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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Einen großen Nachtheil schreibt man dem Schmelzwasser des Rauch-
frostes zu, wenn während der warmen sonnigen Tagesstunden dabei zu-
gleich die besonnte Seite des Stammes und der Zweige plötzlich stark
erwärmt wird, nachdem sie vorher stark erkältet gewesen war.

Am nachtheiligsten ist die Winterkälte den Waldbäumen durch Er-
frieren der wegen zu schnellen Eintrittes des Winters nicht vollkommen
verholzten diesjährigen Triebe, und durch Erfrieren des noch nicht ganz aus-
gereiften Herbstholzes des neuen Jahresringes (S. 105).

Ehe wir nun noch Einiges über die Lebensdauer und den natürlichen
Tod der Bäume hinzufügen, haben wir noch als zu dem Leben des Baumes
gehörend das Ausschlagsvermögen des Baumes kennen zu lernen.

Es ist bekannt, daß viele Baumarten, wenn sie, wie es bei den
Laubhölzern fast immer geschieht, dicht über dem Boden abgehauen worden
sind aus dem Stocke wieder ausschlagen, auch wenn der Baum schon sehr
alt gewesen war. Daß dies keine Reproduktion im Sinne des thierischen
Bildungslebens genannt werden kann ist uns nach dem auf S. 180 hier-
über Gesagten selbstverständlich.

Das Ausschlagsvermögen beruht lediglich auf der Bildung von soge-
nannten Adventiv- oder Nebenknospen, d. h. solchen, welche nicht
aus der Achsel eines Blattes -- wir wissen, daß das der obere Winkel
ist, den ein Blatt mit dem Triebe macht -- entspringen, sondern aus
irgend einer Stelle der Oberfläche von älteren Axengebilden. Wir nennen
daher nun die echten in den Blattachseln gebildeten Knospen Achsel-
oder Axillarknospen, zu denen die am Trieb zwischen zwei Axillar-
knospen stehende End- oder Terminalknospe kommt. Von letzteren
beiden handelten wir auf S. 51 ff., wo wir die Achselknospen Seiten-
knospen nannten (S. 62).

Die Bildung der Adventivknospen ist sozusagen keine so planmäßige
wie die der Achselknospen, welche schon bald nach der ersten Anlage des
Blattes, in dessen Achsel sie stehen sollen, mit angelegt werden. Es kann
daher eine Adventivknospe an solchen Stellen der Axenglieder entstehen,
wo ursprünglich keine Anlage dazu vorhanden war.

Doch müssen wir hierbei zwischen echten Nebenknospen und so-
genannten schlafenden Knospen noch den Unterschied machen, daß
letztere solche Knospen sind, die bereits viele Jahre lang vorgebildet

Einen großen Nachtheil ſchreibt man dem Schmelzwaſſer des Rauch-
froſtes zu, wenn während der warmen ſonnigen Tagesſtunden dabei zu-
gleich die beſonnte Seite des Stammes und der Zweige plötzlich ſtark
erwärmt wird, nachdem ſie vorher ſtark erkältet geweſen war.

Am nachtheiligſten iſt die Winterkälte den Waldbäumen durch Er-
frieren der wegen zu ſchnellen Eintrittes des Winters nicht vollkommen
verholzten diesjährigen Triebe, und durch Erfrieren des noch nicht ganz aus-
gereiften Herbſtholzes des neuen Jahresringes (S. 105).

Ehe wir nun noch Einiges über die Lebensdauer und den natürlichen
Tod der Bäume hinzufügen, haben wir noch als zu dem Leben des Baumes
gehörend das Ausſchlagsvermögen des Baumes kennen zu lernen.

Es iſt bekannt, daß viele Baumarten, wenn ſie, wie es bei den
Laubhölzern faſt immer geſchieht, dicht über dem Boden abgehauen worden
ſind aus dem Stocke wieder ausſchlagen, auch wenn der Baum ſchon ſehr
alt geweſen war. Daß dies keine Reproduktion im Sinne des thieriſchen
Bildungslebens genannt werden kann iſt uns nach dem auf S. 180 hier-
über Geſagten ſelbſtverſtändlich.

Das Ausſchlagsvermögen beruht lediglich auf der Bildung von ſoge-
nannten Adventiv- oder Nebenknospen, d. h. ſolchen, welche nicht
aus der Achſel eines Blattes — wir wiſſen, daß das der obere Winkel
iſt, den ein Blatt mit dem Triebe macht — entſpringen, ſondern aus
irgend einer Stelle der Oberfläche von älteren Axengebilden. Wir nennen
daher nun die echten in den Blattachſeln gebildeten Knospen Achſel-
oder Axillarknospen, zu denen die am Trieb zwiſchen zwei Axillar-
knospen ſtehende End- oder Terminalknospe kommt. Von letzteren
beiden handelten wir auf S. 51 ff., wo wir die Achſelknospen Seiten-
knospen nannten (S. 62).

Die Bildung der Adventivknospen iſt ſozuſagen keine ſo planmäßige
wie die der Achſelknospen, welche ſchon bald nach der erſten Anlage des
Blattes, in deſſen Achſel ſie ſtehen ſollen, mit angelegt werden. Es kann
daher eine Adventivknospe an ſolchen Stellen der Axenglieder entſtehen,
wo urſprünglich keine Anlage dazu vorhanden war.

Doch müſſen wir hierbei zwiſchen echten Nebenknospen und ſo-
genannten ſchlafenden Knospen noch den Unterſchied machen, daß
letztere ſolche Knospen ſind, die bereits viele Jahre lang vorgebildet

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[190/0214] Einen großen Nachtheil ſchreibt man dem Schmelzwaſſer des Rauch- froſtes zu, wenn während der warmen ſonnigen Tagesſtunden dabei zu- gleich die beſonnte Seite des Stammes und der Zweige plötzlich ſtark erwärmt wird, nachdem ſie vorher ſtark erkältet geweſen war. Am nachtheiligſten iſt die Winterkälte den Waldbäumen durch Er- frieren der wegen zu ſchnellen Eintrittes des Winters nicht vollkommen verholzten diesjährigen Triebe, und durch Erfrieren des noch nicht ganz aus- gereiften Herbſtholzes des neuen Jahresringes (S. 105). Ehe wir nun noch Einiges über die Lebensdauer und den natürlichen Tod der Bäume hinzufügen, haben wir noch als zu dem Leben des Baumes gehörend das Ausſchlagsvermögen des Baumes kennen zu lernen. Es iſt bekannt, daß viele Baumarten, wenn ſie, wie es bei den Laubhölzern faſt immer geſchieht, dicht über dem Boden abgehauen worden ſind aus dem Stocke wieder ausſchlagen, auch wenn der Baum ſchon ſehr alt geweſen war. Daß dies keine Reproduktion im Sinne des thieriſchen Bildungslebens genannt werden kann iſt uns nach dem auf S. 180 hier- über Geſagten ſelbſtverſtändlich. Das Ausſchlagsvermögen beruht lediglich auf der Bildung von ſoge- nannten Adventiv- oder Nebenknospen, d. h. ſolchen, welche nicht aus der Achſel eines Blattes — wir wiſſen, daß das der obere Winkel iſt, den ein Blatt mit dem Triebe macht — entſpringen, ſondern aus irgend einer Stelle der Oberfläche von älteren Axengebilden. Wir nennen daher nun die echten in den Blattachſeln gebildeten Knospen Achſel- oder Axillarknospen, zu denen die am Trieb zwiſchen zwei Axillar- knospen ſtehende End- oder Terminalknospe kommt. Von letzteren beiden handelten wir auf S. 51 ff., wo wir die Achſelknospen Seiten- knospen nannten (S. 62). Die Bildung der Adventivknospen iſt ſozuſagen keine ſo planmäßige wie die der Achſelknospen, welche ſchon bald nach der erſten Anlage des Blattes, in deſſen Achſel ſie ſtehen ſollen, mit angelegt werden. Es kann daher eine Adventivknospe an ſolchen Stellen der Axenglieder entſtehen, wo urſprünglich keine Anlage dazu vorhanden war. Doch müſſen wir hierbei zwiſchen echten Nebenknospen und ſo- genannten ſchlafenden Knospen noch den Unterſchied machen, daß letztere ſolche Knospen ſind, die bereits viele Jahre lang vorgebildet

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/214>, abgerufen am 22.12.2024.