nur in reichen Samenjahren fallen ungesucht die aufrechten fingerlangen hellgrünen, igelartig mit langen Deckblättchen besetzten weiblichen Blüthen- zapfen in das Auge, während die männlichen weniger hervortreten.
Die Kiefern sind von allen Nadelhölzern die blüthebeflissensten und während die kleinen erbsengroßen weiblichen Blüthenzäpfchen (S. 124 Fig. 1.), obgleich an der Spitze der jungen Triebe stehend, nichts zum Charakter des Baumes beitragen, so verleihen die in Menge um das untere Ende des jungen Triebes gruppirten schwefelgelben eirunden männ- lichen Blüthenkätzchen (S. 124 Fig. 13.) der blühenden Kiefer einen allerdings kaum länger als eine Woche währenden Schmuck, der den nichts weniger als zierenden Aberglauben des Schwefelregens veran- laßt hat.
Laubhölzern entfernt, während Tanne und Kiefern dieſen hierin etwas näher ſtehen.
Schon im Stangenholzalter iſt die Tanne durch ihre Nadelgruppirung, die mehr ſelbſtſtändige buſchige Maſſen bildet, von der Fichte, bei der linienförmige Gruppirung vorſticht, ſehr verſchieden, was durch das Auf- ſtreben der Aeſte weſentlich erhöht wird, indem dadurch der Contraſt der tiefgrünen Oberſeite von der hellblaugrünen Unterſeite der Nadeln mehr hervortritt und dieſe contraſtirenden Farbentöne die Tanne noch mehr vor dem Melancholiſchen der Fichte bewahren. Da die Kiefer im Alter ihre Nadeln nicht leicht länger als 3—4 Jahre behält, alſo alle älteren Triebe kahl ſind, ſo giebt dies bei der Länge und einiger Einwärts- krümmung der Nadeln der Benadelung derſelben etwas Lockeres, Sträußchen- artiges, worauf noch ganz beſonders die Stellung der männlichen Blüthen- kätzchen nach deren Abfallen einen eigenthümlichen Einfluß ausübt.
Wenn in reichen Samenjahren die Fichte blüht und eben im Begriff ſteht, ihre kugelrunden männlichen Blüthenkätzchen zu öffnen, dann erfreut ſie ſich vor allen andern Waldbäumen eines reizenden Schmuckes, denn dann ſehen dieſe an Geſtalt und Farbe Erdbeeren täuſchend ähnlich, ſo daß es leicht ſein würde, einen Urkundigen mit einer Schale voll davon bis zum Zulangen zu täuſchen. Dieſe prachtvoll purpurrothen Blüthen- kugeln ſind über den ganzen Baum ausgebreitet, während die unſchein- bareren weiblichen Blüthenzäpfchen mehr im Wipfel ſtehen.
Die Tanne trägt beiderlei Blüthen blos im oberſten Wipfel und nur in reichen Samenjahren fallen ungeſucht die aufrechten fingerlangen hellgrünen, igelartig mit langen Deckblättchen beſetzten weiblichen Blüthen- zapfen in das Auge, während die männlichen weniger hervortreten.
Die Kiefern ſind von allen Nadelhölzern die blüthebefliſſenſten und während die kleinen erbſengroßen weiblichen Blüthenzäpfchen (S. 124 Fig. 1.), obgleich an der Spitze der jungen Triebe ſtehend, nichts zum Charakter des Baumes beitragen, ſo verleihen die in Menge um das untere Ende des jungen Triebes gruppirten ſchwefelgelben eirunden männ- lichen Blüthenkätzchen (S. 124 Fig. 13.) der blühenden Kiefer einen allerdings kaum länger als eine Woche währenden Schmuck, der den nichts weniger als zierenden Aberglauben des Schwefelregens veran- laßt hat.
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Laubhölzern entfernt, während Tanne und Kiefern dieſen hierin etwas
näher ſtehen.
Schon im Stangenholzalter iſt die Tanne durch ihre Nadelgruppirung,
die mehr ſelbſtſtändige buſchige Maſſen bildet, von der Fichte, bei der
linienförmige Gruppirung vorſticht, ſehr verſchieden, was durch das Auf-
ſtreben der Aeſte weſentlich erhöht wird, indem dadurch der Contraſt der
tiefgrünen Oberſeite von der hellblaugrünen Unterſeite der Nadeln mehr
hervortritt und dieſe contraſtirenden Farbentöne die Tanne noch mehr
vor dem Melancholiſchen der Fichte bewahren. Da die Kiefer im Alter
ihre Nadeln nicht leicht länger als 3—4 Jahre behält, alſo alle älteren
Triebe kahl ſind, ſo giebt dies bei der Länge und einiger Einwärts-
krümmung der Nadeln der Benadelung derſelben etwas Lockeres, Sträußchen-
artiges, worauf noch ganz beſonders die Stellung der männlichen Blüthen-
kätzchen nach deren Abfallen einen eigenthümlichen Einfluß ausübt.
Wenn in reichen Samenjahren die Fichte blüht und eben im Begriff
ſteht, ihre kugelrunden männlichen Blüthenkätzchen zu öffnen, dann erfreut
ſie ſich vor allen andern Waldbäumen eines reizenden Schmuckes, denn
dann ſehen dieſe an Geſtalt und Farbe Erdbeeren täuſchend ähnlich, ſo
daß es leicht ſein würde, einen Urkundigen mit einer Schale voll davon
bis zum Zulangen zu täuſchen. Dieſe prachtvoll purpurrothen Blüthen-
kugeln ſind über den ganzen Baum ausgebreitet, während die unſchein-
bareren weiblichen Blüthenzäpfchen mehr im Wipfel ſtehen.
Die Tanne trägt beiderlei Blüthen blos im oberſten Wipfel und
nur in reichen Samenjahren fallen ungeſucht die aufrechten fingerlangen
hellgrünen, igelartig mit langen Deckblättchen beſetzten weiblichen Blüthen-
zapfen in das Auge, während die männlichen weniger hervortreten.
Die Kiefern ſind von allen Nadelhölzern die blüthebefliſſenſten und
während die kleinen erbſengroßen weiblichen Blüthenzäpfchen (S. 124
Fig. 1.), obgleich an der Spitze der jungen Triebe ſtehend, nichts zum
Charakter des Baumes beitragen, ſo verleihen die in Menge um das
untere Ende des jungen Triebes gruppirten ſchwefelgelben eirunden männ-
lichen Blüthenkätzchen (S. 124 Fig. 13.) der blühenden Kiefer einen
allerdings kaum länger als eine Woche währenden Schmuck, der den
nichts weniger als zierenden Aberglauben des Schwefelregens veran-
laßt hat.
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/239>, abgerufen am 22.12.2024.
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