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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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erfolgter Befruchtung bald ab (daher die Lücken an Fig. 2), während
das weibliche Zäpfchen allmälig zu dem Fruchtzapfen erwächst (3, 4).

Ein Insekt, welches wir später kennen lernen werden, vermittelt in
überraschender Weise das Verständniß der Verwandtschaft dieser schlichten
Blüthengebilde mit den Blättern. Der Fichtenblattsauger übt bei der
Ablegung seiner Eier an die jungen Maitriebe der Fichte einen wahrhaft
zauberischen Einfluß aus, wodurch der benadelte Trieb sich in ein Gebilde
umgestaltet, welches einem jungen Fichtenzapfen sehr ähnlich sieht.

Die Beschreibung der Blüthen unserer Waldbäume späterer Be-
trachtung überlassend, sprechen wir jetzt nur von einigen allgemeinen
Verhältnissen dieser und der ihnen verwandten Blätter.

Zwischen beiden besteht eine bemerkenswerthe Zeitbeziehung: ent-
weder die Blätter erscheinen am Baume vor den Blüthen oder nach
oder zugleich mit denselben. Die Erlen, die Pappeln, die Eschen, die
Rüstern, viele Weiden, der Haselstrauch, der Schlehdorn, haben längst
abgeblüht, wenn ihre Blätter erst nachkommen; bei den Eichen, Buchen,
Hornbäumen, Birken, Ahornen und anderen Weidenarten kommen Blätter
und Blüthen zusammen, und bei der Linde kommen die Blüthen um
mehr als einen Monat später als die Blätter.

Da bei der großen Verschiedenheit des Blüthenbaues unserer Wald-
bäume etwas Allgemeines sich schwer sagen läßt, so müssen wir die Be-
schreibung bis auf die Betrachtung der einzelnen Arten verschieben.

Unsere sämmtlichen Laubholzbäume haben sommergrüne Blätter,
d. h. sie verlieren die im Frühling hervorgesproßten im Herbste wieder.
Dies schließt jedoch nicht aus, daß die abgestorbenen Blätter oft noch
den Winter über am Baume hängen bleiben, und erst den neu auf-
brechenden Knospen weichen. Dies ist namentlich der Eiche und dem
Hornbaum, wenn immerhin auch nur als Ausnahme von der Regel, eigen.

Was die Gestalt der Blätter betrifft, so ist dieselbe bei den
meisten einfach, d. h. sie bestehen nur aus einer wenn auch zuweilen
sehr tief eingeschnittenen und gelappten Blattfläche: Eiche, Ahorn, Buche,
Birke. Zusammengesetzt sind sie nur bei der Esche und bei den
Ebereschen, und zwar gefiedert.

An den Blättern der Laubbäume ist fast immer sehr deutlich der
Blattstiel von der Blattfläche (in neuerer Zeit nach Schimpers

erfolgter Befruchtung bald ab (daher die Lücken an Fig. 2), während
das weibliche Zäpfchen allmälig zu dem Fruchtzapfen erwächſt (3, 4).

Ein Inſekt, welches wir ſpäter kennen lernen werden, vermittelt in
überraſchender Weiſe das Verſtändniß der Verwandtſchaft dieſer ſchlichten
Blüthengebilde mit den Blättern. Der Fichtenblattſauger übt bei der
Ablegung ſeiner Eier an die jungen Maitriebe der Fichte einen wahrhaft
zauberiſchen Einfluß aus, wodurch der benadelte Trieb ſich in ein Gebilde
umgeſtaltet, welches einem jungen Fichtenzapfen ſehr ähnlich ſieht.

Die Beſchreibung der Blüthen unſerer Waldbäume ſpäterer Be-
trachtung überlaſſend, ſprechen wir jetzt nur von einigen allgemeinen
Verhältniſſen dieſer und der ihnen verwandten Blätter.

Zwiſchen beiden beſteht eine bemerkenswerthe Zeitbeziehung: ent-
weder die Blätter erſcheinen am Baume vor den Blüthen oder nach
oder zugleich mit denſelben. Die Erlen, die Pappeln, die Eſchen, die
Rüſtern, viele Weiden, der Haſelſtrauch, der Schlehdorn, haben längſt
abgeblüht, wenn ihre Blätter erſt nachkommen; bei den Eichen, Buchen,
Hornbäumen, Birken, Ahornen und anderen Weidenarten kommen Blätter
und Blüthen zuſammen, und bei der Linde kommen die Blüthen um
mehr als einen Monat ſpäter als die Blätter.

Da bei der großen Verſchiedenheit des Blüthenbaues unſerer Wald-
bäume etwas Allgemeines ſich ſchwer ſagen läßt, ſo müſſen wir die Be-
ſchreibung bis auf die Betrachtung der einzelnen Arten verſchieben.

Unſere ſämmtlichen Laubholzbäume haben ſommergrüne Blätter,
d. h. ſie verlieren die im Frühling hervorgeſproßten im Herbſte wieder.
Dies ſchließt jedoch nicht aus, daß die abgeſtorbenen Blätter oft noch
den Winter über am Baume hängen bleiben, und erſt den neu auf-
brechenden Knospen weichen. Dies iſt namentlich der Eiche und dem
Hornbaum, wenn immerhin auch nur als Ausnahme von der Regel, eigen.

Was die Geſtalt der Blätter betrifft, ſo iſt dieſelbe bei den
meiſten einfach, d. h. ſie beſtehen nur aus einer wenn auch zuweilen
ſehr tief eingeſchnittenen und gelappten Blattfläche: Eiche, Ahorn, Buche,
Birke. Zuſammengeſetzt ſind ſie nur bei der Eſche und bei den
Ebereſchen, und zwar gefiedert.

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Blattſtiel von der Blattfläche (in neuerer Zeit nach Schimpers

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[125/0149] erfolgter Befruchtung bald ab (daher die Lücken an Fig. 2), während das weibliche Zäpfchen allmälig zu dem Fruchtzapfen erwächſt (3, 4). Ein Inſekt, welches wir ſpäter kennen lernen werden, vermittelt in überraſchender Weiſe das Verſtändniß der Verwandtſchaft dieſer ſchlichten Blüthengebilde mit den Blättern. Der Fichtenblattſauger übt bei der Ablegung ſeiner Eier an die jungen Maitriebe der Fichte einen wahrhaft zauberiſchen Einfluß aus, wodurch der benadelte Trieb ſich in ein Gebilde umgeſtaltet, welches einem jungen Fichtenzapfen ſehr ähnlich ſieht. Die Beſchreibung der Blüthen unſerer Waldbäume ſpäterer Be- trachtung überlaſſend, ſprechen wir jetzt nur von einigen allgemeinen Verhältniſſen dieſer und der ihnen verwandten Blätter. Zwiſchen beiden beſteht eine bemerkenswerthe Zeitbeziehung: ent- weder die Blätter erſcheinen am Baume vor den Blüthen oder nach oder zugleich mit denſelben. Die Erlen, die Pappeln, die Eſchen, die Rüſtern, viele Weiden, der Haſelſtrauch, der Schlehdorn, haben längſt abgeblüht, wenn ihre Blätter erſt nachkommen; bei den Eichen, Buchen, Hornbäumen, Birken, Ahornen und anderen Weidenarten kommen Blätter und Blüthen zuſammen, und bei der Linde kommen die Blüthen um mehr als einen Monat ſpäter als die Blätter. Da bei der großen Verſchiedenheit des Blüthenbaues unſerer Wald- bäume etwas Allgemeines ſich ſchwer ſagen läßt, ſo müſſen wir die Be- ſchreibung bis auf die Betrachtung der einzelnen Arten verſchieben. Unſere ſämmtlichen Laubholzbäume haben ſommergrüne Blätter, d. h. ſie verlieren die im Frühling hervorgeſproßten im Herbſte wieder. Dies ſchließt jedoch nicht aus, daß die abgeſtorbenen Blätter oft noch den Winter über am Baume hängen bleiben, und erſt den neu auf- brechenden Knospen weichen. Dies iſt namentlich der Eiche und dem Hornbaum, wenn immerhin auch nur als Ausnahme von der Regel, eigen. Was die Geſtalt der Blätter betrifft, ſo iſt dieſelbe bei den meiſten einfach, d. h. ſie beſtehen nur aus einer wenn auch zuweilen ſehr tief eingeſchnittenen und gelappten Blattfläche: Eiche, Ahorn, Buche, Birke. Zuſammengeſetzt ſind ſie nur bei der Eſche und bei den Ebereſchen, und zwar gefiedert. An den Blättern der Laubbäume iſt faſt immer ſehr deutlich der Blattſtiel von der Blattfläche (in neuerer Zeit nach Schimpers

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/149>, abgerufen am 23.12.2024.