stattfinden muß, eine Verjüngung, welche in Aufnahme solcher Stoffe, welche denen des sich ernährenden Körpers ähnlich sein müssen, und in Wiederausscheidung desjenigen Antheils dieser Stoffe besteht, welche sich der Körper nicht aneignen (assimiliren) kann.
Kehren wir zu den vollkommen gereiften und dann in der Regel harten und trocknen Pflanzensamen zurück. Bei ihnen finden wir von allen Bedingungen des Lebens blos die Form gegeben, sie haben weder Umsatz und Bewegung der Stoffe noch einen Austausch derselben durch Aufnahme und Ausscheidung.
Wir dürfen daher nach unseren bisherigen Betrachtungen die Pflan- zensamen noch immer nicht lebendige Körper nennen. Da wir sie aber doch bestimmt nicht mit den Steinen auf eine Stufe stellen dürfen, so müssen wir noch einen weiteren Punkt betrachten.
In jedem Samenkorn, auch im kleinen Mohnkorn, finden wir einen vorgebildeten Keim, der nichts Anderes ist, als die Anlage zu einer der Mutterpflanze in allen wesentlichen Stücken gleichen Pflanze, und neben demselben in den Samenlappen in einem feinen aber festen Zellgewebe niedergelegte Nahrungsstoffe, welche das keimende Pflänzchen verzehren soll. Alle diese Stoffe, sowohl die des Keimes als die der Samenlappen, befinden sich bei vielen Samen in einem Zustande, der jeden chemischen Stoffumsatz ausschließt, indem ihnen das dazu nöthige Wasser gebricht. Diese Stoffe sind daher in solchen Samen gewissermaßen festgelegt, sie befinden sich in einem Ruhezustande. Sie sind aber an sich von der Art, und dieser Ruhezustand ist so bedingt, daß, unter Betheiligung der inneren Gestaltungen des Samens, durch hinzutretende Wärme und Feuchtigkeit Umsatz und Bewegung dieser Stoffe und damit das bildende Leben wieder beginnen können, welche bisher ruheten. Deshalb spricht man auch von ruhendem Leben im Samenkorn.
Daß diese Anschauung richtig ist, beweisen eben die eingangsgedachten tausendjährigen und doch noch keimenden Samen.
Es geht aus alledem von selbst hervor, daß diejenigen Pflanzensamen die längste Keimfähigkeit haben werden, in welchen jener Ruhezustand, jene Festlegung ihrer Stoffe möglichst vollständig ist. Das wird dadurch bedingt sein, daß sie keine Stoffe enthalten, welche flüssig und als solche der Zersetzung am meisten unterworfen sind. Daher behalten ölreiche Samen,
ſtattfinden muß, eine Verjüngung, welche in Aufnahme ſolcher Stoffe, welche denen des ſich ernährenden Körpers ähnlich ſein müſſen, und in Wiederausſcheidung desjenigen Antheils dieſer Stoffe beſteht, welche ſich der Körper nicht aneignen (aſſimiliren) kann.
Kehren wir zu den vollkommen gereiften und dann in der Regel harten und trocknen Pflanzenſamen zurück. Bei ihnen finden wir von allen Bedingungen des Lebens blos die Form gegeben, ſie haben weder Umſatz und Bewegung der Stoffe noch einen Austauſch derſelben durch Aufnahme und Ausſcheidung.
Wir dürfen daher nach unſeren bisherigen Betrachtungen die Pflan- zenſamen noch immer nicht lebendige Körper nennen. Da wir ſie aber doch beſtimmt nicht mit den Steinen auf eine Stufe ſtellen dürfen, ſo müſſen wir noch einen weiteren Punkt betrachten.
In jedem Samenkorn, auch im kleinen Mohnkorn, finden wir einen vorgebildeten Keim, der nichts Anderes iſt, als die Anlage zu einer der Mutterpflanze in allen weſentlichen Stücken gleichen Pflanze, und neben demſelben in den Samenlappen in einem feinen aber feſten Zellgewebe niedergelegte Nahrungsſtoffe, welche das keimende Pflänzchen verzehren ſoll. Alle dieſe Stoffe, ſowohl die des Keimes als die der Samenlappen, befinden ſich bei vielen Samen in einem Zuſtande, der jeden chemiſchen Stoffumſatz ausſchließt, indem ihnen das dazu nöthige Waſſer gebricht. Dieſe Stoffe ſind daher in ſolchen Samen gewiſſermaßen feſtgelegt, ſie befinden ſich in einem Ruhezuſtande. Sie ſind aber an ſich von der Art, und dieſer Ruhezuſtand iſt ſo bedingt, daß, unter Betheiligung der inneren Geſtaltungen des Samens, durch hinzutretende Wärme und Feuchtigkeit Umſatz und Bewegung dieſer Stoffe und damit das bildende Leben wieder beginnen können, welche bisher ruheten. Deshalb ſpricht man auch von ruhendem Leben im Samenkorn.
Daß dieſe Anſchauung richtig iſt, beweiſen eben die eingangsgedachten tauſendjährigen und doch noch keimenden Samen.
Es geht aus alledem von ſelbſt hervor, daß diejenigen Pflanzenſamen die längſte Keimfähigkeit haben werden, in welchen jener Ruhezuſtand, jene Feſtlegung ihrer Stoffe möglichſt vollſtändig iſt. Das wird dadurch bedingt ſein, daß ſie keine Stoffe enthalten, welche flüſſig und als ſolche der Zerſetzung am meiſten unterworfen ſind. Daher behalten ölreiche Samen,
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ſtattfinden muß, eine Verjüngung, welche in Aufnahme ſolcher Stoffe,
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der Körper nicht aneignen (aſſimiliren) kann.
Kehren wir zu den vollkommen gereiften und dann in der Regel
harten und trocknen Pflanzenſamen zurück. Bei ihnen finden wir von
allen Bedingungen des Lebens blos die Form gegeben, ſie haben weder
Umſatz und Bewegung der Stoffe noch einen Austauſch derſelben durch
Aufnahme und Ausſcheidung.
Wir dürfen daher nach unſeren bisherigen Betrachtungen die Pflan-
zenſamen noch immer nicht lebendige Körper nennen. Da wir ſie aber
doch beſtimmt nicht mit den Steinen auf eine Stufe ſtellen dürfen, ſo
müſſen wir noch einen weiteren Punkt betrachten.
In jedem Samenkorn, auch im kleinen Mohnkorn, finden wir einen
vorgebildeten Keim, der nichts Anderes iſt, als die Anlage zu einer der
Mutterpflanze in allen weſentlichen Stücken gleichen Pflanze, und neben
demſelben in den Samenlappen in einem feinen aber feſten Zellgewebe
niedergelegte Nahrungsſtoffe, welche das keimende Pflänzchen verzehren
ſoll. Alle dieſe Stoffe, ſowohl die des Keimes als die der Samenlappen,
befinden ſich bei vielen Samen in einem Zuſtande, der jeden chemiſchen
Stoffumſatz ausſchließt, indem ihnen das dazu nöthige Waſſer gebricht.
Dieſe Stoffe ſind daher in ſolchen Samen gewiſſermaßen feſtgelegt,
ſie befinden ſich in einem Ruhezuſtande. Sie ſind aber an ſich von
der Art, und dieſer Ruhezuſtand iſt ſo bedingt, daß, unter Betheiligung
der inneren Geſtaltungen des Samens, durch hinzutretende Wärme und
Feuchtigkeit Umſatz und Bewegung dieſer Stoffe und damit das bildende
Leben wieder beginnen können, welche bisher ruheten. Deshalb ſpricht
man auch von ruhendem Leben im Samenkorn.
Daß dieſe Anſchauung richtig iſt, beweiſen eben die eingangsgedachten
tauſendjährigen und doch noch keimenden Samen.
Es geht aus alledem von ſelbſt hervor, daß diejenigen Pflanzenſamen
die längſte Keimfähigkeit haben werden, in welchen jener Ruhezuſtand,
jene Feſtlegung ihrer Stoffe möglichſt vollſtändig iſt. Das wird dadurch
bedingt ſein, daß ſie keine Stoffe enthalten, welche flüſſig und als ſolche
der Zerſetzung am meiſten unterworfen ſind. Daher behalten ölreiche Samen,
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/166>, abgerufen am 22.12.2024.
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