haftig seyn könne, und daß er nothwendig anders werden müsse, wenn er sich zu der Glückseeligkeit ienes ewigen Lebens eine gegründete Hofnung ma- chen wolle.
Wenn uns demnach unsere eigene Wohlfarth am Herzen liegt, so müssen wir uns sorgfältig be- muhen, zu einer richtigen Erkenntnis unserer selbst zu gelangen. Und wie kan das wohl anders ge- schehen, als wenn wir, unter eifriger Anrufung Gottes um Erleuchtung, öftere Untersuchungen mit uns selber anstellen, und uns eben so strenge beur- theilen, als wenn wir es mit einem Fremden, oder wohl gar mit einem Feinde zu thun hätten, deßen Fehler wir mit der grösten Genauigkeit aufsuchen? Hier dürfen wir aber nicht bey unserm äußerlichen Thun und Laßen ganz alleine stehen bleiben -- uns nicht dabey beruhigen, daß uns die Welt keine Vor- würfe wegen unserer bisherigen Aufführung machen kan, und daß wir etwa von unsern Mitbürgern für rechtschaffene Leute gehalten werden. Es kan ie- mand einen sehr ordentlichen Lebenswandel führen; er kan von iedermann geliebt und geehret werden, und doch noch weit vom Reiche Gottes entfernet seyn. Die Welt sieht uns nur alsdann, wann uns der äußerliche Wohlstand, oder unser Ehrgeitz, oder ein anderer Vortheil bewegt, unsere schlimmen Nei- gungen zu verbergen, und den Schein der Men- schenfreundlichkeit, Ehrlichkeit und Unschuld anzu- nehmen. Wenn wir bisweileu eben den Menschen, der vor den Augen der Welt in einer so vortheil- haften Gestalt erscheint in seinen häußlichen Ge- schäften, nnd da, wo er sich selbst überlaßen ist,
sehen
Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.
haftig ſeyn könne, und daß er nothwendig anders werden müſſe, wenn er ſich zu der Glückſeeligkeit ienes ewigen Lebens eine gegründete Hofnung ma- chen wolle.
Wenn uns demnach unſere eigene Wohlfarth am Herzen liegt, ſo müſſen wir uns ſorgfältig be- muhen, zu einer richtigen Erkenntnis unſerer ſelbſt zu gelangen. Und wie kan das wohl anders ge- ſchehen, als wenn wir, unter eifriger Anrufung Gottes um Erleuchtung, öftere Unterſuchungen mit uns ſelber anſtellen, und uns eben ſo ſtrenge beur- theilen, als wenn wir es mit einem Fremden, oder wohl gar mit einem Feinde zu thun hätten, deßen Fehler wir mit der gröſten Genauigkeit aufſuchen? Hier dürfen wir aber nicht bey unſerm äußerlichen Thun und Laßen ganz alleine ſtehen bleiben — uns nicht dabey beruhigen, daß uns die Welt keine Vor- würfe wegen unſerer bisherigen Aufführung machen kan, und daß wir etwa von unſern Mitbürgern für rechtſchaffene Leute gehalten werden. Es kan ie- mand einen ſehr ordentlichen Lebenswandel führen; er kan von iedermann geliebt und geehret werden, und doch noch weit vom Reiche Gottes entfernet ſeyn. Die Welt ſieht uns nur alsdann, wann uns der äußerliche Wohlſtand, oder unſer Ehrgeitz, oder ein anderer Vortheil bewegt, unſere ſchlimmen Nei- gungen zu verbergen, und den Schein der Men- ſchenfreundlichkeit, Ehrlichkeit und Unſchuld anzu- nehmen. Wenn wir bisweileu eben den Menſchen, der vor den Augen der Welt in einer ſo vortheil- haften Geſtalt erſcheint in ſeinen häußlichen Ge- ſchäften, nnd da, wo er ſich ſelbſt überlaßen iſt,
ſehen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0048"n="36"/><fwplace="top"type="header">Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.</fw><lb/>
haftig ſeyn könne, und daß er nothwendig anders<lb/>
werden müſſe, wenn er ſich zu der Glückſeeligkeit<lb/>
ienes ewigen Lebens eine gegründete Hofnung ma-<lb/>
chen wolle.</p><lb/><p>Wenn uns demnach unſere eigene Wohlfarth<lb/>
am Herzen liegt, ſo müſſen wir uns ſorgfältig be-<lb/>
muhen, zu einer richtigen Erkenntnis unſerer ſelbſt<lb/>
zu gelangen. Und wie kan das wohl anders ge-<lb/>ſchehen, als wenn wir, unter eifriger Anrufung<lb/>
Gottes um Erleuchtung, öftere Unterſuchungen mit<lb/>
uns ſelber anſtellen, und uns eben ſo ſtrenge beur-<lb/>
theilen, als wenn wir es mit einem Fremden, oder<lb/>
wohl gar mit einem Feinde zu thun hätten, deßen<lb/>
Fehler wir mit der gröſten Genauigkeit aufſuchen?<lb/>
Hier dürfen wir aber nicht bey unſerm äußerlichen<lb/>
Thun und Laßen ganz alleine ſtehen bleiben — uns<lb/>
nicht dabey beruhigen, daß uns die Welt keine Vor-<lb/>
würfe wegen unſerer bisherigen Aufführung machen<lb/>
kan, und daß wir etwa von unſern Mitbürgern für<lb/>
rechtſchaffene Leute gehalten werden. Es kan ie-<lb/>
mand einen ſehr ordentlichen Lebenswandel führen;<lb/>
er kan von iedermann geliebt und geehret werden,<lb/>
und doch noch weit vom Reiche Gottes entfernet<lb/>ſeyn. Die Welt ſieht uns nur alsdann, wann uns<lb/>
der äußerliche Wohlſtand, oder unſer Ehrgeitz, oder<lb/>
ein anderer Vortheil bewegt, unſere ſchlimmen Nei-<lb/>
gungen zu verbergen, und den Schein der Men-<lb/>ſchenfreundlichkeit, Ehrlichkeit und Unſchuld anzu-<lb/>
nehmen. Wenn wir bisweileu eben den Menſchen,<lb/>
der vor den Augen der Welt in einer ſo vortheil-<lb/>
haften Geſtalt erſcheint in ſeinen häußlichen Ge-<lb/>ſchäften, nnd da, wo er ſich ſelbſt überlaßen iſt,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſehen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[36/0048]
Dritte Betr. Daß der Menſch zur Erk.
haftig ſeyn könne, und daß er nothwendig anders
werden müſſe, wenn er ſich zu der Glückſeeligkeit
ienes ewigen Lebens eine gegründete Hofnung ma-
chen wolle.
Wenn uns demnach unſere eigene Wohlfarth
am Herzen liegt, ſo müſſen wir uns ſorgfältig be-
muhen, zu einer richtigen Erkenntnis unſerer ſelbſt
zu gelangen. Und wie kan das wohl anders ge-
ſchehen, als wenn wir, unter eifriger Anrufung
Gottes um Erleuchtung, öftere Unterſuchungen mit
uns ſelber anſtellen, und uns eben ſo ſtrenge beur-
theilen, als wenn wir es mit einem Fremden, oder
wohl gar mit einem Feinde zu thun hätten, deßen
Fehler wir mit der gröſten Genauigkeit aufſuchen?
Hier dürfen wir aber nicht bey unſerm äußerlichen
Thun und Laßen ganz alleine ſtehen bleiben — uns
nicht dabey beruhigen, daß uns die Welt keine Vor-
würfe wegen unſerer bisherigen Aufführung machen
kan, und daß wir etwa von unſern Mitbürgern für
rechtſchaffene Leute gehalten werden. Es kan ie-
mand einen ſehr ordentlichen Lebenswandel führen;
er kan von iedermann geliebt und geehret werden,
und doch noch weit vom Reiche Gottes entfernet
ſeyn. Die Welt ſieht uns nur alsdann, wann uns
der äußerliche Wohlſtand, oder unſer Ehrgeitz, oder
ein anderer Vortheil bewegt, unſere ſchlimmen Nei-
gungen zu verbergen, und den Schein der Men-
ſchenfreundlichkeit, Ehrlichkeit und Unſchuld anzu-
nehmen. Wenn wir bisweileu eben den Menſchen,
der vor den Augen der Welt in einer ſo vortheil-
haften Geſtalt erſcheint in ſeinen häußlichen Ge-
ſchäften, nnd da, wo er ſich ſelbſt überlaßen iſt,
ſehen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenmueller_betrachtungen_1789/48>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.