Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit ertheilt. Die Vernunft kennet zwar gewißermas-sen Gott auch schon als ein gütiges Wesen; aber daß er bereit sey, allen wiederkehrenden Sündern vollkommene Begnadigung angedeyhen zu laßen, wenn ihre vorherbegangene Mißethaten auch noch so groß und abscheulich seyn sollten, das getrauet sie sich nicht mit vollkommner Beruhigung zu hof- fen. Gott ist zwar gütig, (wird der seinen eige- nen Einsichten überlaßene Mensch denken;) aber er ist auch unendlich gerecht. Wehe mir, wenn er nach der Strenge mit mir verfahren will. Wird er, der allgewaltige Beherrscher der Welten, auf mich armen Wurm achten? Wenn er mich nun in seinem Zorn zerschmettern, oder in einer andern Welt ewig strafen will; wer will es hindern? Und wer giebt mir die Versicherung, daß mir dieses Schicksal nicht bevorstehe? Was einige Welt- weise in unsern Tagen von der Güte und Liebe Got- tes in diesem Stücke sprechen, das haben sie der Bibel zu danken, so weit es richtig ist. Aber wenn der Mensch, so wie er ist, ohne von dem Lichte der göttlichen Offenbarung erleuchtet zu seyn, ein sol- ches Zutrauen zu der göttlichen Barmherzigkeit ha- ben könnte, wie es uns die christliche Religion ein- flößet, woher wäre es denn gekommen, daß man zu allen Zeiten für nöthig geachtet hätte, die Gott- heit mit Opfern zu versöhnen, und daß manche Völker so weit verfallen wären, daß sie ihre ver- meinten Gottheiten so gar mit Menschenopfern zu besänftigen suchten? Warum hätte es zu allen Zeiten Leute gegeben, die ihren Leib marterten, und auf die ausschweifendsten Selbstpeinigungen verfie- len,
Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit ertheilt. Die Vernunft kennet zwar gewißermaſ-ſen Gott auch ſchon als ein gütiges Weſen; aber daß er bereit ſey, allen wiederkehrenden Sündern vollkommene Begnadigung angedeyhen zu laßen, wenn ihre vorherbegangene Mißethaten auch noch ſo groß und abſcheulich ſeyn ſollten, das getrauet ſie ſich nicht mit vollkommner Beruhigung zu hof- fen. Gott iſt zwar gütig, (wird der ſeinen eige- nen Einſichten überlaßene Menſch denken;) aber er iſt auch unendlich gerecht. Wehe mir, wenn er nach der Strenge mit mir verfahren will. Wird er, der allgewaltige Beherrſcher der Welten, auf mich armen Wurm achten? Wenn er mich nun in ſeinem Zorn zerſchmettern, oder in einer andern Welt ewig ſtrafen will; wer will es hindern? Und wer giebt mir die Verſicherung, daß mir dieſes Schickſal nicht bevorſtehe? Was einige Welt- weiſe in unſern Tagen von der Güte und Liebe Got- tes in dieſem Stücke ſprechen, das haben ſie der Bibel zu danken, ſo weit es richtig iſt. Aber wenn der Menſch, ſo wie er iſt, ohne von dem Lichte der göttlichen Offenbarung erleuchtet zu ſeyn, ein ſol- ches Zutrauen zu der göttlichen Barmherzigkeit ha- ben könnte, wie es uns die chriſtliche Religion ein- flößet, woher wäre es denn gekommen, daß man zu allen Zeiten für nöthig geachtet hätte, die Gott- heit mit Opfern zu verſöhnen, und daß manche Völker ſo weit verfallen wären, daß ſie ihre ver- meinten Gottheiten ſo gar mit Menſchenopfern zu beſänftigen ſuchten? Warum hätte es zu allen Zeiten Leute gegeben, die ihren Leib marterten, und auf die ausſchweifendſten Selbſtpeinigungen verfie- len,
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Fünfte Betr. Die Bereitwilligkeit
ertheilt. Die Vernunft kennet zwar gewißermaſ-
ſen Gott auch ſchon als ein gütiges Weſen; aber
daß er bereit ſey, allen wiederkehrenden Sündern
vollkommene Begnadigung angedeyhen zu laßen,
wenn ihre vorherbegangene Mißethaten auch noch
ſo groß und abſcheulich ſeyn ſollten, das getrauet
ſie ſich nicht mit vollkommner Beruhigung zu hof-
fen. Gott iſt zwar gütig, (wird der ſeinen eige-
nen Einſichten überlaßene Menſch denken;) aber
er iſt auch unendlich gerecht. Wehe mir, wenn er
nach der Strenge mit mir verfahren will. Wird
er, der allgewaltige Beherrſcher der Welten, auf
mich armen Wurm achten? Wenn er mich nun in
ſeinem Zorn zerſchmettern, oder in einer andern
Welt ewig ſtrafen will; wer will es hindern? Und
wer giebt mir die Verſicherung, daß mir dieſes
Schickſal nicht bevorſtehe? Was einige Welt-
weiſe in unſern Tagen von der Güte und Liebe Got-
tes in dieſem Stücke ſprechen, das haben ſie der
Bibel zu danken, ſo weit es richtig iſt. Aber wenn
der Menſch, ſo wie er iſt, ohne von dem Lichte der
göttlichen Offenbarung erleuchtet zu ſeyn, ein ſol-
ches Zutrauen zu der göttlichen Barmherzigkeit ha-
ben könnte, wie es uns die chriſtliche Religion ein-
flößet, woher wäre es denn gekommen, daß man
zu allen Zeiten für nöthig geachtet hätte, die Gott-
heit mit Opfern zu verſöhnen, und daß manche
Völker ſo weit verfallen wären, daß ſie ihre ver-
meinten Gottheiten ſo gar mit Menſchenopfern zu
beſänftigen ſuchten? Warum hätte es zu allen
Zeiten Leute gegeben, die ihren Leib marterten, und
auf die ausſchweifendſten Selbſtpeinigungen verfie-
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