Durch Theilung, Streckung und sonstige Umbildung bilden sich nun aus diesen Cambiumzellen einerseits Rinden-, anderseits Holzzellen, da sich das Cambium buchstäblich zwischen Rinde und Holz eindrängt.
Wir schließen am passendsten an dieser Stelle eine bisher noch nicht berührte Auffassung der Gliederung des Holzkörpers an. Gewöhnlich ist man geneigt, sich den Holzkörper und die Rinde als zwei für sich getrennt bestehende Gewebemassen zu denken, wenn man auch nicht vergißt und von uns eben recht eindringlich erkannt worden ist, daß das Holz ohne Rinde weder leben noch zunehmen kann. Beide aber gehören auf das innigste zusammen und bilden ein Ganzes. Sehen wir mit einer scharfen Lupe den recht glatt geschnittenen Querschnitt eines Zweiges an, so sehen wir das Holz durch die Markstrahlen in keilförmige Partien ab- getheilt. Dies sind die Holzbündel, zu deren jedem das anstoßende Rindenstück gehört, beide während der Vegetationszeit durch einen Cambium- antheil verbunden, der nur deshalb während des Winters nicht sichtbar ist, weil er dann vollständig einerseits in Rinden-, anderseits in Holz- Gewebe verwandelt ist.
Demnach besteht ein Stamm aus zahllosen platt keilförmigen Holz- bündeln zu äußerst mit einem zugehörigen Rindenantheil.
Solche Hölzer, welche recht glatt und gerade spalten, wie Tannen- und Fichtenholz, bedingen mit Nothwendigkeit die Annahme, daß der Strom des Bildungssaftes und die Längsanordnung und Gestaltung der Cambiumzellen geradlinig erfolgt. Dies ist aber keineswegs eine aus- nahmslose Regel. Es kommen vielmehr Erscheinungen vor, bei denen man sich nicht wundern kann, daß man bei oberflächlicher Betrachtung den Bildungssaft lange Zeit für eine zwischen Rinde und Holz frei strömende Flüssigkeit gehalten hat.
Figur XXVII. zeigt uns ein Gebilde dieser Art. Es ist ein ent- rindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche, der mit mehreren anderen gleicher Art auf der Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Carlsruhe vorgezeigt und mir später zur Benutzung über- lassen wurde. Obgleich damals über die Entstehungsweise und die Oert- lichkeit des Vorkommens an der Eiche nichts mitgetheilt worden zu sein scheint, so glaube ich doch durch folgende Worte a. a. O. dieses eigen- thümliche Gebilde richtig gedeutet zu haben:
Durch Theilung, Streckung und ſonſtige Umbildung bilden ſich nun aus dieſen Cambiumzellen einerſeits Rinden-, anderſeits Holzzellen, da ſich das Cambium buchſtäblich zwiſchen Rinde und Holz eindrängt.
Wir ſchließen am paſſendſten an dieſer Stelle eine bisher noch nicht berührte Auffaſſung der Gliederung des Holzkörpers an. Gewöhnlich iſt man geneigt, ſich den Holzkörper und die Rinde als zwei für ſich getrennt beſtehende Gewebemaſſen zu denken, wenn man auch nicht vergißt und von uns eben recht eindringlich erkannt worden iſt, daß das Holz ohne Rinde weder leben noch zunehmen kann. Beide aber gehören auf das innigſte zuſammen und bilden ein Ganzes. Sehen wir mit einer ſcharfen Lupe den recht glatt geſchnittenen Querſchnitt eines Zweiges an, ſo ſehen wir das Holz durch die Markſtrahlen in keilförmige Partien ab- getheilt. Dies ſind die Holzbündel, zu deren jedem das anſtoßende Rindenſtück gehört, beide während der Vegetationszeit durch einen Cambium- antheil verbunden, der nur deshalb während des Winters nicht ſichtbar iſt, weil er dann vollſtändig einerſeits in Rinden-, anderſeits in Holz- Gewebe verwandelt iſt.
Demnach beſteht ein Stamm aus zahlloſen platt keilförmigen Holz- bündeln zu äußerſt mit einem zugehörigen Rindenantheil.
Solche Hölzer, welche recht glatt und gerade ſpalten, wie Tannen- und Fichtenholz, bedingen mit Nothwendigkeit die Annahme, daß der Strom des Bildungsſaftes und die Längsanordnung und Geſtaltung der Cambiumzellen geradlinig erfolgt. Dies iſt aber keineswegs eine aus- nahmsloſe Regel. Es kommen vielmehr Erſcheinungen vor, bei denen man ſich nicht wundern kann, daß man bei oberflächlicher Betrachtung den Bildungsſaft lange Zeit für eine zwiſchen Rinde und Holz frei ſtrömende Flüſſigkeit gehalten hat.
Figur XXVII. zeigt uns ein Gebilde dieſer Art. Es iſt ein ent- rindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche, der mit mehreren anderen gleicher Art auf der Verſammlung der deutſchen Naturforſcher und Aerzte in Carlsruhe vorgezeigt und mir ſpäter zur Benutzung über- laſſen wurde. Obgleich damals über die Entſtehungsweiſe und die Oert- lichkeit des Vorkommens an der Eiche nichts mitgetheilt worden zu ſein ſcheint, ſo glaube ich doch durch folgende Worte a. a. O. dieſes eigen- thümliche Gebilde richtig gedeutet zu haben:
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Durch Theilung, Streckung und ſonſtige Umbildung bilden ſich nun aus
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Wir ſchließen am paſſendſten an dieſer Stelle eine bisher noch nicht
berührte Auffaſſung der Gliederung des Holzkörpers an. Gewöhnlich iſt
man geneigt, ſich den Holzkörper und die Rinde als zwei für ſich getrennt
beſtehende Gewebemaſſen zu denken, wenn man auch nicht vergißt und
von uns eben recht eindringlich erkannt worden iſt, daß das Holz
ohne Rinde weder leben noch zunehmen kann. Beide aber gehören auf
das innigſte zuſammen und bilden ein Ganzes. Sehen wir mit einer
ſcharfen Lupe den recht glatt geſchnittenen Querſchnitt eines Zweiges an,
ſo ſehen wir das Holz durch die Markſtrahlen in keilförmige Partien ab-
getheilt. Dies ſind die Holzbündel, zu deren jedem das anſtoßende
Rindenſtück gehört, beide während der Vegetationszeit durch einen Cambium-
antheil verbunden, der nur deshalb während des Winters nicht ſichtbar
iſt, weil er dann vollſtändig einerſeits in Rinden-, anderſeits in Holz-
Gewebe verwandelt iſt.
Demnach beſteht ein Stamm aus zahlloſen platt keilförmigen Holz-
bündeln zu äußerſt mit einem zugehörigen Rindenantheil.
Solche Hölzer, welche recht glatt und gerade ſpalten, wie Tannen-
und Fichtenholz, bedingen mit Nothwendigkeit die Annahme, daß der
Strom des Bildungsſaftes und die Längsanordnung und Geſtaltung der
Cambiumzellen geradlinig erfolgt. Dies iſt aber keineswegs eine aus-
nahmsloſe Regel. Es kommen vielmehr Erſcheinungen vor, bei denen
man ſich nicht wundern kann, daß man bei oberflächlicher Betrachtung
den Bildungsſaft lange Zeit für eine zwiſchen Rinde und Holz frei
ſtrömende Flüſſigkeit gehalten hat.
Figur XXVII. zeigt uns ein Gebilde dieſer Art. Es iſt ein ent-
rindeter zapfenförmiger Holzauswuchs von einer Eiche, der mit mehreren
anderen gleicher Art auf der Verſammlung der deutſchen Naturforſcher
und Aerzte in Carlsruhe vorgezeigt und mir ſpäter zur Benutzung über-
laſſen wurde. Obgleich damals über die Entſtehungsweiſe und die Oert-
lichkeit des Vorkommens an der Eiche nichts mitgetheilt worden zu ſein
ſcheint, ſo glaube ich doch durch folgende Worte a. a. O. dieſes eigen-
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/199>, abgerufen am 22.12.2024.
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