regeln, wenn eine unvorhergesehene Wendung der Dinge eintrat, Schnee- druck, Duftanhang, Windbruch, Sonnenbrand, Insektenfraß in den Lebens- verlauf der Bestände störend eingriff. Ja zuweilen ist es nichts von alledem, was ihn nöthigt ein junges Stangenholz oder selbst ein Dickicht abzuhauen, weil im Boden die Wurzeln vielleicht eine undurchlassende oder sonst eine feindselige Schicht erreicht haben, welche plötzlich das freudige Wachsthum unterbricht und es rathsam erscheinen läßt, eine andere Holzart anzubauen, welche diesem schädlichen Einflusse weniger unterworfen ist.
Wir begreifen nun besser eine Stelle in unserem ersten Abschnitte (S. 7), welche uns sagte, daß das Amt eines Försters auch seine Sorgen und Bekümmernisse hat.
Nachdem wir nun in Gedanken den Baum vor uns heranwachsen ließen, müssen wir nun sehen, wie sich das Leben in ihm regt und bewegt, wie es alljährlich Neues entfaltet und gestaltet. Wir treten darum an irgend einen erwachsenen Baum heran und lassen uns von der erfahrenen Wissenschaft erzählen, was in ihm und äußerlich an ihm vom ersten Frühjahrserwachen an bis zum Eintritt des Winters geschieht.
Wir wählen eine Buche in einem Laubholz-Mittelwalde, d. h. einem aus verschiedenen Laubholzarten in der Weise zusammengesetzten, daß hohe und alte Bäume in weitläufiger Stellung ein dichtes Unterholz überragen.
Der Schnee ist schon seit einigen Wochen beseitigt und auf ent- blößteren Stellen sprossen auch schon die ersten Spitzchen von allerhand Waldkräutern hervor. Wann, d. h. in welchem Monate und in welcher Woche des Monates dies sei, hängt von dem Wetter ab, welches das Amt der Schlüssel verwaltet, zu binden und zu lösen das der Befreiung harrende Baumleben.
Während des Winters war Alles still im Baume, wenigstens hat man durch Beobachtungen nicht das Gegentheil gefunden. Das Holz ist zwar nicht saftlos und trocken; im Gegentheil im todten Winter gefälltes Holz gehört zu dem schwersten und wasserreichsten.
Ob bei strenger Kälte der Saft in den Bäumen sich in gefrorenem Zustande befinde, ist oft bestritten und oft behauptet worden und wird beides wohl jetzt noch. Daß man die Holzgefäße während großer Kälte gefällter Bäume deutlich mit zu Eis erstarrtem Safte erfüllt fand, wollen
regeln, wenn eine unvorhergeſehene Wendung der Dinge eintrat, Schnee- druck, Duftanhang, Windbruch, Sonnenbrand, Inſektenfraß in den Lebens- verlauf der Beſtände ſtörend eingriff. Ja zuweilen iſt es nichts von alledem, was ihn nöthigt ein junges Stangenholz oder ſelbſt ein Dickicht abzuhauen, weil im Boden die Wurzeln vielleicht eine undurchlaſſende oder ſonſt eine feindſelige Schicht erreicht haben, welche plötzlich das freudige Wachsthum unterbricht und es rathſam erſcheinen läßt, eine andere Holzart anzubauen, welche dieſem ſchädlichen Einfluſſe weniger unterworfen iſt.
Wir begreifen nun beſſer eine Stelle in unſerem erſten Abſchnitte (S. 7), welche uns ſagte, daß das Amt eines Förſters auch ſeine Sorgen und Bekümmerniſſe hat.
Nachdem wir nun in Gedanken den Baum vor uns heranwachſen ließen, müſſen wir nun ſehen, wie ſich das Leben in ihm regt und bewegt, wie es alljährlich Neues entfaltet und geſtaltet. Wir treten darum an irgend einen erwachſenen Baum heran und laſſen uns von der erfahrenen Wiſſenſchaft erzählen, was in ihm und äußerlich an ihm vom erſten Frühjahrserwachen an bis zum Eintritt des Winters geſchieht.
Wir wählen eine Buche in einem Laubholz-Mittelwalde, d. h. einem aus verſchiedenen Laubholzarten in der Weiſe zuſammengeſetzten, daß hohe und alte Bäume in weitläufiger Stellung ein dichtes Unterholz überragen.
Der Schnee iſt ſchon ſeit einigen Wochen beſeitigt und auf ent- blößteren Stellen ſproſſen auch ſchon die erſten Spitzchen von allerhand Waldkräutern hervor. Wann, d. h. in welchem Monate und in welcher Woche des Monates dies ſei, hängt von dem Wetter ab, welches das Amt der Schlüſſel verwaltet, zu binden und zu löſen das der Befreiung harrende Baumleben.
Während des Winters war Alles ſtill im Baume, wenigſtens hat man durch Beobachtungen nicht das Gegentheil gefunden. Das Holz iſt zwar nicht ſaftlos und trocken; im Gegentheil im todten Winter gefälltes Holz gehört zu dem ſchwerſten und waſſerreichſten.
Ob bei ſtrenger Kälte der Saft in den Bäumen ſich in gefrorenem Zuſtande befinde, iſt oft beſtritten und oft behauptet worden und wird beides wohl jetzt noch. Daß man die Holzgefäße während großer Kälte gefällter Bäume deutlich mit zu Eis erſtarrtem Safte erfüllt fand, wollen
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regeln, wenn eine unvorhergeſehene Wendung der Dinge eintrat, Schnee-
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verlauf der Beſtände ſtörend eingriff. Ja zuweilen iſt es nichts von
alledem, was ihn nöthigt ein junges Stangenholz oder ſelbſt ein Dickicht
abzuhauen, weil im Boden die Wurzeln vielleicht eine undurchlaſſende
oder ſonſt eine feindſelige Schicht erreicht haben, welche plötzlich das
freudige Wachsthum unterbricht und es rathſam erſcheinen läßt, eine
andere Holzart anzubauen, welche dieſem ſchädlichen Einfluſſe weniger
unterworfen iſt.
Wir begreifen nun beſſer eine Stelle in unſerem erſten Abſchnitte
(S. 7), welche uns ſagte, daß das Amt eines Förſters auch ſeine Sorgen
und Bekümmerniſſe hat.
Nachdem wir nun in Gedanken den Baum vor uns heranwachſen
ließen, müſſen wir nun ſehen, wie ſich das Leben in ihm regt und bewegt,
wie es alljährlich Neues entfaltet und geſtaltet. Wir treten darum an
irgend einen erwachſenen Baum heran und laſſen uns von der erfahrenen
Wiſſenſchaft erzählen, was in ihm und äußerlich an ihm vom erſten
Frühjahrserwachen an bis zum Eintritt des Winters geſchieht.
Wir wählen eine Buche in einem Laubholz-Mittelwalde, d. h. einem
aus verſchiedenen Laubholzarten in der Weiſe zuſammengeſetzten, daß hohe
und alte Bäume in weitläufiger Stellung ein dichtes Unterholz überragen.
Der Schnee iſt ſchon ſeit einigen Wochen beſeitigt und auf ent-
blößteren Stellen ſproſſen auch ſchon die erſten Spitzchen von allerhand
Waldkräutern hervor. Wann, d. h. in welchem Monate und in welcher
Woche des Monates dies ſei, hängt von dem Wetter ab, welches das
Amt der Schlüſſel verwaltet, zu binden und zu löſen das der Befreiung
harrende Baumleben.
Während des Winters war Alles ſtill im Baume, wenigſtens hat
man durch Beobachtungen nicht das Gegentheil gefunden. Das Holz iſt
zwar nicht ſaftlos und trocken; im Gegentheil im todten Winter gefälltes
Holz gehört zu dem ſchwerſten und waſſerreichſten.
Ob bei ſtrenger Kälte der Saft in den Bäumen ſich in gefrorenem
Zuſtande befinde, iſt oft beſtritten und oft behauptet worden und wird
beides wohl jetzt noch. Daß man die Holzgefäße während großer Kälte
gefällter Bäume deutlich mit zu Eis erſtarrtem Safte erfüllt fand, wollen
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/182>, abgerufen am 22.12.2024.
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