Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

geheiztes Zimmer hereingezogen hatte, die Knospen öffnete und ſich be-
laubte, während draußen der Baum übrigens in der Winterruhe blieb.

Von der reichlichen Fülle des Saftſtromes kann man ſich leicht über-
zeugen, wenn man kurz vor dem Eintritt deſſelben einem Baume einen
ſeiner unterſten nicht zu ſtarken Aeſte bis auf einen kurzen Stummel
abſägt, indem dann in den Stunden des lebhafteſten Saftſtroms eine
förmliche Quelle von Frühjahrsſaft aus der Wunde herabträufelt.

Unter dem Namen des „Thränens“ iſt der Saftſtrom von der
Weinrebe längſt bekannt und hier ſchon 1727 von Stephan Hales
ſeine treibende Gewalt gemeſſen worden. Durch eine aufgeſteckte doppelt
gekrümmte in der Biegung mit Queckſilber gefüllte Barometerröhre fand
er, daß der Saftſtrom dem Druck einer Queckſilberſäule von 38 Zoll die
Waage hielt, alſo den Druck der Atmoſphäre überwand.

Dieſe Gewalt des emporſteigenden Saftſtroms ſchien eine treibende
oder eine hebende Kraft vorauszuſetzen, die man lange Zeit an ver-
ſchiedenen Stellen des Baumes und ſelbſt des Bodens vergeblich ſuchte,
bis man in neuerer Zeit in der uns bereits bekannten Endosmoſe wenig-
ſtens den hauptſächlichſten Grund dieſer Erſcheinung gefunden hat. Doch
iſt anzunehmen und zum Theil auch bereits nachgewieſen, daß hier nicht
blos Wärme und Licht, ſondern auch andere Kräfte mitwirken mögen.

Es giebt viele Beobachtungsreihen über die Zeit des beginnenden
Saftſtroms, die jedoch nach der Lage des Beobachtungsortes und auch
nach der Witterung des Beobachtungsjahres nur ſchwankende und daher
auf Mittelwerthe zu berechnende Ergebniſſe lieferten. In Prag z. B. hat
Fritzſch das Ende der Winterruhe der Bäume, die er weſentlich nach
dem Safteintritt beſtimmte, in der Mitte des März gefunden und rechnet
genauer ausgedrückt die Dauer der Vegetationsperiode vom 11. März bis
zum 10. November, alſo auf 245 Tage oder faſt doppelt ſo lange als
die Zeit der Winterruhe. Der erforderliche Wärmegrad, der an den
verſchiedenen Orten und zu verſchiedenen Jahren ſehr verſchieden ſein
kann, verſchiebt natürlich die Zeit des Safteintritts.

Wenn man den vollkommen waſſerhellen und in den meiſten Fällen
auch geſchmackloſen Frühjahrsſaft chemiſch unterſucht, ſo zeigt er ſich von
dem Bodenwaſſer ſehr verſchieden; er muß alſo innerhalb des Baumes
bereits eine Veränderung erlitten haben. Er enthält in verſchiedenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/184
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/184>, abgerufen am 05.01.2025.