Rosenmüller, Johann Georg: Betrachtungen über auserlesene Stellen der Heil. Schrift zur häuslichen Erbauung. Nürnberg, 1778.seiner selbst gebracht werde. lichen Wortes zu beurtheilen. Ihre heimlichen Un-gerechtigkeiten, ihre subtile Betriegereyen, ihre im Herzen vestsitzende Bosheit, ihre unreine, rachsüch- tige, unbillige Denkungsart hielten sie nicht für Sünde. Daher waren alle Lehren und Ermahnun- gen Johannis und des Erlösers selbst an ihnen fruchtlos und vergeblich. Sie fanden sich zwar bisweilen betroffen, wann Jesus ihre Heucheley aufdeckte, und ihnen richtigere Begriffe von Tugend und Laster beyzubringen gesonnen war; aber an statt in sich zu gehen, wurden sie nur erbittert auf den gütigen Menschenfreund, der ihnen die Wahr- heit predigte, und giengen in ihrer Bosheit so weit, daß sie ihm nach dem Leben stellten. So schreckli- che Folgen hatte die Unbedachtsamkeit und der Leicht- sinn dieser Unglücklichen; so unmöglich war es ih- nen rechtschaffen zu werden, weil sie sich nicht kann- ten, noch kennen wollten. Wenn wir nun nach den Ursachen fragen, war- der- C
ſeiner ſelbſt gebracht werde. lichen Wortes zu beurtheilen. Ihre heimlichen Un-gerechtigkeiten, ihre ſubtile Betriegereyen, ihre im Herzen veſtſitzende Bosheit, ihre unreine, rachſüch- tige, unbillige Denkungsart hielten ſie nicht für Sünde. Daher waren alle Lehren und Ermahnun- gen Johannis und des Erlöſers ſelbſt an ihnen fruchtlos und vergeblich. Sie fanden ſich zwar bisweilen betroffen, wann Jeſus ihre Heucheley aufdeckte, und ihnen richtigere Begriffe von Tugend und Laſter beyzubringen geſonnen war; aber an ſtatt in ſich zu gehen, wurden ſie nur erbittert auf den gütigen Menſchenfreund, der ihnen die Wahr- heit predigte, und giengen in ihrer Bosheit ſo weit, daß ſie ihm nach dem Leben ſtellten. So ſchreckli- che Folgen hatte die Unbedachtſamkeit und der Leicht- ſinn dieſer Unglücklichen; ſo unmöglich war es ih- nen rechtſchaffen zu werden, weil ſie ſich nicht kann- ten, noch kennen wollten. Wenn wir nun nach den Urſachen fragen, war- der- C
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ſeiner ſelbſt gebracht werde.
lichen Wortes zu beurtheilen. Ihre heimlichen Un-
gerechtigkeiten, ihre ſubtile Betriegereyen, ihre im
Herzen veſtſitzende Bosheit, ihre unreine, rachſüch-
tige, unbillige Denkungsart hielten ſie nicht für
Sünde. Daher waren alle Lehren und Ermahnun-
gen Johannis und des Erlöſers ſelbſt an ihnen
fruchtlos und vergeblich. Sie fanden ſich zwar
bisweilen betroffen, wann Jeſus ihre Heucheley
aufdeckte, und ihnen richtigere Begriffe von Tugend
und Laſter beyzubringen geſonnen war; aber an
ſtatt in ſich zu gehen, wurden ſie nur erbittert auf
den gütigen Menſchenfreund, der ihnen die Wahr-
heit predigte, und giengen in ihrer Bosheit ſo weit,
daß ſie ihm nach dem Leben ſtellten. So ſchreckli-
che Folgen hatte die Unbedachtſamkeit und der Leicht-
ſinn dieſer Unglücklichen; ſo unmöglich war es ih-
nen rechtſchaffen zu werden, weil ſie ſich nicht kann-
ten, noch kennen wollten.
Wenn wir nun nach den Urſachen fragen, war-
um ſo viele Menſchen mitten unter den Chriſten in
ihren Sünden ſorglos dahinleben, und an keine
ernſtliche Beßerung denken, ſo werden wir finden,
daß Mangel der Selbſterkenntnis und unpartheyi-
ſchen Selbſtbeurtheilung noch immer eine der aller-
vornehmſten iſt. So mancher vornehme Mann,
ſo manche vornehme Frau hat vielleicht oft in der
Bibel und in Büchern geleſen, oder in Predigten
gehöret, daß auch die verkehrten Maximen, unchriſt-
liche Geſinnungen, und boshaften Thaten, die von
Leuten ihres Standes für erlaubt gehalten werden,
nach der Vorſchrift des göttlichen Wortes ſtrafbar
und verdammlich ſind. Aber warum werden denn
der-
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