würde ich nie glauben, wenn es auch alle Gelehrte auf Erden behaupteten, da ich durch die Aussprü- che der Gesandten Gottes, und seines Sohnes selbst des Gegentheils versichert werde. Liebe gegen das menschliche Geschlecht, unverdiente, unendli- che Erbarmung bewog ihn, diese weise Anstalt zu treffen, die in alle Ewigkeit von vernünftigen We- sen mit Dank und Ehrfurcht bewundert zu werden verdient.
Wir wollen ietzt nicht untersuchen, ob uns Gott auch ohne den Tod des Mittlers die Strafen unserer Sünden hätte erlaßen können. Aber so viel ist gewiß, und kein Mensch wird dem Höchsten dieses Recht abzusprechen sich getrauen, daß er die vollkommenste Freyheit hat, gewiße große Wohl- thaten nicht anders als unter gewißen Bedingnis- sen seinen Geschöpfen zu ertheilen. Da er in allen seinen Einrichtungen Ordnung und Wohlstand lie- bet, so können wir gewiß glauben, daß alle seine Anstalten höchst weise sind, wenn wir auch nicht allemahl die Ursachen einsehen können, warum er so und nicht anders verfähret. Wenn er uns nun ein außerordentlich großes Glück zugedacht, aber sich dabey besondere Mittel vorbehalten hat, durch welche er seine wohlthätige Absicht hinaus zuführen gedenket, wollen wir denn so verwegen seyn, und seine Anstalten tadeln, weil wir die Ursachen nicht einsehen können, warum er sie eben so, und nicht anders gemacht hat? Gott ist seinen Geschöpfen nichts schuldig. Es stehet blos in seiner allerhöch- sten Freyheit, ob er ihnen etwas oder nichts, viel oder wenig geben will. Wir können zwar von sei-
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welche Gott den Menſchen zugedacht hat.
würde ich nie glauben, wenn es auch alle Gelehrte auf Erden behaupteten, da ich durch die Ausſprü- che der Geſandten Gottes, und ſeines Sohnes ſelbſt des Gegentheils verſichert werde. Liebe gegen das menſchliche Geſchlecht, unverdiente, unendli- che Erbarmung bewog ihn, dieſe weiſe Anſtalt zu treffen, die in alle Ewigkeit von vernünftigen We- ſen mit Dank und Ehrfurcht bewundert zu werden verdient.
Wir wollen ietzt nicht unterſuchen, ob uns Gott auch ohne den Tod des Mittlers die Strafen unſerer Sünden hätte erlaßen können. Aber ſo viel iſt gewiß, und kein Menſch wird dem Höchſten dieſes Recht abzuſprechen ſich getrauen, daß er die vollkommenſte Freyheit hat, gewiße große Wohl- thaten nicht anders als unter gewißen Bedingniſ- ſen ſeinen Geſchöpfen zu ertheilen. Da er in allen ſeinen Einrichtungen Ordnung und Wohlſtand lie- bet, ſo können wir gewiß glauben, daß alle ſeine Anſtalten höchſt weiſe ſind, wenn wir auch nicht allemahl die Urſachen einſehen können, warum er ſo und nicht anders verfähret. Wenn er uns nun ein außerordentlich großes Glück zugedacht, aber ſich dabey beſondere Mittel vorbehalten hat, durch welche er ſeine wohlthätige Abſicht hinaus zuführen gedenket, wollen wir denn ſo verwegen ſeyn, und ſeine Anſtalten tadeln, weil wir die Urſachen nicht einſehen können, warum er ſie eben ſo, und nicht anders gemacht hat? Gott iſt ſeinen Geſchöpfen nichts ſchuldig. Es ſtehet blos in ſeiner allerhöch- ſten Freyheit, ob er ihnen etwas oder nichts, viel oder wenig geben will. Wir können zwar von ſei-
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welche Gott den Menſchen zugedacht hat.
würde ich nie glauben, wenn es auch alle Gelehrte
auf Erden behaupteten, da ich durch die Ausſprü-
che der Geſandten Gottes, und ſeines Sohnes
ſelbſt des Gegentheils verſichert werde. Liebe gegen
das menſchliche Geſchlecht, unverdiente, unendli-
che Erbarmung bewog ihn, dieſe weiſe Anſtalt zu
treffen, die in alle Ewigkeit von vernünftigen We-
ſen mit Dank und Ehrfurcht bewundert zu werden
verdient.
Wir wollen ietzt nicht unterſuchen, ob uns
Gott auch ohne den Tod des Mittlers die Strafen
unſerer Sünden hätte erlaßen können. Aber ſo
viel iſt gewiß, und kein Menſch wird dem Höchſten
dieſes Recht abzuſprechen ſich getrauen, daß er die
vollkommenſte Freyheit hat, gewiße große Wohl-
thaten nicht anders als unter gewißen Bedingniſ-
ſen ſeinen Geſchöpfen zu ertheilen. Da er in allen
ſeinen Einrichtungen Ordnung und Wohlſtand lie-
bet, ſo können wir gewiß glauben, daß alle ſeine
Anſtalten höchſt weiſe ſind, wenn wir auch nicht
allemahl die Urſachen einſehen können, warum er
ſo und nicht anders verfähret. Wenn er uns nun
ein außerordentlich großes Glück zugedacht, aber
ſich dabey beſondere Mittel vorbehalten hat, durch
welche er ſeine wohlthätige Abſicht hinaus zuführen
gedenket, wollen wir denn ſo verwegen ſeyn, und
ſeine Anſtalten tadeln, weil wir die Urſachen nicht
einſehen können, warum er ſie eben ſo, und nicht
anders gemacht hat? Gott iſt ſeinen Geſchöpfen
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Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/85>, abgerufen am 18.07.2024.
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