Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.Gottes zu begnadigen. er in kurzer Zeit das väterliche Erbtheil verschwen-dete. Aber nunmehr hatte ihn Mangel und Noth gedemüthiget. Er empfand die traurigen Folgen seiner bisherigen Ausschweifungen, und verabscheu- te sein schändliches Verhalten. Gerne wollt' er sich mit der schlechten Kost der Taglöhner begnügen laßen, wenn er nur so glücklich wäre, dieser theil- haftig zu werden. Aber vornehmlich schmerzte es ihn, daß er sich so sehr an Gott, und an seinem guten Vater versündiget hatte. Er wollte sich al- les gefallen laßen, was nur sein Vater aus ihm machen wollte. Vater, sprach er zu ihm, Vater, ich habe mich an Gott und an dir versündiget, und bin hinfort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heiße. Hierinnen sind die Gesinnungen eines wieder- bet, D 4
Gottes zu begnadigen. er in kurzer Zeit das väterliche Erbtheil verſchwen-dete. Aber nunmehr hatte ihn Mangel und Noth gedemüthiget. Er empfand die traurigen Folgen ſeiner bisherigen Ausſchweifungen, und verabſcheu- te ſein ſchändliches Verhalten. Gerne wollt’ er ſich mit der ſchlechten Koſt der Taglöhner begnügen laßen, wenn er nur ſo glücklich wäre, dieſer theil- haftig zu werden. Aber vornehmlich ſchmerzte es ihn, daß er ſich ſo ſehr an Gott, und an ſeinem guten Vater verſündiget hatte. Er wollte ſich al- les gefallen laßen, was nur ſein Vater aus ihm machen wollte. Vater, ſprach er zu ihm, Vater, ich habe mich an Gott und an dir verſündiget, und bin hinfort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heiße. Hierinnen ſind die Geſinnungen eines wieder- bet, D 4
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Gottes zu begnadigen.
er in kurzer Zeit das väterliche Erbtheil verſchwen-
dete. Aber nunmehr hatte ihn Mangel und Noth
gedemüthiget. Er empfand die traurigen Folgen
ſeiner bisherigen Ausſchweifungen, und verabſcheu-
te ſein ſchändliches Verhalten. Gerne wollt’ er ſich
mit der ſchlechten Koſt der Taglöhner begnügen
laßen, wenn er nur ſo glücklich wäre, dieſer theil-
haftig zu werden. Aber vornehmlich ſchmerzte es
ihn, daß er ſich ſo ſehr an Gott, und an ſeinem
guten Vater verſündiget hatte. Er wollte ſich al-
les gefallen laßen, was nur ſein Vater aus ihm
machen wollte. Vater, ſprach er zu ihm, Vater,
ich habe mich an Gott und an dir verſündiget,
und bin hinfort nicht mehr werth, daß ich dein
Sohn heiße.
Hierinnen ſind die Geſinnungen eines wieder-
kehrenden Sünders ſehr ſchön und lebhaft geſchil-
dert. Er erkennet die Unrechtmäßigkeit und
Schändlichkeit ſeines bisherigen ſündlichen Verhal-
tens. Aber er iſt nicht nur allein darüber beküm-
mert, daß er ſich ſelbſt durch ſeine Vergehungen in
Unglück und Schande geſtürzt hat, ſondern auch
das ſchmerzet ihn, daß er ſo viel Böſes in der
menſchlichen Geſellſchaft angerichtet; daß er viel-
leicht dieienigen, die durch die Bande der Ver-
wandſchaft am genaueſten mit ihm verbunden ſind,
in Traurigkeit und Kummer verſetzt; daß er ſo
vielen ſeiner Mitbrüder die thätige Liebe entzogen,
die er ihnen ſchuldig war; daß er durch ſeinen Ei-
genſinn, durch ſeinen ausſchweifenden Zorn und
hartes Betragen vielleicht eben dieienige, welchen
er zum Troſt hätte gereichen ſollen, ſo oft betrü-
bet,
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