den vorjährigen Trieben, bei andern am jungen Holze, den neuen Trieben, stehen. Am alten Holze stehen die Blüthen bei allen vor den Blättern blühenden Arten (S. 182). Die speciellen Besonderheiten hierin der Beschreibung der einzelnen Baumarten vorbehaltend sei hier nur noch des eigenthümlichen Falles gedacht, daß bei den Birken die männlichen Blüthen am alten (an den vorjährigen Triebspitzen), die weiblichen da- gegen am jungen Holze stehen.
Auch in der weiteren örtlichen Vertheilung der Blüthen in der Baumkrone finden zuweilen bestimmte Regeln statt. Bald sind sie ziemlich gleichmäßig in der Krone vertheilt, wenn der Baum in dem vollen Frucht- barkeitsalter steht, wie bei Buche und Eiche; bald sind sie mehr auf ge- wisse Theile der Krone beschränkt, wie z. B. bei Fichte und Tanne mehr an den höchsten Stellen als weiter unten, während sie bei der verwandten Kiefer gleichmäßig vertheilt sind.
Wir nähern uns dem Ende des Jahreslaufs, zu dessen Betrachtung wir eine Buche als leitendes Beispiel wählten. Der Herbst kommt mit seinem Laubfall.
Diesem geht aber die Verfärbung des Laubes voraus, welche unseren Laubwäldern einen neuen vorübergehenden zu Wehmuth stimmen- den Schmuck verleiht. Auch hierin zeigen die Bäume ihre verschiedenen Besonderheiten. Die Erle wechselt ihre Farbe nicht, sondern läßt das Laub grün fallen, während die Birkenblätter vor dem Abfallen ein lichtes Ockergelb annehmen, wie überhaupt die gelbe Farbe das bekannte herrschende Herbstkleid des Waldes ist. Am lebhaftesten, fast pommeranzen- gelb ist es bei der Buche, so daß ein herbstlicher Buchenwald von einem leuchtenden Schimmer durchstrahlt ist. Der wilde Kirschbaum färbt sich im Herbst ziemlich rein und lebhaft karminroth. Am düstersten sieht die Eiche in ihrer schon am Baume aus Gelb in Braun übergehenden Belaubung aus.
Der Gang der Umwandlung des Grün in die Herbstfarbe ist ent- weder eine allmälige über die ganze Blattfläche gleichmäßig sich erstreckende Umstimmung des Tones, so daß ein grünes Blatt allmälig im Ganzen gelblich und immer gelber wird; oder es ist ein örtlich schrittweises Ver- drängen der grünen durch die Herbstfarbe, etwa ähnlich wie mit blauer Pflanzenfarbe gefärbtes Fließpapier mit den Rande in Säure gehalten durch die vordringende Säure streifenweise roth wird.
den vorjährigen Trieben, bei andern am jungen Holze, den neuen Trieben, ſtehen. Am alten Holze ſtehen die Blüthen bei allen vor den Blättern blühenden Arten (S. 182). Die ſpeciellen Beſonderheiten hierin der Beſchreibung der einzelnen Baumarten vorbehaltend ſei hier nur noch des eigenthümlichen Falles gedacht, daß bei den Birken die männlichen Blüthen am alten (an den vorjährigen Triebſpitzen), die weiblichen da- gegen am jungen Holze ſtehen.
Auch in der weiteren örtlichen Vertheilung der Blüthen in der Baumkrone finden zuweilen beſtimmte Regeln ſtatt. Bald ſind ſie ziemlich gleichmäßig in der Krone vertheilt, wenn der Baum in dem vollen Frucht- barkeitsalter ſteht, wie bei Buche und Eiche; bald ſind ſie mehr auf ge- wiſſe Theile der Krone beſchränkt, wie z. B. bei Fichte und Tanne mehr an den höchſten Stellen als weiter unten, während ſie bei der verwandten Kiefer gleichmäßig vertheilt ſind.
Wir nähern uns dem Ende des Jahreslaufs, zu deſſen Betrachtung wir eine Buche als leitendes Beiſpiel wählten. Der Herbſt kommt mit ſeinem Laubfall.
Dieſem geht aber die Verfärbung des Laubes voraus, welche unſeren Laubwäldern einen neuen vorübergehenden zu Wehmuth ſtimmen- den Schmuck verleiht. Auch hierin zeigen die Bäume ihre verſchiedenen Beſonderheiten. Die Erle wechſelt ihre Farbe nicht, ſondern läßt das Laub grün fallen, während die Birkenblätter vor dem Abfallen ein lichtes Ockergelb annehmen, wie überhaupt die gelbe Farbe das bekannte herrſchende Herbſtkleid des Waldes iſt. Am lebhafteſten, faſt pommeranzen- gelb iſt es bei der Buche, ſo daß ein herbſtlicher Buchenwald von einem leuchtenden Schimmer durchſtrahlt iſt. Der wilde Kirſchbaum färbt ſich im Herbſt ziemlich rein und lebhaft karminroth. Am düſterſten ſieht die Eiche in ihrer ſchon am Baume aus Gelb in Braun übergehenden Belaubung aus.
Der Gang der Umwandlung des Grün in die Herbſtfarbe iſt ent- weder eine allmälige über die ganze Blattfläche gleichmäßig ſich erſtreckende Umſtimmung des Tones, ſo daß ein grünes Blatt allmälig im Ganzen gelblich und immer gelber wird; oder es iſt ein örtlich ſchrittweiſes Ver- drängen der grünen durch die Herbſtfarbe, etwa ähnlich wie mit blauer Pflanzenfarbe gefärbtes Fließpapier mit den Rande in Säure gehalten durch die vordringende Säure ſtreifenweiſe roth wird.
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den vorjährigen Trieben, bei andern am jungen Holze, den neuen
Trieben, ſtehen. Am alten Holze ſtehen die Blüthen bei allen vor den
Blättern blühenden Arten (S. 182). Die ſpeciellen Beſonderheiten hierin
der Beſchreibung der einzelnen Baumarten vorbehaltend ſei hier nur noch
des eigenthümlichen Falles gedacht, daß bei den Birken die männlichen
Blüthen am alten (an den vorjährigen Triebſpitzen), die weiblichen da-
gegen am jungen Holze ſtehen.
Auch in der weiteren örtlichen Vertheilung der Blüthen in der
Baumkrone finden zuweilen beſtimmte Regeln ſtatt. Bald ſind ſie ziemlich
gleichmäßig in der Krone vertheilt, wenn der Baum in dem vollen Frucht-
barkeitsalter ſteht, wie bei Buche und Eiche; bald ſind ſie mehr auf ge-
wiſſe Theile der Krone beſchränkt, wie z. B. bei Fichte und Tanne mehr
an den höchſten Stellen als weiter unten, während ſie bei der verwandten
Kiefer gleichmäßig vertheilt ſind.
Wir nähern uns dem Ende des Jahreslaufs, zu deſſen Betrachtung
wir eine Buche als leitendes Beiſpiel wählten. Der Herbſt kommt mit
ſeinem Laubfall.
Dieſem geht aber die Verfärbung des Laubes voraus, welche
unſeren Laubwäldern einen neuen vorübergehenden zu Wehmuth ſtimmen-
den Schmuck verleiht. Auch hierin zeigen die Bäume ihre verſchiedenen
Beſonderheiten. Die Erle wechſelt ihre Farbe nicht, ſondern läßt das
Laub grün fallen, während die Birkenblätter vor dem Abfallen ein lichtes
Ockergelb annehmen, wie überhaupt die gelbe Farbe das bekannte
herrſchende Herbſtkleid des Waldes iſt. Am lebhafteſten, faſt pommeranzen-
gelb iſt es bei der Buche, ſo daß ein herbſtlicher Buchenwald von einem
leuchtenden Schimmer durchſtrahlt iſt. Der wilde Kirſchbaum färbt ſich im
Herbſt ziemlich rein und lebhaft karminroth. Am düſterſten ſieht die Eiche in
ihrer ſchon am Baume aus Gelb in Braun übergehenden Belaubung aus.
Der Gang der Umwandlung des Grün in die Herbſtfarbe iſt ent-
weder eine allmälige über die ganze Blattfläche gleichmäßig ſich erſtreckende
Umſtimmung des Tones, ſo daß ein grünes Blatt allmälig im Ganzen
gelblich und immer gelber wird; oder es iſt ein örtlich ſchrittweiſes Ver-
drängen der grünen durch die Herbſtfarbe, etwa ähnlich wie mit blauer
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/209>, abgerufen am 22.12.2024.
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