enthalten, wissen wir schon. Diese zerfallen in stickstoffhaltige und in stickstofffreie. Letztere sind namentlich Stärkemehl, Zucker, Dextrin, Gummi; erstere Eiweißstoffe, Casein, Legumin. Alle diese Stoffe sind löslich durch die in den Samen eindringende Bodenfeuchtigkeit.
Zur Lösung dieser theilweise flüssigen, zum größten Theile jedoch festen Stoffe bedarf es neben der Bodenfeuchtigkeit einer gewissen Wärme des Bodens, welche für unsere Holzgewächse im Durchschnitt wahrscheinlich nicht viel unter 8° R. betragen darf. Eine etwas höhere Wärme befördert das Keimen; wenn sie jedoch 20--25° übersteigt, so wird die Keimung beeinträchtigt.
Obgleich bei weitem die meisten Pflanzensamen im Finstern, d. h. von dem undurchsichtigen Boden bedeckt, keimen, so ist doch das Licht, ent- weder das direkte oder das reflektirte Sonnenlicht, zur Vollendung eines vollkommenen Keimes nothwendig, wenn wir dieses, wie wir es sogleich thun werden, seiner Dauer nach richtig auffassen.
Endlich sind von äußerlichen Keimbedingungen noch atmosphärische Luft und jedenfalls auch noch Elektricität erforderlich.
Diese Bedingungen zusammengenommen rufen in dem Innern des Samens chemische und physikalische Veränderungen hervor, hauptsächlich dadurch, daß die in den Samenlappen aufgespeicherten Nahrungsstoffe gelöst und in den Keim im engern Sinne, d. h. in das Federchen und Würzelchen übergeführt werden, welche letzteren dieselbe zu Neubildung von Zellen, mithin zu ihrem Wachsthum verwenden. Dabei sind die beiden Punkte, wo die Samenlappen mit dem Keime zusammenhängen (S. 135 XIX. Fig. 3 c), der Weg, auf welchem diese Nahrungszuführung stattfindet. Da nun das Keimen von dem Augenblicke beginnt, wo die eben aufgezählten Bedingungen die Ernährung des Keimes durch die Samenlappen einleitet, so müssen wir die Dauer des Keimvorganges bis zu dem Zeitpunkte verstehen, wo die Samenlappen ihres Nahrungsgehaltes vollständig beraubt sind und dann in der Regel bald verwelkt abfallen. Ein großer Theil dieser Keim-Dauer fällt in den Zustand des Keim- pflänzchens, wo dieses längst über den Erdboden sich erhoben hat und dann unerläßlich des Sonnenlichtes bedarf, um grün zu werden.
In vollkommener Dunkelheit erwachsene Keimpflanzen bleiben gelb- weiß und sterben bald ab.
enthalten, wiſſen wir ſchon. Dieſe zerfallen in ſtickſtoffhaltige und in ſtickſtofffreie. Letztere ſind namentlich Stärkemehl, Zucker, Dextrin, Gummi; erſtere Eiweißſtoffe, Caſeïn, Legumin. Alle dieſe Stoffe ſind löslich durch die in den Samen eindringende Bodenfeuchtigkeit.
Zur Löſung dieſer theilweiſe flüſſigen, zum größten Theile jedoch feſten Stoffe bedarf es neben der Bodenfeuchtigkeit einer gewiſſen Wärme des Bodens, welche für unſere Holzgewächſe im Durchſchnitt wahrſcheinlich nicht viel unter 8° R. betragen darf. Eine etwas höhere Wärme befördert das Keimen; wenn ſie jedoch 20—25° überſteigt, ſo wird die Keimung beeinträchtigt.
Obgleich bei weitem die meiſten Pflanzenſamen im Finſtern, d. h. von dem undurchſichtigen Boden bedeckt, keimen, ſo iſt doch das Licht, ent- weder das direkte oder das reflektirte Sonnenlicht, zur Vollendung eines vollkommenen Keimes nothwendig, wenn wir dieſes, wie wir es ſogleich thun werden, ſeiner Dauer nach richtig auffaſſen.
Endlich ſind von äußerlichen Keimbedingungen noch atmoſphäriſche Luft und jedenfalls auch noch Elektricität erforderlich.
Dieſe Bedingungen zuſammengenommen rufen in dem Innern des Samens chemiſche und phyſikaliſche Veränderungen hervor, hauptſächlich dadurch, daß die in den Samenlappen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe gelöſt und in den Keim im engern Sinne, d. h. in das Federchen und Würzelchen übergeführt werden, welche letzteren dieſelbe zu Neubildung von Zellen, mithin zu ihrem Wachsthum verwenden. Dabei ſind die beiden Punkte, wo die Samenlappen mit dem Keime zuſammenhängen (S. 135 XIX. Fig. 3 c), der Weg, auf welchem dieſe Nahrungszuführung ſtattfindet. Da nun das Keimen von dem Augenblicke beginnt, wo die eben aufgezählten Bedingungen die Ernährung des Keimes durch die Samenlappen einleitet, ſo müſſen wir die Dauer des Keimvorganges bis zu dem Zeitpunkte verſtehen, wo die Samenlappen ihres Nahrungsgehaltes vollſtändig beraubt ſind und dann in der Regel bald verwelkt abfallen. Ein großer Theil dieſer Keim-Dauer fällt in den Zuſtand des Keim- pflänzchens, wo dieſes längſt über den Erdboden ſich erhoben hat und dann unerläßlich des Sonnenlichtes bedarf, um grün zu werden.
In vollkommener Dunkelheit erwachſene Keimpflanzen bleiben gelb- weiß und ſterben bald ab.
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[138/0162]
enthalten, wiſſen wir ſchon. Dieſe zerfallen in ſtickſtoffhaltige und in
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erſtere Eiweißſtoffe, Caſeïn, Legumin. Alle dieſe Stoffe ſind löslich durch
die in den Samen eindringende Bodenfeuchtigkeit.
Zur Löſung dieſer theilweiſe flüſſigen, zum größten Theile jedoch
feſten Stoffe bedarf es neben der Bodenfeuchtigkeit einer gewiſſen
Wärme des Bodens, welche für unſere Holzgewächſe im Durchſchnitt
wahrſcheinlich nicht viel unter 8° R. betragen darf. Eine etwas höhere
Wärme befördert das Keimen; wenn ſie jedoch 20—25° überſteigt, ſo
wird die Keimung beeinträchtigt.
Obgleich bei weitem die meiſten Pflanzenſamen im Finſtern, d. h. von
dem undurchſichtigen Boden bedeckt, keimen, ſo iſt doch das Licht, ent-
weder das direkte oder das reflektirte Sonnenlicht, zur Vollendung eines
vollkommenen Keimes nothwendig, wenn wir dieſes, wie wir es ſogleich
thun werden, ſeiner Dauer nach richtig auffaſſen.
Endlich ſind von äußerlichen Keimbedingungen noch atmoſphäriſche
Luft und jedenfalls auch noch Elektricität erforderlich.
Dieſe Bedingungen zuſammengenommen rufen in dem Innern des
Samens chemiſche und phyſikaliſche Veränderungen hervor, hauptſächlich
dadurch, daß die in den Samenlappen aufgeſpeicherten Nahrungsſtoffe
gelöſt und in den Keim im engern Sinne, d. h. in das Federchen und
Würzelchen übergeführt werden, welche letzteren dieſelbe zu Neubildung
von Zellen, mithin zu ihrem Wachsthum verwenden. Dabei ſind die
beiden Punkte, wo die Samenlappen mit dem Keime zuſammenhängen
(S. 135 XIX. Fig. 3 c), der Weg, auf welchem dieſe Nahrungszuführung
ſtattfindet. Da nun das Keimen von dem Augenblicke beginnt, wo die
eben aufgezählten Bedingungen die Ernährung des Keimes durch die
Samenlappen einleitet, ſo müſſen wir die Dauer des Keimvorganges bis
zu dem Zeitpunkte verſtehen, wo die Samenlappen ihres Nahrungsgehaltes
vollſtändig beraubt ſind und dann in der Regel bald verwelkt abfallen.
Ein großer Theil dieſer Keim-Dauer fällt in den Zuſtand des Keim-
pflänzchens, wo dieſes längſt über den Erdboden ſich erhoben hat und
dann unerläßlich des Sonnenlichtes bedarf, um grün zu werden.
In vollkommener Dunkelheit erwachſene Keimpflanzen bleiben gelb-
weiß und ſterben bald ab.
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/162>, abgerufen am 22.12.2024.
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