Roßmäßler, Emil Adolf: Das Süßwasser-Aquarium. Leipzig, 1857.Die Thiere des Aquariums. gewordene "Unkenruf" etwas Grausliches? Warum? Weil es der ein-zige Naturlaut dieser Art ist, weil er aus dem "unsaubern Pfuhle" meist bei "nächtlicher Weile" ertönt und -- die Hauptsache! -- weil Niemand das Thier sieht, von dem der Ruf herrührt. Ich sage nicht zu viel, wenn ich behaupte, daß von hundert Städtern nicht zehn eine Unke gesehen haben. Dazu kommen die verschiedenen geheimnißvollen Deutungen, welche man dem Unkeurufe unterlegt. "Unk! Unk! Unk! hätt' ich mir 'nen Mann genommen, wär' ich nicht in' Teich gekommen!" -- so über- setzt sich der Unkenruf an vielen Orten Deutschlands bei -- Betheiligten und Unbetheiligten und -- so groß ist die Macht des Ungekannten, Aben- teuerlichen -- nicht ganz ohne ein leises Erbeben derjenigen Nerven, welche das so fördersame Geschäft des Glaubens besorgen. Freilich lacht Jeder gleich hinterdrein über dieses Erbeben, aber es war doch da. Und ich meinerseits möchte solche Schauer nicht verdammen, wenn sie nur von aufklärendem Wissen bewacht sind. Sie gehören zum Naturgenuß und wenn sie einmal nachzitternd unser Inneres durchzogen haben, so ist es wie eine gewitterartige Luftreinigung, nach welcher dann das Himmels- blau des durchdringenden Erkennens heller leuchtet. Während ich diese Worte schreibe, schaut eine Unke meines Aqua- Die Thiere des Aquariums. gewordene „Unkenruf“ etwas Grausliches? Warum? Weil es der ein-zige Naturlaut dieſer Art iſt, weil er aus dem „unſaubern Pfuhle“ meiſt bei „nächtlicher Weile“ ertönt und — die Hauptſache! — weil Niemand das Thier ſieht, von dem der Ruf herrührt. Ich ſage nicht zu viel, wenn ich behaupte, daß von hundert Städtern nicht zehn eine Unke geſehen haben. Dazu kommen die verſchiedenen geheimnißvollen Deutungen, welche man dem Unkeurufe unterlegt. „Unk! Unk! Unk! hätt’ ich mir ’nen Mann genommen, wär’ ich nicht in’ Teich gekommen!“ — ſo über- ſetzt ſich der Unkenruf an vielen Orten Deutſchlands bei — Betheiligten und Unbetheiligten und — ſo groß iſt die Macht des Ungekannten, Aben- teuerlichen — nicht ganz ohne ein leiſes Erbeben derjenigen Nerven, welche das ſo förderſame Geſchäft des Glaubens beſorgen. Freilich lacht Jeder gleich hinterdrein über dieſes Erbeben, aber es war doch da. Und ich meinerſeits möchte ſolche Schauer nicht verdammen, wenn ſie nur von aufklärendem Wiſſen bewacht ſind. Sie gehören zum Naturgenuß und wenn ſie einmal nachzitternd unſer Inneres durchzogen haben, ſo iſt es wie eine gewitterartige Luftreinigung, nach welcher dann das Himmels- blau des durchdringenden Erkennens heller leuchtet. Während ich dieſe Worte ſchreibe, ſchaut eine Unke meines Aqua- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="72"/><fw place="top" type="header">Die Thiere des Aquariums.</fw><lb/> gewordene „Unkenruf“ etwas Grausliches? Warum? Weil es der ein-<lb/> zige Naturlaut dieſer Art iſt, weil er aus dem „unſaubern Pfuhle“ meiſt<lb/> bei „nächtlicher Weile“ ertönt und — die Hauptſache! — weil Niemand<lb/> das Thier ſieht, von dem der Ruf herrührt. Ich ſage nicht zu viel, wenn<lb/> ich behaupte, daß von hundert Städtern nicht zehn eine Unke geſehen<lb/> haben. Dazu kommen die verſchiedenen geheimnißvollen Deutungen,<lb/> welche man dem Unkeurufe unterlegt. „Unk! Unk! Unk! hätt’ ich mir<lb/> ’nen Mann genommen, wär’ ich nicht in’ Teich gekommen!“ — ſo über-<lb/> ſetzt ſich der Unkenruf an vielen Orten Deutſchlands bei — Betheiligten<lb/> und Unbetheiligten und — ſo groß iſt die Macht des Ungekannten, Aben-<lb/> teuerlichen — nicht ganz ohne ein leiſes Erbeben derjenigen Nerven,<lb/> welche das ſo förderſame Geſchäft des Glaubens beſorgen. Freilich lacht<lb/> Jeder gleich hinterdrein über dieſes Erbeben, aber es war doch da. Und<lb/> ich meinerſeits möchte ſolche Schauer nicht verdammen, wenn ſie nur von<lb/> aufklärendem Wiſſen bewacht ſind. Sie gehören zum Naturgenuß und<lb/> wenn ſie einmal nachzitternd unſer Inneres durchzogen haben, ſo iſt es<lb/> wie eine gewitterartige Luftreinigung, nach welcher dann das Himmels-<lb/> blau des durchdringenden Erkennens heller leuchtet.</p><lb/> <p>Während ich dieſe Worte ſchreibe, ſchaut eine Unke meines Aqua-<lb/> riums gar ehrbar und voll Selbſtgefühl mich an, als hätte ſie mich ver-<lb/> ſtanden und in meinen Worten eine Ehrenrettung ihrer verkannten Per-<lb/> ſon gefunden. Ständen jetzt diejenigen meiner Leſer und namentlich mei-<lb/> ner zaghaften Leſerinnen neben mir, denen die Unke noch eine unbekannte<lb/> Größe iſt, ſie würden anſtatt ſich zu ſcheuen, über das Unkengeſicht la-<lb/> chen, wie es aus einer dunkeln Höhle des Aquarium-Chimboraſſo altklug<lb/> und ernſt hervorlugt und, an mein Menſchengeſicht bereits auch gewöhnt,<lb/> ruhig auf ihrem grünen Thronſeſſel von Hornblattranken ſitzen bleibt,<lb/> obgleich ich meine Hand gegen ſie bewege. Die Figuren 1. und 2. zeigen<lb/> die Unke von der Rücken- und Bauchſeite, und auf letzterer ſind die feuer-<lb/> rothen oder prachtvoll orangegelben Flecken angedeutet, welche dem Thiere<lb/> den Namen der Feuerkröte verſchafft haben, der freilich in wunderſüchtigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0088]
Die Thiere des Aquariums.
gewordene „Unkenruf“ etwas Grausliches? Warum? Weil es der ein-
zige Naturlaut dieſer Art iſt, weil er aus dem „unſaubern Pfuhle“ meiſt
bei „nächtlicher Weile“ ertönt und — die Hauptſache! — weil Niemand
das Thier ſieht, von dem der Ruf herrührt. Ich ſage nicht zu viel, wenn
ich behaupte, daß von hundert Städtern nicht zehn eine Unke geſehen
haben. Dazu kommen die verſchiedenen geheimnißvollen Deutungen,
welche man dem Unkeurufe unterlegt. „Unk! Unk! Unk! hätt’ ich mir
’nen Mann genommen, wär’ ich nicht in’ Teich gekommen!“ — ſo über-
ſetzt ſich der Unkenruf an vielen Orten Deutſchlands bei — Betheiligten
und Unbetheiligten und — ſo groß iſt die Macht des Ungekannten, Aben-
teuerlichen — nicht ganz ohne ein leiſes Erbeben derjenigen Nerven,
welche das ſo förderſame Geſchäft des Glaubens beſorgen. Freilich lacht
Jeder gleich hinterdrein über dieſes Erbeben, aber es war doch da. Und
ich meinerſeits möchte ſolche Schauer nicht verdammen, wenn ſie nur von
aufklärendem Wiſſen bewacht ſind. Sie gehören zum Naturgenuß und
wenn ſie einmal nachzitternd unſer Inneres durchzogen haben, ſo iſt es
wie eine gewitterartige Luftreinigung, nach welcher dann das Himmels-
blau des durchdringenden Erkennens heller leuchtet.
Während ich dieſe Worte ſchreibe, ſchaut eine Unke meines Aqua-
riums gar ehrbar und voll Selbſtgefühl mich an, als hätte ſie mich ver-
ſtanden und in meinen Worten eine Ehrenrettung ihrer verkannten Per-
ſon gefunden. Ständen jetzt diejenigen meiner Leſer und namentlich mei-
ner zaghaften Leſerinnen neben mir, denen die Unke noch eine unbekannte
Größe iſt, ſie würden anſtatt ſich zu ſcheuen, über das Unkengeſicht la-
chen, wie es aus einer dunkeln Höhle des Aquarium-Chimboraſſo altklug
und ernſt hervorlugt und, an mein Menſchengeſicht bereits auch gewöhnt,
ruhig auf ihrem grünen Thronſeſſel von Hornblattranken ſitzen bleibt,
obgleich ich meine Hand gegen ſie bewege. Die Figuren 1. und 2. zeigen
die Unke von der Rücken- und Bauchſeite, und auf letzterer ſind die feuer-
rothen oder prachtvoll orangegelben Flecken angedeutet, welche dem Thiere
den Namen der Feuerkröte verſchafft haben, der freilich in wunderſüchtigen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |