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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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beraubte Wurzelstock sich dieses Ausweges bedient, um die Fülle des auf-
genommenen Nahrungssaftes zu verwerthen, welche die alte bleibt, da ja
die Wurzel dieselbe geblieben ist. Es findet hier gewissermaßen ein hastiger
zügelloser Bildungsdrang in dem Baume statt, daher auch an den in
großer Anzahl und Ausdehnung hervorgetriebenen Langtrieben die Blätter
nicht nur riesenmäßig groß werden, sondern zuweilen auch ganz aben-
teuerliche Formen annehmen, was z. B. bei der Linde, der Feldrüster
und der Eiche der Fall ist.

Wenn es vielleicht meinen Lesern und Leserinnen des Redens von
diesen Trieben zu viel geworden sein sollte, so werden sie bald anderer
Meinung werden, wenn sie nun mit dem hierüber Gelernten an die
Bäume und Sträucher herantreten und es nun ganz leicht finden werden,
die Lebensgeschichte und das Lebensalter derselben, soweit sich diese an den
Trieben ausdrücken, abzulesen.

Freilich hört dieses Ablesen auf, wenn die Schriftzüge: die Ein-
schnürungen und die ringförmigen Spuren der ehemaligen Knospenschuppen
und die Blattstielnarben, bei dem Dickerwerden der Zweige verwachsen.
Dann kann aber der geübte Blick immer noch weit herab annähernd
schätzen und im äußersten Falle giebt die Zahl der Jahrringe im quer-
durchschnittenen Aste die sofortige Auskunft.

Bei diesem Abwärtslesen von den äußersten Triebspitzen immer näher
nach dem Stamme hin wird man auch, namentlich bei den Laubhölzern,
recht deutlich inne, wie mit der immer zunehmenden Dicke der Verzwei-
gungen keine Grenze festzustellen ist, von wo an die Bezeichnung Zweig
nicht mehr ausreicht und man dann Ast sagen muß.

Nachdem einmal der Trieb seine volle Länge erreicht hat, welche ihm
nach der ihm innewohnenden Kraft und nach dem ihm zugedachten Bil-
dungsstoff gesetzt ist, und er verholzt ist, was bei allen Bäumen, die ab-
geschlossene
Triebe haben, im Juni bestimmt der Fall ist, so nimmt
er alsdann in der laufenden Vegetationsperiode an Länge nicht mehr zu
und er mißt im Juni wie im Oktober genau dasselbe Längenmaaß. Etwas
anderes ist es bei den Bäumen und Sträuchern, deren Triebe die ganze
Vegetationsperiode hindurch an der Spitze fortwachsen, was namentlich
auch an den Stocklohden oder an den Trieben geköpfter Bäume der Fall
ist, selbst wenn diese solche sind, die wie Eiche und Buche im gewöhnlichen

beraubte Wurzelſtock ſich dieſes Ausweges bedient, um die Fülle des auf-
genommenen Nahrungsſaftes zu verwerthen, welche die alte bleibt, da ja
die Wurzel dieſelbe geblieben iſt. Es findet hier gewiſſermaßen ein haſtiger
zügelloſer Bildungsdrang in dem Baume ſtatt, daher auch an den in
großer Anzahl und Ausdehnung hervorgetriebenen Langtrieben die Blätter
nicht nur rieſenmäßig groß werden, ſondern zuweilen auch ganz aben-
teuerliche Formen annehmen, was z. B. bei der Linde, der Feldrüſter
und der Eiche der Fall iſt.

Wenn es vielleicht meinen Leſern und Leſerinnen des Redens von
dieſen Trieben zu viel geworden ſein ſollte, ſo werden ſie bald anderer
Meinung werden, wenn ſie nun mit dem hierüber Gelernten an die
Bäume und Sträucher herantreten und es nun ganz leicht finden werden,
die Lebensgeſchichte und das Lebensalter derſelben, ſoweit ſich dieſe an den
Trieben ausdrücken, abzuleſen.

Freilich hört dieſes Ableſen auf, wenn die Schriftzüge: die Ein-
ſchnürungen und die ringförmigen Spuren der ehemaligen Knospenſchuppen
und die Blattſtielnarben, bei dem Dickerwerden der Zweige verwachſen.
Dann kann aber der geübte Blick immer noch weit herab annähernd
ſchätzen und im äußerſten Falle giebt die Zahl der Jahrringe im quer-
durchſchnittenen Aſte die ſofortige Auskunft.

Bei dieſem Abwärtsleſen von den äußerſten Triebſpitzen immer näher
nach dem Stamme hin wird man auch, namentlich bei den Laubhölzern,
recht deutlich inne, wie mit der immer zunehmenden Dicke der Verzwei-
gungen keine Grenze feſtzuſtellen iſt, von wo an die Bezeichnung Zweig
nicht mehr ausreicht und man dann Aſt ſagen muß.

Nachdem einmal der Trieb ſeine volle Länge erreicht hat, welche ihm
nach der ihm innewohnenden Kraft und nach dem ihm zugedachten Bil-
dungsſtoff geſetzt iſt, und er verholzt iſt, was bei allen Bäumen, die ab-
geſchloſſene
Triebe haben, im Juni beſtimmt der Fall iſt, ſo nimmt
er alsdann in der laufenden Vegetationsperiode an Länge nicht mehr zu
und er mißt im Juni wie im Oktober genau daſſelbe Längenmaaß. Etwas
anderes iſt es bei den Bäumen und Sträuchern, deren Triebe die ganze
Vegetationsperiode hindurch an der Spitze fortwachſen, was namentlich
auch an den Stocklohden oder an den Trieben geköpfter Bäume der Fall
iſt, ſelbſt wenn dieſe ſolche ſind, die wie Eiche und Buche im gewöhnlichen

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[79/0103] beraubte Wurzelſtock ſich dieſes Ausweges bedient, um die Fülle des auf- genommenen Nahrungsſaftes zu verwerthen, welche die alte bleibt, da ja die Wurzel dieſelbe geblieben iſt. Es findet hier gewiſſermaßen ein haſtiger zügelloſer Bildungsdrang in dem Baume ſtatt, daher auch an den in großer Anzahl und Ausdehnung hervorgetriebenen Langtrieben die Blätter nicht nur rieſenmäßig groß werden, ſondern zuweilen auch ganz aben- teuerliche Formen annehmen, was z. B. bei der Linde, der Feldrüſter und der Eiche der Fall iſt. Wenn es vielleicht meinen Leſern und Leſerinnen des Redens von dieſen Trieben zu viel geworden ſein ſollte, ſo werden ſie bald anderer Meinung werden, wenn ſie nun mit dem hierüber Gelernten an die Bäume und Sträucher herantreten und es nun ganz leicht finden werden, die Lebensgeſchichte und das Lebensalter derſelben, ſoweit ſich dieſe an den Trieben ausdrücken, abzuleſen. Freilich hört dieſes Ableſen auf, wenn die Schriftzüge: die Ein- ſchnürungen und die ringförmigen Spuren der ehemaligen Knospenſchuppen und die Blattſtielnarben, bei dem Dickerwerden der Zweige verwachſen. Dann kann aber der geübte Blick immer noch weit herab annähernd ſchätzen und im äußerſten Falle giebt die Zahl der Jahrringe im quer- durchſchnittenen Aſte die ſofortige Auskunft. Bei dieſem Abwärtsleſen von den äußerſten Triebſpitzen immer näher nach dem Stamme hin wird man auch, namentlich bei den Laubhölzern, recht deutlich inne, wie mit der immer zunehmenden Dicke der Verzwei- gungen keine Grenze feſtzuſtellen iſt, von wo an die Bezeichnung Zweig nicht mehr ausreicht und man dann Aſt ſagen muß. Nachdem einmal der Trieb ſeine volle Länge erreicht hat, welche ihm nach der ihm innewohnenden Kraft und nach dem ihm zugedachten Bil- dungsſtoff geſetzt iſt, und er verholzt iſt, was bei allen Bäumen, die ab- geſchloſſene Triebe haben, im Juni beſtimmt der Fall iſt, ſo nimmt er alsdann in der laufenden Vegetationsperiode an Länge nicht mehr zu und er mißt im Juni wie im Oktober genau daſſelbe Längenmaaß. Etwas anderes iſt es bei den Bäumen und Sträuchern, deren Triebe die ganze Vegetationsperiode hindurch an der Spitze fortwachſen, was namentlich auch an den Stocklohden oder an den Trieben geköpfter Bäume der Fall iſt, ſelbſt wenn dieſe ſolche ſind, die wie Eiche und Buche im gewöhnlichen

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/103>, abgerufen am 22.12.2024.